Wegen “BEM” oder “Gefährdungsbeurteilung” erfolgreich vor die Einigungsstelle

Wegen “BEM” oder “Gefährdungsbeurteilung” erfolgreich vor die Einigungsstelle

Wegen "BEM" oder "Gefährdungsbeurteilung" erfolgreich vor die Einigungsstelle

Regine Windirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Fachanwältin für Sozialrecht

1. Der Betriebsrat hat zum Nachweis eines ordentlichen Beschlusses für ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren zur Einsetzung der Einigungsstelle folgende Unterlagen vorzulegen:
– Protokoll der Sitzung, aus der sich ergibt, dass das Scheitern der Verhandlungen und die Anrufung der Einigungsstelle sowie die Bevollmächtigung der Rechtsvertretung zur Einleitung des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 100 ArbGG beschlossen wurde.
– Teilnehmer*innenliste der Sitzung unter Benennung der erforderlichenfalls geladenen Ersatzmitglieder
– Nachweis der Ladung und Tagesordnung
2. Es haben vor der Anrufung der Einigungsstelle ausreichende Verhandlungen stattgefunden, wenn der Arbeitgeberseite ein Entwurf der vom Betriebsrat gewünschten Betriebsvereinbarung vorgelegt wird und ein Gespräch über die Regelungsentwürfe stattfindet, in dessen Bewertung der Betriebsrat feststellt, dass ein vorgelegter Gegenentwurf nicht “ansatzweise” seinen Vorstellungen entspricht.
3. Für eine Einigungsstelle zu den Themen “betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)” und “Durchführung einer psychischen und physischen Gefährdungsbeurteilung” sind 3 Beisitzer pro Seite zu bestellen.

LAG Düsseldorf vom 07.04.2020 – 3 TaBV 1/20
(Leitsätze der Unterzeichnerin)

Der Betriebsrat hatte nach einem Verhandlungstermin mit der Arbeitgeberseite, in dem über die wechselseitigen Betriebsvereinbarungsentwürfe gesprochen worden ist, beschlossen, dass die von der Arbeitgeberseite vorgelegten Entwürfe ” nicht ansatzweise” seinen Vorstellungen entsprächen. Er forderte den Arbeitgeber auf, die Betriebsvereinbarungsentwürfe des Betriebsrates innerhalb einer Frist von 7 Tagen zu unterschreiben, andernfalls sehe er die Verhandlungen als gescheitert an und rufe die Einigungsstelle an. In dem Beschluss wurde bereits festgelegt, dass die Verhandlungen nach erfolglosem Fristablauf gescheitert sind. Die Besetzung der Einigungsstelle wurde ebenso beschlossen, wie die Beauftragung von Rechtsanwält*innen für die ggf. erforderliche gerichtliche Einsetzung der Einigungsstelle.

Das LAG Düsseldorf hatte über den Antrag des Betriebsrates auf Einsetzung der Einigungsstelle zum BEM und zur Erstellung einer umfassenden Gefährdungsbeurteilung zu entscheiden.

Es weist darauf hin, welche Unterlagen der Betriebsrat zum Nachweis der vom Arbeitgeber bestrittenen Beschlussfassung in einem gerichtlichen Verfahren zur Einsetzung der Einigungsstelle einzureichen hat, damit das Gericht von einem ordnungsgemäßen Beschluss ausgehen kann. Liegen diese Unterlagen vor, kann der Arbeitgeber den ordnungsgemäßen Beschluss nicht weiter einfach bestreiten. Er muss schon konkret sagen, warum der Beschluss angeblich fehlerhaft sein soll.

Das LAG Düsseldorf macht weiter deutlich, dass an die Verhandlungen, die erforderlich sind, bevor diese überhaupt scheitern können, keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. So wie der Betriebsrat im entschiedenen Fall vorgegangen ist, reicht es aus, um das Scheitern zu erklären und die Einigungsstelle anrufen und gerichtlich einsetzen zu lassen.

Das LAG Düsseldorf formuliert folgende konkrete Anforderungen:

Immer muss zumindest die Partei, die die gerichtliche Einsetzung haben will, zuvor ernsthaft versucht haben, mit der Gegenseite in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle einzutreten. Dazu gehört insbesondere, eigene Vorstellungen zum Regelungsthema zu formulieren, über die dann überhaupt erst verhandelt werden kann. Eine Ausnahme hiervon ist nur zulässig, wenn die Gegenseite vorher ausdrücklich oder konkludent erklärt, Verhandlungen abzulehnen.

Wird die Aufnahme von Verhandlungen trotz vordergründig artikulierter Verhandlungsbereitschaft von einer Partei dann gleichwohl verzögert, kann die andere Partei direkt die Einigungsstelle anrufen und gerichtlich einsetzen lassen. Hierbei ist der Maßstab der nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung anzulegen.

Sind Verhandlungen begonnen worden, gelangt jedoch eine der Seiten nach ihrer nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung zu der Annahme, dass die Verhandlungen nicht oder nicht in absehbarere Zeit zum Erfolg führen werden, kann sie ebenfalls die Einigungsstelle anrufen und gerichtlich einsetzen lassen.

Schließlich entscheidet das LAG Düsseldorf, dass wegen der Komplexität des Aspektes Gefährdungsbeurteilung eine intensive Auseinandersetzung mit den betrieblichen Gegebenheiten erforderlich, juristischer und Sachverstand zur Ermittlung der Gefährdungsfaktoren erforderlich ist, so dass je Seite drei Beisitzer angemessen seien, während ansonsten regelhaft zwei Beisitzer je Seite für eine Einigungsstelle ausreichten.

Fazit:
Das LAG Düsseldorf hat hier klare Regeln aufgestellt, die es einem Betriebsrat ermöglichen, alle erforderlichen formellen Vorbereitungen für ein Einigungsstellenverfahren zu treffen und gegen Verzögerungen einzuschreiten. Es hat sich in dieser Entscheidung zutreffender Weise gegen die Rechtsprechung des LAG Niedersachsen positioniert, nach der die Einigungsstelle schon abgerufen werden kann, wenn eine Partei die Verhandlungen für aussichtslos hält.
Da gegen die Entscheidung des LAG Düsseldorf wegen der gesetzlichen Regelung des § 100 ArbGG keine Rechtsmittel möglich ist, ist sie zumindest im Bezirk des LAG verbindlich und auch darüber hinaus hilfreich.

Regine Windirsch, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Sozialrecht
Bell & Windirsch, Britschgi & Koll Anwaltsbüro

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