Ein anderer Blick auf die Führungskraft-Mitarbeiter-Beziehung
Als im März 2014 der neue Engagement-Index des Gallup-Instituts veröffentlicht wurde, konnte man die unterschiedlichsten Reaktionen beobachten: die Pessimisten waren entsetzt über die 17 % der deutschen Arbeitnehmer, die sich nicht emotional an ihren Arbeitgeber gebunden fühlten und innerlich bereits gekündigt hatten, und sahen sich aufs Neue bestätigt, dass es nicht gut bestellt sei um die Führungskultur in deutschen Unternehmen. Die Abgeklärten wussten zu berichten, dass man eigentlich schon eine positive Tendenz erkennen könne; die Zahl sei schließlich mal höher gewesen. Die Ignoranten meinten schulterzuckend, dass es immer schon und in jedem Unternehmen Probleme zwischen Mitarbeitern und Führungskräften gegeben habe. Das sei alles völlig normal.
Bei genauerem Nachfragen waren sich aber alle in einem Punkt einig: Die Schuld liege bei den Führungskräften, wenn nicht sogar bei der Unternehmensleitung. Die seien es jedenfalls, die den Mitarbeitern nicht genug Anerkennung entgegenbrächten, Druck ausübten, keine Verantwortung abgäben, keinen Widerspruch duldeten, Entscheidungen nicht begründeten usw.
Die Argumente sind nachvollziehbar und schon lange bekannt. Anscheinend mangelt es in Deutschlands Führungsetagen, trotz eines Überangebots an Managementseminaren zur Mitarbeiterführung, an der notwendigen Kompetenz. Dies ist oft das Resultat einer Fehlbesetzung der Führungskraft selbst, die vielleicht nur aus politischen Gründen die Position innehat, oder aus Sympathie, oder weil sie fachlich herausragend ist. Unternehmer und Führungskräfte müssen hier besser werden – nicht zuletzt, weil sie vielleicht selbst erkannt haben, dass sie mit einer schlechten Führungskultur ihrem Unternehmen wirtschaftlichen Schaden zufügen.
Bei einem zweiten Blick auf die Gallup-Studie fällt allerdings noch eine Zahl auf: 16 % der Beschäftigten weisen eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber auf und sind bereit, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen. Es gibt also auch viele Fälle, bei denen die Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern funktionieren. Im Gegensatz zu den nicht funktionierenden Beziehungen könnte man meinen, dass hier die Führungskräfte viel loben und Leistungen anerkennen, den Mitarbeitern genug Raum für das Erbringen der Leistung bereitstellen, Verantwortung abgeben, Einsprüche der Mitarbeiter ernst nehmen, Entscheidungen transparent machen usw. Hier ließen sich also die großen Vorbilder der Führungskultur vermuten.
Aber vielleicht lohnt sich hier eine genauere Betrachtung dieser guten Führungskräfte-Mitarbeiter-Beziehungen. Eine Grundvoraussetzung ist sicherlich, dass beide sich gut verstehen, d.h. jeder kennt die Erwartungen des anderen und ist in der Lage, diesen Erwartungen auch zu entsprechen. Das lässt sich selten über einen Kamm scheren. So kann z.B. ein autoritärer Führungsstil sehr wohl zum Erfolg führen, wenn er auf einen Mitarbeiter angewendet wird, der Orientierung braucht und sie dabei findet. Auch gibt es Menschen, denen man mit zu viel Lob und Anerkennung zu nahe tritt und die hervorragend damit zurechtkommen, wenn ihre Führungskraft damit sparsam umgeht.
Natürlich soll den Führungskräften hier kein Freibrief erteilt werden – die grundlegenden Fähigkeiten im Umgang mit anderen Menschen müssen sie schon beherrschen. Aber – um das alte Bild mit den Töpfen und den Deckeln zu bemühen – es gibt passendere und unpassendere Kombinationen, die idealerweise noch vor der Einstellung eines Mitarbeiters erkannt werden sollten.
Was also einen zufriedenen Mitarbeiter bzw. den für eine Stelle am besten geeigneten Bewerber ausmacht, ist: je höher die Übereinstimmung zwischen den Erwartungen der Führungskraft und denen des Mitarbeiters bzw. Bewerbers, desto zufriedener und engagierter bzw. besser geeignet ist er für die jeweilige Position.
Das ist nicht immer einfach und erfordert oft auch großes Fingerspitzengefühl. Es gibt Positionen, für die Führungskräfte keine große Auswahl an Kandidaten haben. Die Auflagen, die K.O.-Kriterien, die fachlichen Anforderungen oder die Besonderheiten im Betriebsklima machen es schwierig, einen Kandidaten zu finden, bei dem es eine hohe Übereinstimmung der gegenseitigen Erwartungen gibt.
Im folgenden Beispiel sollte ein Bereichsleiter eines mittelständischen deutschen Unternehmens eine Stellvertretung für sich suchen. Die Auflage war, dass diese aus den eigenen Reihen kommen und eine vielversprechende Nachwuchsführungskraft sein müsse. Ein abgeschlossenes Ingenieurstudium und mindestens acht Jahre Betriebszugehörigkeit waren Voraussetzung. Darüber hinaus sollte er oder sie möglichst schnell viele wichtige operative Tätigkeiten der Führungskraft übernehmen. Es gab nicht viele Kandidaten, die sich auf die firmeninterne Ausschreibung meldeten. Von insgesamt acht Kandidaten wurde für die drei bestgeeigneten ein Profil erstellt. Bei allen gab es den einen oder anderen Punkt, der nicht gut mit den Werten des von der Führungskraft definierten Stellenprofils übereinstimmte, weshalb letztlich der beste der drei Kandidaten ermittelt und durch ein Coaching auf die Aufgabe vorbereitet werden musste.
Beim Vergleich der Werte wurde besonders darauf geachtet, dass, wenn die Werte schon nicht gut übereinstimmten, sie sich doch aber ergänzen sollten, so zum Beispiel bei den Eigenschaften “Umsetzungskompetenz” und “methodische Kompetenz”. Der Wert für die Umsetzungskompetenz im Stellenprofil lag nur im mittleren Bereich, daher wäre es günstig, wenn der Kandidat aufgrund der ihn erwartenden operativen Aufgaben hier eine Überqualifikation zeigte.
Der Wert für die methodische Kompetenz im Stellenprofil lag hoch, ebenso wie der entsprechende Wert im Profil eines der Kandidaten. Diese Symmetrie sprach für ein Einvernehmen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in Fragen der Strategie und Planung, vorausgesetzt beide würden eine genaue Festlegung von Zuständigkeitsbereichen miteinander vereinbaren.
Für den autoritären Führungsstil lag der Wert im Stellenprofil jedoch übertrieben hoch, was sicher daher rührte, dass die Führungskraft zuvor Offizier in der Armee war. Dieser Stil hatte schon zu großem Unmut in der Abteilung geführt. Dementsprechend lag der Wert für die soziale Kompetenz im Defizit. Hier müsste sein Stellvertreter mäßigend einwirken, also einen hohen Wert in sozialer Kompetenz aufweisen. Das barg Konfliktpotenzial, denn es war damit zu rechnen, dass die Führungskraft mit Verdruss auf die weichere, kollegiale Art seines zukünftigen Stellvertreters reagieren würde. Und obwohl diese Möglichkeit mit der Führungskraft im Vorfeld besprochen und für annehmbar befunden wurde, trat dieser Konflikt ein halbes Jahr später auf, so dass die Beziehung eine Belastungsprobe erfuhr. Beide mussten im Rahmen eines Coachings nochmal an die Erwartungen des anderen erinnert werden. Der Mitarbeiter ist mittlerweile der ganze Stolz seines Vorgesetzten. Als Gespann machen beide einen sehr guten Job.
Dieses Beispiel zeigt, dass wir einen Kandidaten oder Stelleninhaber nicht in einem sozialen Vakuum betrachten sollten, sondern vor allem die Interaktion mit dem bestehenden Stellenumfeld berücksichtigen müssen, also wie gut ein potenzieller Mitarbeiter mit dem bereits existierenden Betriebsklima oder Führungsverhalten zurechtkommt.
Und dieses Beispiel zeigt auch, dass trotz einiger Defizite auf beiden Seiten eine sehr zufriedenstellende und wirtschaftlich erfolgreiche Zusammenarbeit möglich ist, die eben auch einen engagierten und emotional gebundenen Mitarbeiter zulässt.
Wenn nun 16 % der Beschäftigten eine hohe emotionale Bindung an den Arbeitgeber aufweisen und bereit sind, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen, ist immer auch ein gegenseitiges Einvernehmen über die Erwartungen an den jeweils anderen dabei. Das heißt also: Bei 16 % der Beschäftigten in Deutschland stimmt die Chemie zwischen ihnen und ihrer Führungskraft.
Wie findet man aber nun einen Kandidaten, der gut zur eigenen Führungskraft passt? Die Antwort darauf können Eignungsdiagnostik-Instrumente liefern.Jedoch bieten nur wenige Lösungen, wie beispielsweise PERSOscreen, die Sicht auf die Führungskraft bzw. die Stelle und auf den Kandidaten. Darauf aber kommt es an! Erst wenn die Anforderungen und die Überzeugungen der einen Seite mit den Überzeugungen und Bedürfnissen der anderen Seite zueinander in Bezug gesetzt werden, führt dies zu einem aussagekräftigen Ergebnis, das über das bloße Bauchgefühl hinaus geht und im Falle einer guten Übereinstimmung zum Erfolg führt.
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