Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin und Essen, zum Beschluss des Landgerichts Berlin, LG Berlin, Beschluss vom 27. Februar 2014 – 67 S 476/13 -, juris
Die Ausgangslage:
Gerade in Großstädten wie Berlin kommt es immer wieder zu folgender Situation: Der Mieter hat in ruhiger Lage angemietet. Durch die Ausbreitung der Stadt oder durch die Intensivierung der Bebauung bedingt, wird in seiner Nachbarschaft ein größeres Bauwerk errichtet. Der Mieter möchte wegen der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Mietgebrauch, insbesondere wegen Lärm und Dreck, die Miete mindern. Im vorliegenden Fall ging es um die Beeinträchtigung durch den Abriss des auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gebäudes.
Bisherige Rechtslage:
Der überwiegende Teil der Gerichte stellt darauf ab, ob die Situation für den Mieter bei Vertragsbeginn vorhersehbar war. Hier wird dann folgendermaßen argumentiert: wenn der Mieter im Stadtbereich anmietet und sich zum Beispiel in der Umgebung eine Baulücke befindet, muss er auch damit rechnen, dass diese irgendwann einmal bebaut wird. Damit kann die Bebauung und die davon ausgehende Beeinträchtigung kein Mangel sein, da sie quasi der ursprünglichen Vertragsvereinbarung schon innewohnt. Wer eine dunkle Erdgeschoßwohnung mietet, kann dann auch nicht wegen der Dunkelheit die Miete mindern. Entsprechende Prozesse waren daher in der Vergangenheit regelmäßig sehr riskant für den Mieter.
Diese Auffassung der Gerichte wurde vielfach kritisiert, auch von mir. Im Ergebnis kann man damit im Innenstadtbereich wegen Baumaßnahmen in der Umgebung gar keine Mietminderung mehr rechtfertigen, da man grundsätzlich in einer Stadt mit allem rechnen muss. Im Ergebnis geht dieser Rechtsprechung aber an der eigentlichen Problematik vorbei. Wenn man eine Wohnung anmietet, muss man auch damit rechnen, dass irgendwann einmal die Fenster undicht werden. Deswegen ist allerdings nicht die Mietminderung ausgeschlossen. Jedem formvollendeten Gegenstand wohnt ein künftiger Mangel quasi inne. Deswegen ist ein solcher Mangel aber noch nicht Vertragsgegenstand.
Vor dem Hintergrund dieser Kritik ist das vorliegende Urteil umso erfreulicher.
Die aktuelle Entscheidung des Landgerichts Berlin:
Das Landgericht hält die Mietminderung aufgrund der durch den Abriss der Nachbarwohnung entstehenden Beeinträchtigung im Mietgebrauch für berechtigt.
Das Landgericht findet sehr deutlich und grundsätzliche Worte: Gewährleistungsansprüche des Mieters wegen von einem Nachbargrundstück ausgehenden Bauimmissionen sind grundsätzlich nicht durch eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung der Mietvertragsparteien ausgeschlossen.
Dies gilt auch für großstädtische Innenstadtlagen: Auf den baulichen Zustand des Nachbargrundstücks zum Zeitpunkt des Mietvertrages kommt es dabei bereits grundsätzlich nicht an, sofern die Immissionen nicht bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses erkennbar auf die Mietsache einwirken. Dies gilt unabhängig von der Lage der Mietsache und damit auch für in großstädtischen Innenstadtlagen befindliche Mieträume.
Das Landgericht findet den aus meiner Sicht einzig richtigen Anknüpfungspunkt, nämlich die Frage, ob zum Zeitpunkt der Anmietung die Immissionen bereits tatsächlich vorhanden waren. Nur dann ist eine Mietminderung ausgeschlossen. Das ist auch richtig, denn wer eine Wohnung an einer lauten Kreuzung mietet, kann nicht wegen Verkehrslärm die Miete mindern. Anders ist dies aber, wenn die Straße plötzlich zur vierspurigen Allee ausgebaut wird. Dann kann man nicht mehr damit argumentieren, dass der, der eine Wohnung an einer Straße mietet, auch damit rechnen muss, dass diese umfassend ausgebaut wird.
(LG Berlin, Beschluss vom 27. Februar 2014 – 67 S 476/13 -, juris)
Fazit:
Eine aus meiner Sicht sehr richtige Entscheidung. Vor einer Verallgemeinerung ist allerdings zu warnen, da viele Gerichte eine andere Auffassung vertreten.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Wenn Ihnen bei Vermietung eines Objekts bereits bekannt ist, dass es in naher Zukunft zu einer Verschlechterung der Situation im Umfeld und damit zu einer möglichen Beeinträchtigung der Mietsache kommen wird, sollten Sie den Mieter darauf im Mietvertrag schriftlich hinweisen und Mietminderungen wegen derartiger Mängel ausschließen. Dies muss sehr konkret auf einen ganz bestimmten, zu erwartenden Mangel hin erfolgen, da eine solche Vereinbarung sonst unwirksam wäre.
Fachanwaltstipp Mieter:
Vorsicht vor einer Verallgemeinerung dieser Rechtsprechung. Meiner Erfahrung nach neigen viele Gerichte dazu, die gegenteilige Auffassung zu vertreten, obwohl diese meiner Ansicht nach gar nicht begründbar ist. Niemals wegen solcher Mängel einfach die Miete kürzen. Besser ist es die Miete unter Vorbehalt weiter zu zahlen und dann die überzahlte Miete zurückzufordern. Andernfalls riskiert man die Wohnung, weil der Vermieter möglicherweise fristlos wegen Zahlungsverzugs kündigt. Wenn später ein Gericht das Minderungsrecht verneint, befindet man sich nämlich mit der Miete in Verzug.
3.9.2014
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