Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Elke Scheibeler berichtet über ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das die Wirksamkeit von arbeitsvertraglichen Verweisungen auf Tarifverträge ändert.
In vielen Arbeitsverträgen von tarifgebundenen Arbeitgebern befinden sich so genannte dynamische Bezugnahmeklauseln, die auf die jeweils geltenden Bestimmungen eines bestimmten einschlägigen Tarifvertrags verweisen. Diese dienen regelmäßig dazu, dass Arbeitnehmer, die nicht in der Gewerkschaft sind, genauso behandelt werden wie Gewerkschaftsmitglieder und z.B. an zukünftigen Gehaltserhöhungen teilhaben.
Wenn der Betrieb und mit ihm die Arbeitsverhältnisse im Rahmen eines sog. Betriebsübergangs gemäß § 613 a BGB auf einen Arbeitgeber übergehen, der nicht im Arbeitgeberverband ist, stellt sich die Frage, ob dieser neue Arbeitgeber aufgrund der dynamischen Bezugnahmeklausel die betreffenden Arbeitnehmer nach den jeweils aktuell gültigen einbezogenen Tarifverträgen bezahlen muss. Dies würde dazu führen, dass er zukünftige Änderungen der Tarifverträge berücksichtigen muss. Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Frage in seiner Entscheidung vom 23.09.2009, AZ 4 AZR 331/08 bejaht in den Fällen, in denen die Arbeitsverträge nach dem 01.01.2002 geschlossen worden sind. Seit diesem Datum werden auch Arbeitsverträge einer Kontrolle anhand der Vorschriften über die allgemeinen Geschäftsbedingungen unterzogen.
Eine andere Antwort hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt in der Entscheidung Herron (C-426/11) vom 18.07.2013 gegeben. Hierbei ging es um einen britischen Fall, bei dem einer der Bezirksräte Londons seine Freizeitabteilung auf ein privates Unternehmen übertragen hatte. In den Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer wurde auf die Tarifverträge für den kommunalen Dienst verwiesen. Diese Entscheidung hat mittelbar auch für das deutsche Recht Bedeutung, da § 613 a des deutschen BGB auf der EG-Richtlinie 77/187 beruht, und um diese und die entsprechende britische Vorschrift ging es in dem aktuellen Fall des EuGH. Der Europäische Gerichtshof führte aus, dass es dem privaten Erwerber der Freizeitabteilung verwehrt sei, an den Verhandlungen über die Tarifverträge für den kommunalen Dienst teil zu nehmen und diese zu beeinflussen. Zudem müsste der Übernehmer in der Lage sein, aufgrund des Übergangs der Abteilung vom öffentlichen in den privaten Sektor Anpassungen vorzunehmen. Wenn ihm dies aufgrund der Betriebsübergangsrichtlinie bzw. den sie umsetzenden britischen Bestimmungen verwehrt sei, werde in seine unternehmerische Freiheit eingegriffen.
Abzuwarten ist, wie das Bundesarbeitsgericht mit diesem Vorabentscheid, der die bisherige deutsche Rechtsprechung auf den Kopf stellt, umgehen wird. Muss jetzt danach differenziert werden, ob es dem Erwerber generell möglich wäre, dem Arbeitgeberverband des in Bezug genommenen Tarifvertrags beizutreten und auf die Tarifverhandlungen einzuwirken? In diesem Fall könnte die dynamische Verweisung im Fall eines Branchenwechsels statisch werden, bei einem Übernehmer aus der gleichen Branche dynamisch bleiben. Wünschenswert ist eine baldige Klärung dieser Fragen, ggf. durch eine weitere Vorlagefrage an den EuGH. An dieser Stelle gilt wie auch sonst im Arbeitsrecht: Es bleibt spannend, und die Rechtsprechung muss genau beobachtet werden.
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Ich bin Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht und seit 2003 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Nachdem ich einige Jahre als angestellte Anwältin gearbeitet habe, gründete ich 2009 meine eigene Kanzlei. Ich befasse mich mit dem Zivil- und Wirtschaftsrecht insbesondere dem Arbeits-, Miet- und Insolvenzrecht und vertrete hierbei sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen.
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