Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg: Stasi-Tätigkeit und Kündigung

Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg: Stasi-Tätigkeit und Kündigung

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.

Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg: Stasi-Tätigkeit und Kündigung

Arbeitsrecht

Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg: Stasi-Tätigkeit verschwiegen, gekündigt und mit Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Eine vorläufige Einschätzung von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck.

Dem Vize-Direktor des Landesinstituts für Rechtsmedizin Brandenburg war laut Pressemeldung der Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) vom 8.2.2017 vom Land Brandenburg fristlos gekündigt worden, weil er seine frühere Stasitätigkeit als “inoffizieller Mitarbeiter” gleich zweimal verschwiegen haben soll. Das erste Mal 1991 und dann erneut im Oktober 2016. Für Anstellungen von Behördenleitern an aufwärts ist seit 2012 in Brandenburg eine Überprüfung auf Tätigkeit für die Staatssicherheit der DDR eingeführt worden. Der Vizedirektor erhob Kündigungsschutzklage und obsiegte in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Potsdam. Das Arbeitsgericht sah laut der Pressemeldung der PNN die Verdienste nach der Wende im Landesinstitut für Rechtsmedizin im Vergleich zu der Lüge als schwerwiegender an.

Kein Vergleich mit der Kündigung des ehemaligen Staatssekretärs Andrej Holm durch die Humboldt-Uni

Auch wenn dies aufgrund der zeitlichen Zusammenhänge naheliegt, der vorliegende Fall ist kaum vergleichbar mit dem Fall des ehemaligen Staatssekretärs Holm, dem kürzlich von der Humboldt-Universität wegen Lügen im Zusammenhang mit der Stasi Tätigkeit gekündigt worden war.

Aktuelle Verfehlung

Während es sich bei der Kündigung des ehemaligen Staatssekretärs um eine mehrere Jahre zurückliegende Verfehlung (2005 im Fragebogen) handelte, ist vorliegend ein Vertrauensbruch aktuell gegeben. Es geht also anders als bei Holm nicht darum, ob dieser durch die nach dem Vertrauensbruch langjährige, beanstandungsfreie und sogar erfolgreiche Tätigkeit wieder ausreichend Vertrauen aufgebaut hat, sondern darum, ob der Vertrauensberg, den der Vizedirektor zuvor aufgebaut hat, so hoch war, dass auch die erneute Lüge nicht zu einem für eine wirksame Kündigung notwendigen Vertrauensverlust beim Arbeitgeber führte. Der Fall ist an diesem Punkt eher vergleichbar mit dem Fall von Emmely, der Kaisers-Kassiererin, die nach jahrelanger beanstandungsfreier Tätigkeit mit einem Pfandbon in Schwierigkeiten geriet.

Herausragende Position

Hinzukommt vorliegend, dass der Vizedirektor eine wesentlich herausragendere und damit repräsentativere Position bei seinem Arbeitgeber innehat, als Herr Holm, bzw. damals Emmely. Die Anforderungen an das für die Erfüllung der Arbeitsleistung notwendige Vertrauen sind daher hier deutlich größer. Das bedeutet umgekehrt, dass Vertrauen auch leichter in dem für eine Kündigung erforderlichen Maße zerstört werden kann.

Der Fall ist nicht eindeutig

Vor diesem Hintergrund ist der Fall alles andere als eindeutig. Hier wird es grundsätzlich. Es wird also vor allen Dingen um die Frage gehen, ob fast 30 Jahre nach der Wende, überhaupt noch Fragen nach der früheren Tätigkeit für die Staatssicherheit zulässig sind. Wären solche Fragen nicht zulässig, dürften Arbeitnehmer lügen. Eine entsprechende Lüge könnte dann auch nicht zu einem für die Kündigung notwendigen Vertrauensverlust führen.

Bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigungsmöglichkeit im öffentlichen Dienst wegen der Tätigkeit für die Staatssicherheit

Eine bewusste Tätigkeit für das MfS sowie die Weitergabe von Informationen oder Schriftstücken an das MfS kann je nach den Umständen auch ohne vorherige Abmahnung geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung eines – im öffentlichen Dienst in einem sensiblen Bereich beschäftigten – Arbeitnehmers nach § 626 Abs. 1 BGB zu rechtfertigen.

Bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung wegen Falschbeantwortung von Fragen zur Tätigkeit für das MfS

Die Falschbeantwortung der berechtigten Frage nach einer früheren Tätigkeit für das MfS ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen (BAG, Urteil vom 25. Oktober 2001 – 2 AZR 559/00 -, juris). Das Fragerecht ist beschränkt durch das betriebliche Interesse und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Damit der Arbeitnehmer die Zulässigkeit der Frage beurteilen kann, muss sie so konkret formuliert sein, dass der Arbeitnehmer zweifelsfrei erkennen kann, wonach gefragt wird (BAG, Urteil vom 13. Juni 2002 – 2 AZR 234/01 -, BAGE 101, 341-351).

Entscheidend für die Frage eines Kündigungsrechts sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalls

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann eine Falschbeantwortung gerechtfertigt sein. Hierbei kommt es unter anderem auch darauf an, wie lange die Tätigkeit für das MfS zurückliegt und wie schwerwiegend sie war (BAG, Urteil vom 16. September 1999 – 2 AZR 902/98 -, juris). Weiter muss berücksichtigt werden, wie sich das Arbeitsverhältnis nach Beantwortung der Fragen weiterentwickelt hat. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob angesichts eventuell entlastender Umstände ggf. eine Abmahnung des Klägers als mildere Maßnahme ausgereicht hätte (BAG, Urteil vom 16. September 1999 – 2 AZR 902/98 -, juris).

Wirksamkeit der Kündigung im vorliegenden Fall unklar

Da die Tätigkeit mittlerweile ein ganzes Berufsleben lang zurückliegt, würde sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts heutzutage generell die Frage stellen, ob solche Tätigkeiten für die Staatssicherheit, die notwendigerweise fast 30 Jahre zurückliegen, überhaupt noch einen Kündigungsgrund darstellen können. Nur wenn man diese Frage bejaht, könnte die Kündigung überhaupt wirksam sein. Andernfalls würden sich auch entsprechende Fragen nach der Tätigkeit mangels berechtigten Interesses des Arbeitgebers verbieten.

Weitere ungeklärte Fragen

Neben den genannten Voraussetzungen gibt es noch eine ganze Reihe anderer bedenkenswerter Punkte. War dem Arbeitgeber die falsche Beantwortung der Fragen vielleicht sogar bekannt oder hatte er sie in Kauf genommen? Wurde die ganze Befragung vielleicht nur routinemäßig durchgeführt, ohne echtes Interesse an deren Ergebnis? Waren die Fragen ausreichend konkret formuliert? Außerdem müssen die üblichen Formalien (Betriebsratsanhörung usw.) beachtet werden.

Bei Kündigung Kündigungsschutzklage erheben

Kündigt der Arbeitgeber, sollte der Arbeitnehmer in solchen Fällen innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erheben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen. Zumindest eine satte Abfindung ist in solchen Fällen dann immer drin.

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Berlin, den 8.2.2017

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