Qualitäts-Spektrum im Warenangebot bedroht
sup.- Ein Geschäft mit großem Warensortiment hat den Vorteil, ganz unterschiedliche Geschmäcker und Vorlieben bedienen zu können. Verbraucher finden heute meist in einer einzigen Supermarktfiliale für jede Warengattung ein Produkt, das ihren Ansprüchen und Preisvorstellungen entspricht. Eine Reduzierung dieser Auswahlmöglichkeiten kann niemand ernsthaft wollen, denn schließlich muss das Angebot einer enormen Bandbreite in Sachen Kaufkraft und persönlicher Prioritäten gerecht werden. Während der eine Kunde z. B. mehr Geld für Fleisch vom Biobauern ausgibt, schätzt der zweite hochwertige Markenschokolade. Ein anderer wiederum spart bei den süßen Naschereien, legt aber viel Wert auf bestbenotete Artikel für die Körperpflege. Es besteht jedoch die Gefahr, dass diese individuellen Rangordnungen bald keine besondere Rolle mehr spielen dürfen: Immer häufiger zielen Initiativen des Bundeskartellamtes darauf ab, dass nur der jeweils preisgünstigste Anbieter einer Produktgattung als Maßstab für die Wettbewerbsregulierung geduldet wird. Dass auch Kriterien wie Produktgüte und Zutaten, besondere Fertigungs- oder Qualitätssicherungsverfahren sowie zusätzliche Serviceleistungen in den Preis einfließen, wird von den Wettbewerbshütern nicht geduldet bzw. erregt sofort den Verdacht kartellrechtlicher Verstöße.
Der Schokoladenhersteller Alfred T. Ritter sieht in diesen Markteingriffen der Kartellbehörden keinen Verbraucherschutz, sondern im Gegenteil die Blockade berechtigter Kundenwünsche: “Der Kunde kauft eine Marke aus dem Qualitätsversprechen heraus. Sonst kann er No-Name kaufen, was auch billiger ist. Und diese Qualität muss man natürlich einhalten.” Dass dieser Anspruch mit den Billigpreis-Vorstellungen des Kartellamtes nicht realisierbar ist, erläutert der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel, der gemeinsam mit dem Juristen Florian Josef Hoffmann das Fachbuch “Wirtschaft im Würgegriff / Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert” geschrieben hat (Campus Verlag, ISBN 978-3-593-50150-5): “Der qualitative Anspruch hat zahlreiche Facetten. Er beginnt beim Einkauf hochwertiger Rohstoffe, geht über hohe Standards in der Verarbeitung respektive Produktion und reicht heute bis zur Wahrnehmung einer sozialen Verantwortung gegenüber den Menschen und Regionen, in denen das Unternehmen national oder international tätig ist.” Wenn diese Markenphilosophie von den Kartellbehörden nicht mehr berücksichtigt wird, so die Autoren, wird aus Deutschland ein “Discountry”, eine gleichförmige Warenlandschaft am unteren Rand des Preisniveaus, ohne hochwertige Topmarken und ohne echte Auswahlmöglichkeiten. Diese wenig verbraucherfreundliche Aussicht ist für das Bundeskartellamt offensichtlich eine wünschenswerte Perspektive. Als Alfred T. Ritter dort versuchte, seinen Gesprächspartnern den Zusammenhang zwischen Qualität und Preisgestaltung bei der Schokoladenherstellung zu erklären, war deren Kommentar: “Ist doch Ihr Problem, so gute Sachen müssen Sie ja nicht reintun.”
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