Bei dem Opel-Werk in Bochum sollen Kündigungen infolge des geplanten Personalabbaus durchgezogen werden. Was Arbeitnehmer wissen müssen. Teil 1 eines Beitrags von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Essen zu der geplanten Standortschließung in Bochum.
Ausgangslage:
Opel will die geplante Schließung des Werks in Bochum und die damit einhergehenden Kündigungen der dort Beschäftigten durchziehen. Laut aktueller Pressemeldungen (unter anderem Focus-online vom 16.5.2014) muss allein für den Personalabbau eine halbe Milliarde Euro aufgebracht werden. Das wären 160.000 EUR pro wegfallendem Arbeitsplatz.
Neben Abfindungszahlungen sind auch Transfergesellschaften und Vorruhestandsregelungen im Gespräch.
Was sollten die Arbeitnehmer von Opel beachten?
Wichtige Fragen, die in den nächsten Monaten auftauchen könnten, werden nachfolgend beantwortet.
Sozialplan mit guten Abfindungsregelungen – Lohnt sich eine Kündigungsschutzklage überhaupt?
In aller Regel ja. Wer eine Kündigung erhält, hat nur drei Wochen Zeit für die Erhebung der Kündigungsschutzklage. Wird die Klage nicht innerhalb dieser Frist erhoben bin, ist die Chance auf eine verbesserte Abfindungsregelung und sonstige vorteilhafte Vereinbarungen vertan. Hinzu kommt, dass in diesem Zeitraum regelmäßig noch gar nicht abgeschätzt werden kann, welche Entwicklung das Unternehmen bzw. der Standort in den nächsten Monaten nehmen wird. Auch aus Vorsichtsgründen ist die Erhebung der Kündigungsschutzklage daher regelmäßig angezeigt.
Wer sich nicht auf einen langen Streit einlassen will, kann im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens in der Regel folgende Vorteile gegenüber einer außergerichtlichen Regelung erzielen:
Abschließende und verbindliche Regelung der Höhe der Abfindung: Sozialpläne enthalten oft relativ komplizierte Berechnungsmodelle für die Höhe der Abfindung. Auch die Bestimmung der Höhe des der Abfindungsberechnung zugrunde zulegenden Arbeitsentgeltes macht gelegentlich Schwierigkeiten. Im Rahmen eines Vergleichs in einem Kündigungsprozess können Zweifelsfragen in der Regel unproblematisch zu Gunsten des Arbeitnehmers geregelt werden.
Erhöhung der Abfindungszahlung: Eine gewisse Aufstockung lässt sich meistens auch kurzfristig erzielen. Wer deutlich mehr haben will, braucht einen langen Atem. Mit Rechtschutzversicherung ist das gar kein Problem. Wer nicht über eine Rechtschutzversicherung verfügt, muss vor Erhebung der Klage eine Kosten-Nutzen-Rechnung durchführen. Hierfür ist eine Einzelfallbetrachtung zwingend notwendig.
Regelungen der Urlaubsansprüche und der Ansprüche wegen Überstunden: Insbesondere die Ansprüche wegen etwaiger Überstunden können in die Abfindungszahlung mit einbezogen werden. Vorteil für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: Es werden Sozialabgaben gespart, da die Abfindungszahlungen hiervon befreit sind. Der Arbeitgeber zahlt weniger, der Arbeitnehmer bekommt mehr heraus.
Turboklauseln: Für Arbeitnehmer, die während des Laufs der Kündigungsfrist einen neuen Job finden, können Regelungen vereinbart werden, die es ermöglichen bei vorzeitiger Beendigung durch den Arbeitnehmer das verbleibende Bruttoarbeitsentgelt als zusätzliche Abfindung zu zahlen.
Regelung des Zeugnisinhalts: Im Vergleich kann in der Anlage umgehend der Text für das Zwischen- und des Beendigungszeugnis vereinbart werden. Spätere Streitigkeiten sind dann unwahrscheinlich. Großer Vorteil: Zeugnisstreitigkeiten auf Arbeitnehmerseite sind in der Regel nicht erfolgreich, da nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht die Beweislast für eine bessere Leistung als befriedigend beim Arbeitnehmer liegt. Ein solcher Beweis kann regelmäßig nicht geführt werden.
Transfergesellschaft: Die Bedingungen für den Wechsel in eine Transfergesellschaft können rechtsverbindlich geklärt werden. Dieses besonders wichtig in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Kündigung die Einrichtung und Arbeitsweise der Transfergesellschaft noch nicht vollständig geklärt ist. Auch ein nachträglicher Wechsel ist im Wege der Einigung dann oft noch möglich. Umgekehrt, kann man auf den Wechsel verzichten, wenn sich später abzeichnet, dass sich die Transfergesellschaft unvorteilhaft entwickelt. Auf die möglichen Vor- und Nachteile und die Besonderheiten der Transfergesellschaft komme ich in einem folgenden Artikel zurück.
Schaffung eines Titels: Die Abfindung ist regelmäßig erst bei Ablauf der Kündigungsfrist fällig. Wenn dann nicht oder nicht vollständig gezahlt wird, muss zunächst Klage erhoben werden. Wer die Abfindungszahlung bereits in einem gerichtlichen Vergleich geregelt hat, kann sofort vollstrecken.
Informationsverschaffung: Im Laufe eines Klageverfahrens gelingt es regelmäßig, wichtige Informationen zu erlangen. Diese können insbesondere auch für die Verbesserung der Vergleichssituation wichtig sein. Wer die Klagefrist versäumt hat, ist in aller Regel draußen. Selbst wenn er noch neue Informationen bekommt, er kann diese nicht mehr gewinnbringend für sich verwenden.
Zeitgewinn: Zeit ist Geld, das gilt besonders im Kündigungsschutzverfahren. Wer hier die Nerven für ein Pokerspiel hat, bekommt in der Regel mehr. Auch die eigene Situation klärt sich im Laufe eines Kündigungsprozesses weiter, so dass man hierauf bei der Vereinbarung des Inhalts des Vergleiches besser eingehen kann. Beispiel: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man bereits einen neuen Job hat oder nicht. Der Wechsel einer Transfergesellschaft ist zum Beispiel unsinnig, wenn man ohnehin sicher ist, woanders einen Job zu bekommen bzw. diesen bereits hat. Die Kosten für die Transfergesellschaft kann man in solchen Fällen besser als zusätzliche Abfindung vereinbaren.
Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile (Sperrzeit, Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld): Die Arbeitsagenturen sind angewiesen, im Falle von gerichtlich protokollierten Vergleichen, keine Sperrzeit zu verhängen. Wird darüber hinaus auch die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten, ist auch ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht zu befürchten.
Fazit:
Auch bei Bestehen eines Sozialplanes mit großzügigen Abfindungsregelungen ist in der Regel die Erhebung einer Kündigungsschutzklage sinnvoll. Wenn noch dazu eine Rechtsschutzversicherung besteht, würde ich persönlich immer dazu raten. Ich habe bisher in der Praxis kaum Fälle erlebt, wo jemand im Nachhinein mit dem Modell Kündigungsschutzklage besser gefahren ist, als mit der außergerichtlichen Einigung.
Folgeartikel: Besonderheiten der Transfergesellschaft, demnächst an dieser Stelle.
19.5.2014
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Essen.
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