Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen.
Bei Mängeln der Mietsache kommt neben den Instandsetzungsansprüchen des Mieters grundsätzlich eine Mietminderung in Betracht. Der Mieter kann daneben Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche geltend machen. Vergessen wird häufig, dass dem Mieter daneben auch noch ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Dabei kann dieses gerade im Falle einer überhöhten Mietminderung und anschließender Kündigung des Vermieters ein Rettungsanker sein.
Was bedeutet das Zurückbehaltungsrecht?
Der Mieter darf in neben in der Mietminderung einen weiteren Teil des Mietzinses vorübergehend bis zu Beseitigung der Mängel einbehalten. Das Zurückbehaltungsrecht dient dazu, Druck auf den Vermieter auszuüben, die Mietsache in Stand zu setzen. Nach erfolgter Instandsetzung ist der zurückbehaltene Betrag nachzuzahlen. Ein Zurückbehaltungsrecht besteht also nur bei solchen Mängeln, die der Vermieter auch beseitigen kann. Wird zum Beispiel durch eine Neubebauung die Wohnung verschattet, kommt möglicherweise eine Mietminderung in Betracht. Ein Zurückbehaltungsrecht allerdings regelmäßig nicht, da der Vermieter den Neubau ja nicht beseitigen kann. Das gilt auch wenn die Wohnung zu klein ist. Auch hier kommt bei einer Abweichung von 10 % oder mehr zu der im Mietvertrag angegebenen Fläche eine dauerhafte Mietminderung in Betracht. Ein Zurückbehaltungsrecht scheidet aus, da der Vermieter die Wohnung ja nicht größer gestalten kann.
Die Höhe des Zurückhaltungsrechtes:
Die Höhe des Zurückbehaltungsrechts und der Zeitraum der Ausübung waren in der Vergangenheit Gegenstand diverser Teils stark voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen. Gerade dann, wenn der Vermieter wegen überhöhter Mietminderung gekündigt hatte, konnte die Frage, ob und in welcher Höhe neben der Mietminderung ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins bestand entscheidend sein für die Frage ob der Mieter die Wohnung verliert. Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 – zum Zurückbehaltungsrecht einige Ausführungen gemacht. Insbesondere hat er klargestellt, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht wie in der Vergangenheit vielfach angenommen pauschal in Höhe des drei- bis fünffachen Minderungsbetrags bis zur Beseitigung der Mängel besteht. Grundsätzlich gewährt § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der gesamten Gegenleistung. Hat allerdings eine Partei die von ihr geschuldete Leistung – wie vorliegend die Klägerin – teilweise erbracht, so kann die Gegenleistung gemäß § 320 Abs. 2 BGB insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 -, juris).
Zurückbehaltungsrecht immer ausdrücklich geltend machen:
Wenn der Mieter in der Wohnung einen Mietmangel entdeckt, sollte er dies dem Vermieter umgehend anzeigen. Neben der Fristsetzung zur Instandsetzung und der Mietminderung, sollte auch immer noch ausdrücklich in das Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden.
Vorsicht vor Kündigung wegen Mietrückständen:
Auch das Zurückbehaltungsrecht, mit dem in der Vergangenheit bei überhöhter Mietminderung und anschließender Kündigung gelegentlich ein Mietverhältnis noch gerettet werden konnte, ist nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der oben bezeichneten Entscheidung keine Allzweckwaffe mehr. Das entscheidende Gericht hat wie bei der Mietminderung auch beim Zurückbehaltungsrecht und dessen Höhe einen weiten und schwer überprüfbaren Spielraum im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH, Versäumnisurteil vom 17. Juni 2015 – VIII ZR 19/14 -, juris).
Fachanwaltstipp Vermieter:
Vermieter haben bei Mietminderungen ein scharfes Schwert in der Hand. Der Bundesgerichtshof hält auch schon geringfügige Irrtümer des Mieters über die Höhe der Mietminderung für schuldhaft und entsprechende Rückstände für kündigungsbegründend. Solange der Gesetzgeber hier nicht zu Gunsten der Mieter schützend eingreift, empfiehlt sich in Streitfällen immer eine Kündigung. Dies erhöht den Druck auf den Mieter erheblich, wenn das Mietverhältnis anderweitig nur zu deutlich schlechteren Konditionen für den Mieter, insbesondere zu deutlich höherem Mietzins fortgesetzt werden kann.
Fachanwaltstipp Mieter:
Ich empfehle grundsätzlich bei Mietminderungen immer die Zahlung unter Vorbehalt und die anschließende Klage nach erfolgloser Fristsetzung auf Instandsetzung und Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und eine Kündigung erfolgte, kann aber nach wie vor über die Argumentation mit dem Zurückbehaltungsrecht eine überhöhte Mietminderung aufgefangen werden. Das allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum. Jahrelange Mietminderungen unter Inkaufnahme des Mangels sind also weiterhin äußerst riskant.
14.12.2015
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