Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 – ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.
Ausgangslage:
Unangemessenes Verhalten gegenüber Arbeitskollegen führt auf lange Sicht sicher zu einer sozialen Ächtung des jeweiligen Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens. Inwieweit ein solches Verhalten den Arbeitgeber zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen (Abmahnung, Kündigung) berechtigt, ist im Einzelfall umstritten.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:
Eine entsprechende Vorwarnung (nicht Abmahnung) des Arbeitgebers an den betroffenen Arbeitnehmer die Kontaktaufnahmen mit einer sich belästigt fühlenden Arbeitnehmerin künftig zu unterlassen und eine Androhung von arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Fall der Zuwiderhandlung hatten nur dazu geführt, dass der Arbeitnehmer sich ein neues Opfer suchte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis.
Das Landesarbeitsgericht hatte in zweiter Instanz der Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers stattgegeben mit der Begründung, dieser sei vorab nicht formal ordnungsgemäß abgemahnt worden. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Bundesarbeitsgericht: Es steht noch nicht fest, ob ein wichtiger Grund für die Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Kläger durch die Mitteilung aus dem Jahr 2007 nicht im Rechtssinne abgemahnt worden ist. Es hat aber nicht ausreichend geprüft, ob angesichts der Warnung durch das zuvor durchgeführte Beschwerdeverfahren und der übrigen Umstände eine Abmahnung entbehrlich war.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 258/11 –
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 3. November 2010 – 2 Sa 979/10 –
Bewertung:
Im Einzelfall ist es für die Arbeitsgerichte gar nicht so einfach festzustellen, ob ein Arbeitgeber die Vorwürfe nur benutzt, um einen missliebigen Arbeitnehmer loszuwerden oder ob wiederum ein Arbeitnehmer unter dem Deckmantel des Kündigungsschutzgesetzes seine Kollegen terrorisiert. Hier wird es immer auf die näheren Umstände des Einzelfalls ankommen.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Wenn Sie von entsprechenden Belästigungen innerhalb der Belegschaft Kenntnis erlangen, sollten Sie dem unbedingt nachgehen. Neben der grundsätzlichen Beeinträchtigung der Arbeitsergebnisse und der Leistungsfähigkeit der betroffenen Mitarbeiter und neben dem Imageschaden stehen auch Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeld des geschädigten Mitarbeiters im Raum.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wenn Sie von Stalking oder Mobbing betroffen sind, sollten Sie frühzeitig handeln. Der Gesetzgeber in Deutschland versäumt zwar seit Jahren, einen effektiven Opferschutz im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu gewährleisten und auch die Gerichte gleichen dieses Defizit nur sehr selten durch eine konstruktive Auslegung der bereits vorhandenen Gesetze im Interesse der Opfer aus. Trotzdem gilt: Wer sich nicht wehrt, ist Teil des Problems.
29.5.2013
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.
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