Zum Urteil des Arbeitsgerichts Kiel, Urteil vom 7. Januar 2014 – 2 Ca 1793 a/13, ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.
Ausgangslage:
Im vorliegenden Fall hatte eine Reinigungskraft, die als Objektleiterin beschäftigt war, ihre Tätigkeit über zwei weitere, auf geringfügiger Basis beschäftigte Mitarbeiterinnen abgerechnet. Diese waren jedoch offensichtlich nicht selbst tätig und zahlten der Objektleiterin das erhaltene Arbeitsentgelt später aus. Nachdem der Geschäftsführer davon Kenntnis erlangt hatte, sprach er eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus. Die Arbeitnehmerin brachte zu ihrer Rechtfertigung vor, die von ihr angewendete Praxis auf einen früheren Vorschlag des örtlichen Betriebsleiters zurückgehe, mit dem sie diese dann auch jahrelang zusammen umgesetzt hatte.
Entscheidung:
Die Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht Kiel abgewiesen. Zwar sei die fristlose Kündigung formunwirksam gewesen, die ordentliche Kündigung dagegen jedoch wirksam. Dabei war die Frage, ob die Behauptung der Arbeitnehmerin hinsichtlich des Vorschlags vom örtlichen Betriebsleiter zu der maßgeblichen Vorgehensweise zutreffend war, vom Arbeitsgericht ausdrücklich offengelassen worden. Auch für den Fall, dass dies der Wahrheit entspreche, hätte die Klägerin nicht davon ausgehen können, eine solche Praxis würde auch von der überörtlichen Geschäftsführung gebilligt. Somit liege eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß § 241 BGB in schwerwiegender Hinsicht vor. Angesichts ihrer Kenntnis, dass durch die Praxis Gesetze umgangen wurden und der Schwere der Verfehlung sowie der Vorbildfunktion der Klägerin konnten deren langjährige Betriebszugehörigkeit, Schwerbehinderung und ansonsten beanstandungsfreie Tätigkeit hier nicht überwiegen. Eine vorherige Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Mit ihrem Verhalten habe die Klägerin in erster Linie sich selbst begünstigt und konnte nicht ernsthaft eine Billigung der vom Betriebsleiter vorgeschlagenen Praxis von der auswärtigen Geschäftsführung erwarten.
Bewertung:
Bisher liegt nur eine Pressemitteilung vor der Entscheidung vor. Zweifelhaft erscheint aus meiner Sicht allerdings zumindest die Annahme, dass die Klägerin mit ihrem Verhalten in erster Linie sich selbst begünstig hat. Anhängig von der Höhe des Entgeltes der Arbeitnehmerin ist davon auszugehen, dass auch der Arbeitgeber von dem Verfahren profitiert hat, da er der Betroffenen andernfalls eine höheres Arbeitsentgelt hätte zahlen müssen. Wenn der örtliche Betriebsleiter das Verhalten tatsächlich vorgeschlagen hätte, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass auch der Arbeitgeber davon profitiert hat.
In jedem Fall ist es aber zutreffend, dass eine Abmahnung nicht erforderlich war. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, beide Seiten können Berufung einlegen. Die Akte wird nun der Staatsanwaltschaft übersandt, die sicherlich aufklären wird, wer welche Kenntnis von welchen Vorgängen hatte. Wenn der den Arbeitgeber vertretene örtliche Betriebsleiter das Verfahren tatsächlich vorgeschlagen haben sollte, wäre meiner Ansicht nach auch eine abweichende Beurteilung durch das Landesarbeitsgericht denkbar.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Solche Trickserien kommen speziell im Niedriglohnsektor häufig vor. Allerdings kommt es zu immer schärferen Kontrollen und nicht nur über den Weg des Arbeitsgerichtes landen die Fälle bei der Staatsanwaltschaft. Anzeigen von Kollegen gegeneinander oder Betriebsprüfungen sorgen für die Aufdeckung von solchem Verhalten, weshalb Arbeitgebern davon dringend abzuraten ist.
Wenn Sie als Arbeitgeber einen derartigen Fall in ihrem Unternehmen entdecken, sollten Sie dem zügig nachgehen und entsprechende Konsequenzen ziehen. Dabei ist Beratung in jedem Falle sinnvoll, Augen zu und durch funktioniert meist nicht mehr.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Arbeitnehmer die derlei Angebote wie im vorliegenden Fall von ihrem Arbeitgeber erhalten, sollten sich nicht darauf einlassen. An dem Beispiel ist deutlich zu sehen, dass sich Geschäftsführungen abwechseln können und entsprechende Maßnahmen unterschiedlich bewerten und zudem der Staat immer hartnäckiger gegen Steuer- und Sozialbetrug vorgeht. Sofern Sie in ihrem Unternehmen Kenntnis von einer Straftat erlangen, ist eine Strafanzeige angesichts der derzeitig unhaltbaren Gesetzeslage und Rechtsprechung im Arbeitsrecht oftmals nicht die richtige Variante. Strafanzeige stellende Arbeitnehmer riskieren nämlich ihrerseits eine ggf. fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber. Folglich sollte derzeit zunächst der innerbetriebliche Weg (Anzeige bei dem Vorgesetzten, Information des Betriebsrats) gegangen werden. Dass man sich damit wiederum häufig auch ins betriebliche Off manövriert, nimmt der Gesetzgeber derzeit hin.
(Arbeitsgericht Kiel, Urteil vom 7. Januar 2014 – 2 Ca 1793 a/13).
6.3.2014
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.
Videos und weiterführende Informationen mit Praxistipps zu allen aktuellen Rechtsfragen finden Sie unter: www.fernsehanwalt.com
Rechtsanwaltskanzlei
Bredereck & Willkomm
Rechtsanwälte in Berlin und Potsdam
Bredereck & Willkomm
Alexander Bredereck
Am Festungsgraben 1
10117 Berlin
030 4000 4999
berlin@recht-bw.de
http://www.recht-bw.de