Ein Artikel von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen, zum Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 08. Mai 2015 – 28 Ca 18485/14 -.
Ausgangslage:
Nach § 9 Mutterschutzgesetz ist eine Kündigung während der Schwangerschaft und im anschließenden Mutterschutz bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung nur in Ausnahmefällen mit zuvor eingeholter behördlicher Zustimmung zulässig. Das Schutzniveau ist hier sehr hoch, entsprechende Ausnahmegenehmigungen erteilt die Behörde nur in extremen Fällen und auch nur bei Gründen, die nicht mit der Schwangerschaft selbst zusammenhängen. Die Kündigung ist ohne eine solche Genehmigung immer unwirksam. Oftmals ist für die betroffene Arbeitnehmerin darüber hinaus aber auch interessant, ob aufgrund der Kündigung auch eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangt werden kann. Bei der Kündigung kann es sich dann nämlich um eine Diskriminierung in Form einer Benachteiligung wegen des Geschlechts handeln, da nur Frauen schwanger werden.
Der Fall:
Im vorliegenden Fall hatte ein Rechtsanwalt einer Rechtsanwaltsfachangestellten während der Probezeit eine Kündigung ausgesprochen. Diese Kündigung war unwirksam, weil die Arbeitnehmerin zu diesem Zeitpunkt schon schwanger war. Eine entsprechende Feststellung erfolgte dann auch im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Für die Rechtsanwaltsfachangestellte war dann ein auf einen Zeitpunkt bis sechs Wochen vor der Entbindung datiertes Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden. Nachdem diese Zeit abgelaufen war kündigte der Arbeitgeber (eine Woche vor Weihnachten!) fristlos mit der Begründung, er sei nicht über den weiteren Verlauf nach Ablauf des Beschäftigungsverbotes informiert worden. Die Arbeitnehmerin begehrt mit ihrer Klage eine Geldentschädigung in Höhe von 1500 EUR.
Entscheidung:
Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage stattgegeben:
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis einer schwangeren Frau zum wiederholten Male ohne Beteiligung der Schutzbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG), so kann die darin liegende Missachtung der besonderen Schutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes zugunsten der werdenden Mutter deren Benachteiligung wegen Schwangerschaft und damit wegen ihres Geschlechts (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AGG i.V.m. § 1 AGG) indizieren.
Der Arbeitgeber hatte sich vorliegend noch damit verteidigt, er habe nach Ablauf eines individuellen Beschäftigungsverbots (§ 3 Abs. 1 MuSchG) für den anschließenden Lauf der Mutterschutzfrist (§ 3 Abs. 1 MuSchG) wegen fehlender Benachrichtigung durch die Schwangere irrtümlich angenommen, die Schwangerschaft (und damit der Sonderkündigungsschutz) sei beendet gewesen. Diese Argumentation half dem Arbeitgeber nicht. Das Arbeitsgericht sah die Indizwirkung dadurch nicht aufgehoben. Das Arbeitsgericht hielt die Einlassung für unplausibel. Tatsächlich hatte der Arbeitgeber wohl keine weiteren Fakten vorgetragen, die eine solche Annahme stützen würden. Allein der Umstand, dass sich die Schwangere nach Ablauf des Beschäftigungsverbotes nicht gemeldet hatte, reichte dem Arbeitsgericht nicht.
Quelle:
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 08. Mai 2015 – 28 Ca 18485/14 -, juris
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wer eine Kündigung erhält, sollte neben dem allgemeinen und dem besonderen Kündigungsschutz immer auch das Diskriminierungsrecht im Blick haben. Eine Kündigung, die zum Beispiel im Kleinbetrieb ohne besondere Gründe möglich ist, kann wegen einer Diskriminierung unwirksam sein. Darüber hinaus können sich wie im obigen Fall Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche ergeben.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Manchmal sind Arbeitgeber versucht, Kündigungen nach dem Gießkannenprinzip auszusprechen. Irgendeine Kündigung wird dann schon wirksam sein bzw. vielleicht vergisst der Arbeitnehmer ja eine Kündigung innerhalb der Dreiwochenfrist des Kündigungsschutzgesetzes anzugreifen. Das kann jedenfalls in Fällen, in denen eine Diskriminierung in Betracht kommt, gefährlich oder besser gesagt teuer werden. Auch wenn die Entschädigungen in Deutschland der Höhe nach lächerlich sind, die Gerichte werden das Diskriminierungsrecht nach anfänglichem Zögern zunehmend offensiver anwenden.
30.6.2015
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