Schankwirtschaften vor dem Aus?

25,6% weniger Kneipen in Deutschland seit 2001

Schankwirtschaften vor dem Aus?

(NL/8138481258) Seit 2001 haben in Deutschland 25,6% der traditionellen Schankwirtschaften geschlossen. Bis auf Berlin und Baden-Württemberg verzeichnen alle Bundesländer einen drastischen Rückgang bei den sogennanten Eckkneipen. In Bayern hat inzwischen jede 3. Gemeinde keine eigene Kneipe mehr.

Die traditionelle Wirtshauskultur stirbt aus. Bis auf Berlin und Baden-Württemberg geht die Zahl der Schankwirtschaften kontinuierlich zurück, wie es die Infografik von Lusini.de , dem Onlinemarktplatz für Gastronomie und Hotellerie, anschaulich darstellt. Die Zahlen belegen einen drastischen Rückgang der sogenannten Eckkneipen. In Bayern musste seit 2001 fast ein Viertel von ihnen schließen, in Niedersachsen waren es über 41% und in Hamburg sogar 48,1%. Lediglich Berlin und Baden Württemberg verzeichnen einen Zuwachs von 95,8% bzw. 15,3%. Insgesamt hat sich die Zahl der umsatzsteuerpflichtigen Schankwirtschaften von 41.495 im Jahr 2006 auf 35.633 im Jahr 2010 reduziert.

Unter Schankwirtschaft versteht man eine getränkeorientierte Bewirtungsstätte, die alkoholfreie und alkoholische Getränke zum Verzehr anbietet – kurz gesagt die Kneipe um die Ecke. Dieses traditionelle Gastronomie-Konzept hat in den letzten Jahren mehr und mehr an Publikum und Sympathisanten verloren und mit viel moderner Konkurrenz und geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Trendige Caffèbar-Konzepte, Bistros und Lounges, sowie die moderne Systemgastronomie mit Selbstbedienung, sprechen mit aufmerksamkeitsstarken Marketingkampagnen, außergewöhnlicher Inneneinrichtung und einem innovativen Getränkeangebot eine breite Masse zum Genießen vor Ort oder „to go“ an.

Darüber hinaus machen der Bevölkerungsrückgang auf dem Land, die zunehmende Mobilität, ein geändertes Freizeitverhalten und eine stark veränderte Arbeitswelt den Wirtshäusern zunehmend zu schaffen. Stammtische und regelmäßige Treffen in der Wirtschaft werden kaum noch zum gemeinsamen Austausch genutzt. Kommunikation findet heute vermehrt in den eigenen vier Wänden und über diverse Social-Media-Kanäle statt. Die starke berufliche Belastung hat dazu geführt, dass die wenige Freizeit lieber für sportliche Aktivitäten, zum Abschalten, für Kurzreisen oder für gemütliches Beisammensein zu Hause genutzt wird. Nicht zuletzt trägt das Ausgabeverhalten der Deutschen zum kontinuierlichen Umsatzrückgang bei. Denn der Stellenwert von Essen und Trinken ist in Deutschland nach wie vor relativ gering. Nur 3% des monatlichen Budgets werden in der Gastronomie ausgegeben. In Österreich sind es beispielsweise 6,5 % und in Italien sogar 7,9 %.

Jede 3. Gemeinde in Bayern ohne Kneipe

Mit der Einführung des gesetzlichen Rauchverbots im Jahr 2008 verzeichneten die bayerischen Schankwirtschaften einen kräftigen Umsatzrückgang von mehr als einem Drittel. Die Kneipe als Ort der Geselligkeit, in der zum Feierabend-Bier oder dem Glas Wein häufig auch die Zigarette gehörte, hat fortan keinen Raum mehr für kompromisslosen Genuss geboten. Als Reaktion darauf wurden öffentliche Veranstaltungen und private Feierlichkeiten vermehrt in privat angemietete Räumlichkeiten oder die eigenen vier Wände verlegt. Viele Kneipen mussten aufgrund des erheblichen Umsatzeinbruchs aufgeben. So hatten im Jahr 2010 von den 2.056 Gemeinden in Bayern 37%, das sind 752 Gemeinden, kein eigenes Wirtshaus mehr. Zahlreiche Verordnungen und Gesetze schränken Gastronomen in ihrer unternehmerischen Freiheit zunehmend ein und auch ungleiche Wettbewerbsbedingungen, wie z. B. die steuerfreie Bewirtung in vielen Vereinsheimen, machen einen rentablen Betrieb, besonders in ländlichen Gegenden ohne Tourismus, schwierig.

Neue Konzepte für den neuen Konsumenten

Abgesehen von den teils schwierigen Bedingungen, haben es viele Schankwirtschaften versäumt, sich rechtzeitig mit frischen Ideen und neuen Konzepten dem geänderten Konsumentenverhalten anzupassen und einen Wirtshausbesuch attraktiv zu halten. Traditionelle Werte müssten in die moderne Gastro-Welt transportiert werden. Um ein Aussterben der Wirtshauskultur zu verhindern, gilt es, wieder ein positives Image mit zeitgemäßer Kommunikation der traditionellen Werte aufzubauen und dem Gast neue Anreize für einen Besuch zu bieten. Das können neben einer gepflegten Getränkekultur auch kulturelle Veranstaltungen, Musikdarbietungen, Bier- oder Weinverkostungen, und vieles mehr sein. Nur wenn die Schankwirtschaften es schaffen, auch die nächste Generation der „Wirtshaus-Besucher“ zu erreichen und wieder zum Mittelpunkt der (Dorf-) Gemeinschaft zu werden, kann diese traditionelle Kultur am Leben erhalten werden.

Quellen:
Verein zur Erhaltung der Bayerischen Wirtshauskultur, März 2013
Dehoga Bundesverband, 4. Quartal 2012
Badische Zeitung, April 2012

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