Der Mindestlohn ist da – was nun? Anwendungsbereich des MiLoG und Ausnahmen (Serie – Teil 1)

Ein Interview von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

Bundestag und Bundesrat haben den sogenannten flächendeckenden Mindestlohn beschlossen. In dieser Serie von Interviews erklären die Fachanwälte für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Volker Dineiger, was der Gesetzgeber hier in die Welt gesetzt hat, für wen das Gesetz gilt und welche Auswirkungen dieses Gesetz hat. Teil 1 dieses Interviews beschäftigt sich mit dem Gesetz als solchem und seinem Anwendungsbereich.

Fachanwalt Bredereck: Nach langen politischen Diskussionen hat der Gesetzgeber den Mindestlohn beschlossen. Was ist das für ein Gesetz?

Fachanwalt Dineiger: Der Gesetzgeber hat das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie beschlossen. Durch den Bundestag war das Gesetz am 03.07.2014, der Bundesrat hat in der letzten Woche am Freitag zugestimmt; das Gesetz gilt also jetzt ab dem 01.01.2015.

Fachanwalt Bredereck: Ja ist denn das nicht das Mindestlohngesetz?

Fachanwalt Dineiger: Das gesamte Gesetz heißt tatsächlich Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie; hier werden eine Reihe von Gesetzen geändert, zum Beispiel das Tarifvertragsgesetz, das Arbeitnehmerentsendegesetz, das Mindestarbeitsbedingungsgesetz wird aufgehoben. Neben diesen Gesetzesänderungen gibt es aber auch tatsächlich ein neues Gesetz, das ist das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohnes, das MiLoG.

Fachanwalt Bredereck: Dann haben wir endlich den Mindestlohn für alle und jeden, oder?

Fachanwalt Dineiger: Eigentlich schon, aber nicht ganz. Das MiLoG gilt tatsächlich für jeden Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin. Es gilt nur nicht für die Personen, die vom Anwendungsbereich des Gesetzes tatsächlich ausgenommen sind.

Fachanwalt Bredereck: Ahja, und das heißt was?

Fachanwalt Dineiger: Das Gesetz nimmt einige Personengruppen vom Anwendungsbereich her von vornherein aus. Anspruch auf Mindestlohn haben nicht Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz. Der Mindestlohn gilt auch nicht für ehrenamtlich Tätige, auch nicht für Minderjährige unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Ausgenommen sind auch Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten ihrer neuen Beschäftigung und Praktikanten sowie Personen in Anlernverhältnissen nach § 26 Berufsbildungsgesetz.

Fachanwalt Bredereck: Naja, das sind ja doch schon einige Ausnahmen. Gibt es noch weitere?

Fachanwalt Dineiger: Ja, es gibt doch eine Ausnahme für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft und in der Gastronomie. Hier gilt zwar grundsätzlich der Mindestlohn auch schon ab dem 01.01.2015, allerdings hat der Gesetzgeber Erleichterungen eingeführt für die Befreiung von der Sozialversicherungspflicht und für die Anrechnung von Kost und Logis. Das ist also eine halbe Ausnahme. Es gibt noch eine halbe Ausnahme für die Zeitungszusteller. Bei den Zeitungszusteller, die ja häufig auf Minijobbasis arbeiten, wird der Mindestlohn stufenweise eingeführt. Voll gilt er dann erst dem 01.01.2017.

Fachanwalt Bredereck: Heißt Mindestlohn also, ich bekomme dann jetzt 8,50 EUR?

Fachanwalt Dineiger: Der Mindestlohn ist die Lohnuntergrenze. Jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin, für den das Mindestlohngesetz gilt, muss also mindestens 8,50 EUR je Zeitstunde Arbeit verdienen. Das bedeutet natürlich nicht, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr verdienen darf; er darf nur einfach nicht weniger verdienen.

Fachanwalt Bredereck: Was mache ich denn, wenn in meinem Arbeitsvertrag ein Stundenlohn von 7,10 EUR steht?

Fachanwalt Dineiger: Das macht dann nichts. In diesem Fall wird diese eine Regelung des Arbeitsvertrages einfach nicht angewendet. Das Gesetz mit dem angeordneten gesetzlichen Mindestlohn als Lohnuntergrenze geht der Regelung im Arbeitsvertrag vor. Ich muss also nicht darauf bestehen, dass mir ein neuer Arbeitsvertrag vorgelegt wird. Das Gesetz überwindet in diesem Punkt den Arbeitsvertrag.

Fachanwalt Bredereck: Was ist denn mit Minijobbern?

Fachanwalt Dineiger: Selbstverständlich gilt das Gesetz auch für Minijobber. Minijobber und Teilzeitbeschäftigte sind Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Natürlich gilt für sie dann auch der gesetzliche Mindestlohn. Bezugsgrenze ist aber natürlich die Arbeitszeit, die im Arbeitsvertrag vereinbart ist. Ist arbeitsvertraglich eine Wochenarbeitszeit von 10 oder 20 Stunden vereinbart, dann ist diese vereinbarte Arbeitszeit je Zeitstunde eben mit 8,50 EUR zu vergüten.

Fachanwalt Bredereck: Gilt denn der gesetzliche Mindestlohn auch für freie Mitarbeiter oder tätige auf Basis von Werkverträgen?

Fachanwalt Dineiger: Nein, natürlich nicht. Das Gesetz gilt ausdrücklich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Freie Mitarbeiter sind keine Arbeitnehmer. Allerdings gibt es natürlich in vielen Fallkonstellationen wirkliche Abgrenzungsprobleme zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeiter. Nur der freien Mitarbeiter, der wirklich freier Mitarbeiter ist, hat keinen Anspruch auf Mindestlohn. Ist der freie Mitarbeiter aber nur auf dem Papier freier Mitarbeiter, tatsächlich aber Arbeitnehmer, dann gilt das Mindestlohngesetz selbst verständlich auch für ihn.

16.07.2014

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

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