Schimmelpilzbildung: mehr als zweimaliges Lüften ist für den Mieter unzumutbar

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Landgerichts Aachen vom 02. Juli 2015 – 2 S 327/14 –.

Ausgangslage:

Tritt der Wohnung Schimmelpilz auf, kommt es schnell zum Streit zwischen Mieter und Vermieter. Ob der Mieter Minderungsrechte und Zurückbehaltungsrechte an Mietzins hat und darüber hinaus noch Schadensersatz verlangen kann, hängt letztendlich auch davon ab, ob er seinen Pflichten zur ordnungsgemäßen Belüftung der Wohnung nachgekommen ist. Die Gerichte gehen hier von sehr unterschiedlichen Anforderungen an das Lüftungsverhalten des Vermieters aus. Teilweise werden die Anforderungen extrem überdehnt. Es gibt Gerichte, die ein drei- bis fünfmaliges tägliches Lüften vom Mieter fordern.

Urteil:

Das Landgericht war zeigt sich in der genannten Entscheidung außerordentlich realitätsnah und damit Mieter freundlich. Nach Auffassung des Landgerichts begründet die Notwendigkeit eines täglichen drei- bis viermaligen Lüftens einen Fehler der Mietsache. Der Vermieter müsse in diesem Falle zumindest auf die Notwendigkeit hinweisen bzw. im Mietvertrag eine entsprechende Vereinbarung mit dem Mieter über ein verstärktes Lüftungsverhalten treffen (LG Aachen, Urteil vom 02. Juli 2015 – 2 S 327/14 -, Rn. 10, juris).

Bewertung:

Das Urteil ist zutreffend. Anders als viele andere Gerichtsentscheidungen bleibt das Landgericht bei den Anforderungen an ein mieterseitiges Lüftungsverhalten auf dem Boden der Realität. Kein Mensch lüftet in der Praxis seine Wohnung mehr als zweimal am Tag. Da zu einer ordnungsgemäßen Belüftung das Öffnen sämtlicher Fenster für mindestens fünf Minuten gehört, sind darüber hinausgehende Forderungen nach häufigerer Lüftung realitätsfern. Die Gerichte übernehmen leider allzu oft die Auffassungen der Sachverständigen aus deren Gutachten. Abgesehen davon, dass die Sachverständigen häufig eine Tendenz haben, zu Gunsten ihrer häufigsten Auftraggeber, nämlich der Vermieter, zu bewerten: Es geht nicht darum, dass der Mieter um jeden Preis Baumängel oder auch nur bestimmte Sensibilitäten der Wohnung ausgleicht. Darauf hat der Vermieter ohne entsprechende Vereinbarung jedenfalls keinen Anspruch. Unabhängig davon stellt sich natürlich auch die Frage, ob entsprechende Vereinbarungen einer Klauselkontrolle nach AGB-Recht überhaupt standhalten würden. Meines Erachtens in der Regel nicht. Von den Gerichten wird das allerdings bislang noch nicht problematisiert. Dies mag daran liegen, dass solche Klauseln noch zu wenig verwendet werden.

Fachanwaltstipp Mieter:

Um einer Haftung wegen Verursachung von Schimmelpilz aus dem Weg zu gehen müssen Mieter die Wohnung sicherheitshalber fünfmal täglich für maximal fünf Minuten durch vollständiges Öffnen sämtlicher Fenster lüften. Wer das nicht macht (also wohl nahezu jeder), muss auf ein vernünftigen Richter hoffen.

Fachanwaltstipp Vermieter:

Vermieter sollten heutzutage grundsätzlich im Rahmen des Mietvertrages und deutlich hervorgehoben den Mieter auf ein angemessenes Lüftungs- und Heizverhalten hinweisen. Es ist nicht davon auszugehen, dass die teilweise absurden Anforderungen an einen Mieter hinsichtlich des Lüftungsverhaltens dauerhaft von den Gerichten so gestellt werden. Die Anforderungen an das Lüftungsverhalten sollte man auch im Rahmen einer solchen Vereinbarung nicht übertreiben. Andernfalls ist die Vereinbarung unwirksam und hilft in der Praxis dann gar nicht.

Wir beraten Mieter, Vermieter und Bauherrn bundesweit im Zusammenhang mit Ansprüchen wegen der Bildung von Schimmelpilz. Unter 030/40004999 erhalten Sie Auskünfte zum geeigneten Vorgehen von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck.

28.12.2015

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