Zum internationalen Tag des Blindenführhundes (29.01.)

Zum internationalen Tag des Blindenführhundes (29.01.)

Anlässlich des Internationalen Tages des Blindenführhundes (29.01.) weist Gerda Mittag, Vorsitzende des Arbeitskreises der Führhundhaltenden im Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e.V., in einem Interview auf die besonderen Rechte von Blindenführhunden hin.

 

 

Frau Mittag, internationaler Tag des Blindenführhundes? Wieso, weshalb?

Am 29. Januar 1929 wurde mit “The Seeing Eye” in New Jersey die erste Schule für Blindenführhunde in Amerika gegründet. Heute wird dieser Tag international als Tag des Blindenführhundes gefeiert. Eigentlich ist das Datum falsch, denn bereits im August 1916 wurde die weltweit erste Schule für Blindenhunde in Oldenburg (Niedersachsen) eröffnet.

 

Blindes Vertrauen in einen Hund – ihm sein Leben anvertrauen?

Blindenführhunde sind heute akzeptierte Hilfsmittel, die dazu beitragen, dass sich die Mobilitätseinschränkungen blinder Menschen verringern. Ärzte können diese als einziges lebendes Hilfsmittel per Rezept verordnen. Sie bieten ein hohes Maß an Selbständigkeit, geben ihren Menschen Sicherheit im öffentlichen Raum und erleichtern soziale Kontakte. Somit ermöglichen Blindenführhunde nicht nur ein selbstbestimmtes Leben, sondern machen es auch deutlich lebenswerter. Blindenführhunde sind äußerst sozialkompetent und hochintelligent – sie können zwischen rechts und links unterscheiden, finden auf Kommando Ampeln, Eingänge, Zebrastreifen oder Briefkästen und fungieren als lebendiges, fühlendes und verantwortungsvolles Navigationssystem. Bei Ausbildungsende kennen Sie rund 60 Kommandos und lernen kontinuierlich hinzu.

Der Weg vom Welpen zum verlässlichen Blindenführhund ist jedoch lang und bedarf professioneller Begleitung und ist mit gesetzlichen, strukturellen und oft auch persönlichen Hürden gepflastert.

 

 

Ein Hund als Hilfsmittel?

Gemäß Sozialgesetzbuch V §33 gelten Blindenführhunde gesetzlich als “Hilfsmittel”, weshalb diese, ähnlich wie andere Hilfsmittel, von den Krankenkassen finanziert werden. Durch Ihren Status als Hilfsmittel haben Blindenführhunde andere Rechte als normale Haus- und Hofhunde. Dies wird allerdings oft verkannt. Mit der Folge, dass den Hunden an vielen Orten der Zutritt verboten wird. In den meisten Fällen geschieht dies jedoch zu Unrecht.

 

Entstehen da Konflikte?

Diese Konflikte gilt es zu lösen. Einem Rollstuhlfahrer würde man auch nicht vor der Tür sagen „Der Rolli bleibt draußen“. Einem blinden Menschen mit seinem Blindenführhund passiert das allerdings immer noch sehr häufig.

 

Gibt es Beispiele aus dem täglichen Leben?

Öffentlicher Personenverkehr

Im Taxi haben blinde Menschen grundsätzlich einen Anspruch darauf, von diesem Verkehrsmittel befördert zu werden und zwar einschließlich des Blindenführhundes. Entgegenstehende Bestimmungen sind grundsätzlich unwirksam. Taxiunternehmen können lediglich Regelungen dahingehend treffen, dass sie Blindenführhunde nur in speziellen Fahrzeugen mitnehmen, müssen dem Fahrgast dann aber auch die Beförderung in einem solchen Taxi anbieten. Es ist daher sinnvoll, bei der Bestellung von einem Taxi auf die beabsichtigte Mitnahme eines Blindenführhundes hinzuweisen. Leider ist dieses Problem eines der größten für Blindenführhundhalter. Oft genug werden blinde Menschen mit einem Blindenführhund einfach stehen gelassen, weil niemand sie transportieren möchte.

Zutritt zu Arztpraxen

Sozialleistungen – und hierzu gehört auch der Arztbesuch – sind grundsätzlich barrierefrei zu erbringen. Dies schließt die Nutzung des Blindenführhundes in Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ein. Da es kein gesetzliches Verbot in Bezug auf die Mitnahme eines Blindenführhundes gibt und laut eines Gutachtens der Freien Universität Berlin auch keine medizinisch-hygienischen Bedenken dagegen sprechen, sollte einem blinden Menschen mit seinem Blindenführhund nicht der Zutritt verweigert werden. Ausnahmen sind natürlich angezeigt, wenn hygienisch sensible Bereiche wie Operationssäle oder Intensivstationen in Anspruch genommen werden müssen.

Lebensmittelgeschäfte und Restaurants

Weder das europäische noch das nationale Lebensmittelhygienerecht enthält spezifische Vorschriften, in denen das Zutrittsrecht von Blindenführhunden zu Lebensmittelgeschäften oder gastronomischen Betrieben geregelt ist. Damit ist die Mitnahme eines Blindenführhundes gesetzlich weder ausdrücklich erlaubt noch verboten. Der Zutritt darf einem blinden Menschen mit seinem Blindenführhund nur rechtmäßig verweigert werden, wenn der Gastronom oder der Inhaber eines Lebensmittelgeschäfts Rechtfertigungsgründe darlegen kann. Diese können – wenn überhaupt – nur auf hygienischen Erwägungen beruhen.

Wenn aber schon für den Bereich der Arztpraxen und Krankenhäuser keine Bedenken gegen die Mitnahme von Führhunden bestehen, dann muss das erst recht für die Gastronomie und die Lebensmittelbranche gelten. Selbst viele Landesverbände der DEHOGA weisen ihre Mitglieder auf diese Besonderheit hin. Leider herrscht hier wie bei den Taxifahrern häufig Unwissenheit, welche teilweise eine Klärung auf dem Rechtsweg notwendig macht.

Zutritt zu Einrichtungen des öffentlichen Lebens

Auch in öffentlichen Gebäuden (Rathäuser, Behörden etc.) oder Einrichtungen der öffentlichen Hand (Freibad der Gemeinde, Landestheater etc.) müssen Blindenführhunde nicht vor verschlossener Tür stehen bleiben. Hier gelten

öffentlich-rechtliche Vorschriften. Der barrierefreie Zugang zu öffentlichen Einrichtungen – und hierzu gehört auch die Mitnahme eines Blindenführhundes resultiert verfassungsrechtlich aus dem Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes.

 

Auch gelten die Einschränkungen im Freilauf für Blindenführhunde nicht. Sie dürfen ganzjährig und fast überall ihrem Bewegungsdrang ausleben.

 

Hier einige Gesetze zu diesem Thema:

Grundgesetz (GG) Art. 3

UN-Behindertenkonvention (UN-BRK) Artikel 9

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). §4

 

 

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