– Handlungsmöglichkeiten für Anleger –
Mit Urteil vom 09.11.2012 hat das Landgericht Hamburg den Widerruf eines Anlegers der Albis Capital AG & Co. KG nach dem Haustürwiderrufsrecht für wirksam erachtet. Das Besondere an der Entscheidung ist die Begründung: Der Anleger kann auch Jahre nach der Vertragserklärung noch seinen Beitritt widerrufen, weil die Widerrufsbelehrung der Albis KG fehlerhaft ist. Fehlerhaft ist sie deswegen, weil sie nicht auf den Rechtsfolgen der sogenannten “fehlerhaften Gesellschaft” hinweist. Zuvor hatte bereits das Landgericht Halle (Urteil vom 16.03.2012) ebenfalls die Belehrung der Albis KG für fehlerhaft angesehen, allerdings mit einer anderen Begründung.
Das Urteil des Landgerichts Hamburg hat weitreichende Folgen für sämtliche hier bekannten Publikumspersonengesellschaften des grauen Kapitalmarktes. Denn keine einzelne dieser Gesellschaften hat die Widerrufsbelehrung in einer Form benutzt, wie sie vom Landgericht Hamburg als gesetzeskonform anzusehen ist. “Demgemäß können sämtliche Beitritte zu Publikumspersonengesellschaften des grauen Kapitalmarktes, sofern die Voraussetzungen einer Haustürsituation vorliegen, widerrufen werden”, erläutert der Berliner Rechtsanwalt Christian H. Röhlke, der für einen Mandanten das Urteil erstritt.
Hintergrund ist die seit dem Jahre 2001 vom Gesetz geforderte Belehrung auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs. Üblicherweise bestehen diese Rechtsfolgen in einem Widerruf des Vertrages und einem Rücktausch der jeweils vom anderen empfangenen Leistungen. Wenn dem Kunden beispielsweise der an der Haustür erworbene Staubsauger nicht mehr gefällt, kann er ihn innerhalb von 14 Tagen einfach zurückgeben und bekommt den Kaufpreis erstattet. Nicht so jedoch beim Beitritt zu einer Publikumspersonengesellschaft: Hier werden die verbraucherschützenden Vorschriften durch gesellschaftsrechtliche Grundsätze überlagert. Kurz gesagt, bekommt der Anleger nicht mehr das zurück, was er für seinen Gesellschaftsanteil bezahlt hat, sondern nur das was sein Gesellschaftsanteil nach einer sogenannten Auseinandersetzungsberechnung noch wert ist. Liegt der Wert unter dem, was der Anleger bisher bezahlt hat, insbesondere bei Ratensparverträgen, besteht sogar eine Nachzahlungspflicht.
“Diese Grundsätze werden von der Rechtsprechung bereits seit Dutzenden von Jahren auf Publikumspersonengesellschaften angewendet. Deswegen war es umso erstaunlicher, dass der Gesetzgeber diese Grundsätze bei der Erstellung der Muster-Belehrung, auf die sich die Verwender solcher Widerrufsbelehrungen häufig berufen, schlichtweg nicht geregelt hat”, meint Röhlke. Im Ergebnis konnte der Anleger der Albis KG jedenfalls seinen Beitritt widerrufen und kann nunmehr zunächst verlangen, dass die Albis KG eine Auseinandersetzungsbilanz auf den Tag des Widerrufes berechnet.
Kurz zuvor hatte das Landgericht Halle in einem weiteren Verfahren gegen die Albis KG ebenfalls entschieden, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Allerdings ergab sich dort die Fehlerhaftigkeit aus der Verwendung des Wortes “frühestens” bei der Bestimmung des Beginns der 14tägigen Widerrufsfrist. Dieses Wörtchen ist zwar in der amtlichen Musterbegründung des Gesetzgebers ebenfalls enthalten gewesen, war aber Gegenstand vieler gerichtlicher Auseinandersetzungen. Schließlich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die vom Gesetzgeber erstellte Musterbelehrung nicht mit dem Gesetzestext zu vereinbaren ist und somit der Gesetzgeber hier eine fehlerhafte Verordnung in die Welt gesetzt hat. Das Ergebnis ist kurios, wird aber inzwischen flächendeckend in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung angewendet.
“Anleger sollten die Auswirkungen dieses Widerrufes nicht unterschätzen”, meint Röhlke. Zwar hat die Albis KG Ende Oktober 2012 mitgeteilt, dass ein beabsichtigter Liquidationsbeschluss aufgrund einer knappen Verfehlung der Mehrheiten (weniger als 75 %) nicht im ersten Anlauf gefasst werden konnte, aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass im zweiten Anlauf ein entsprechender Beschluss gefasst wird. Die Albis KG geht in einem solchen Falle davon aus, dass ein Großteil der Anleger die insbesondere im Rahmen der “Classic Plus” – Verträge genommenen Entnahmen aus den Beteiligungsverträgen wieder zurückzahlen müssen und auf diese Weise die Maßnahmen der Liquidation finanziert werden können. “Ob am Ende der Liquidation für die Anleger überhaupt etwas auszuzahlen bleibt, ist vollkommen offen und wird von der Albis KG als nicht sehr wahrscheinlich dargestellt. Das Besondere bei dem erklärten Widerruf dagegen ist, dass der Widerruf zu einem Anspruch auf Auseinandersetzung Tag genau auf den Widerrufstag führt”, meint Röhlke. Das bedeutet, dass der Stichtag nicht mit dem Schlusstag der Liquidation zusammenfällt und möglicherweise noch vorhandene Werte aus einem positiven Kapitalkonto ausgezahlt werden müssten.
Röhlke rät Anlegern daher, dringend einen Rechtsanwalt aufzusuchen.
V.i.S.d.P.:
Christian-H. Röhlke
Rechtsanwalt
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