Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck zu einem Urteil des Amtsgerichts Potsdam
Eigenbedarfskündigung: Schwere Körperbehinderung eines Mieters kann dem Räumungsinteresse des Vermieters im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung entgegengehalten werden (AG Potsdam, Urteil vom 28. Mai 2013 – 24 C 221/12 -, juris) Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck zu einem Urteil des Amtsgerichts Potsdam.
Ausgangslage:
Der Vermieter hatte wegen Eigenbedarf gekündigt. Ein Mieter der Wohnung ist zu 100 % körperbehindert und besitzt Pflegestufe 3 nebst der Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), B (Begleitung erforderlich), H (Hilflos) und RF (Rundfunkgebührenbefreit). Vorliegend hatte der Vermieter seine berechtigten Interessen an der Nutzung der Wohnung hinreichend dargetan. Das Gericht ging im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Vermieter die Wohnung für sich und seine Familie benötigt. Trotzdem hat es die Räumungsklage abgewiesen, weil der Kündigung die Interessen des schwerbehinderten Mieters entgegenstanden, sodass das auch aus Art. 14 I GG herzuleitende Erlangungsinteresse des Vermieters hinter den Bestandsinteressen des Mieters gem. Art 13 GG zurücktritt.
Das Urteil:
Gem. § 574 BGB sind unter Härtegründen auf Mieterseite alle Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die infolge der Vertragsbeendigung auftreten können (vgl Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10., Auflage, § 574 Rn 20). Hinsichtlich der Intensität des Nachteils sind jedoch Härtegründe von – unbeachtlichen – bloßen Unbequemlichkeiten abzugrenzen, die jeder Umzug mit sich bringt. Für den Eintritt relevanter Nachteile muss dabei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (Schmidt-Futterer/Blank a.a.O., Rn 20) bestehen, so dass die lediglich theoretische Möglichkeit ihres Eintritts nicht ausreichend ist. Der Eintritt der Nachteile muss aber auch nicht mit absoluter Sicherheit feststehen (Schmidt/Futterer/Blank, a.a.O.) Andererseits muss keine sittenwidrige Härte vorliegen. Erforderlich ist, dass die Nachteile von einigem Gewicht sind.
Das Gericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gesundheitszustand des Mieters nicht zwangsläufig zur Räumungsunfähigkeit führt. Jedoch sei im besonderen Maße zu berücksichtigen, dass der Mieter zu 100 % körperbehindert, Pflegestufe 3 nebst der Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), B (Begleitung erforderlich), H (Hilflos) und RF (Rundfunkgebührenbefreit) besitzt. Im Streitfall überwiegt das Interesse des Beklagten an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses unter Berücksichtigung der Wertungen von Art. 1 I GG, 2 II GG, 12 I GG und des von Art. 14 I GG geschützte Interesse des Klägers.
Hinzu kam, dass die Wohnung für den körperbehinderten Mieter besonders geeignet war.
Zu Gunsten des Bestandsinteresses der Beklagten war auch zu berücksichtigen, dass die Lage der Wohnung dem Beklagten auch eine Teilnahme am sozialen Leben leichter ermöglicht.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Ist tatsächlich Eigenbedarf gegeben, hat es der Mieter normalerweise recht schwer Gründe darzulegen, die das Interesse des Vermieters an der Räumung überwiegen. In Extremfällen, wie dem vorliegenden kann im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtabwägung ein solcher Fall aber gegeben sein. Wie das Amtsgericht Potsdam ausführt, führt allerdings nicht jede schwere Erkrankungen, bzw. Körperbehinderung zu einer Räumungsunfähigkeit, bzw. einem Überwiegen des Mieterinteresses. Im vorliegenden Fall kamen noch die besonderen Umstände in der Wohnung dazu. Die Wohnung war aufgrund ihres Zuschnitts, ihrer Lage und ihrer Ausstattung für den Mieter besonders geeignet. Die Mieter hätte Schwierigkeiten gehabt eine derartige Wohnung ohne weiteres in der Umgebung zu finden.
Fachanwaltstipp Mieter:
Wer eine Eigenbedarfskündigung erhält, sollte sämtliche Umstände des Einzelfalls sorgfältig prüfen. Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Hier müssen immer sämtliche in Betracht kommenden Gesamtumstände angeführt werden, da die Anforderung der Gerichte sehr hoch sind. Im vorliegenden Fall hatte der Mieter seine Gründe umfassend vorgetragen und dadurch seine Wohnung (zunächst) gerettet.
29.8.2013
Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin
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