Schaufenster ein zeitloses Marketinginstrument? Gespräch mit einem Kultursoziologen.
Die modernen Innenstädte unterscheiden sich von ihren Vorläufern vor allem durch eine optische Besonderheit: Schaufenster. Wir sind sie so gewohnt, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, dass dieses Phänomen etwas mehr als hundert Jahre alt ist. Über diese Faszination des Vertrauten sprachen wir mit dem Freiburger Kultursoziologen Dr. Sacha Szabo vom Institut für Theoriekultur, der Alltagskulturen untersucht.
Was ist so besonders an Schaufenstern?
Sacha Szabo: Schaufenster sind kein beiläufiger Teil der Innenstädte, sie sind ein zentraler. Eine Innenstadt ohne Schaufenster ist nicht denkbar. All die Blickachsen einer Innenstadt sind auf diese optischen Trigger ausgerichtet. Damit wird auch deutlich was eine heutige Stadt strukturiert: Der Konsum. Man kann es sogar noch zuspitzen, wie dies der Basler Soziologe Strehle macht. Die Schaufenster geben, wie ein Brennglas, Einblick in die DNA unserer Gesellschaft, es geht um die kapitalistische Warenwirtschaft. Nun gut, zugegeben, eine klassisch kulturkritische Position. Das Spannende für mich ist, dass die ersten Schaufenster etwa in dem Zeitraum entstanden, als auch die ersten Museen entstanden und zwischen beiden Präsentationsformen eine Analogie existierte. So waren die ersten Schaufenster, genau wie die Kuriositätenkabinette des Barock, ein überfrachtetes Durcheinander, das dann in einem zweiten Schritt selektiert und geordnet wurde. Aus Quantität wurde Qualität. Beide Präsentationsformen überschneiden sich darin, dass es visuelle Lernformen sind. Einmal wird Wissenschaft und einmal Wirtschaft verinnerlicht. In beiden Fällen durch eine qualitative Selektion des Angebots.
Sind Schaufenster im Zeitalter von Onlineshopping noch so wichtig wie früher?
Sacha Szabo: In meiner Wahrnehmung ist ein gut inszeniertes Schaufenster immer noch ein Blickfang. So gibt es in Freiburg einen Schaufenstergestalter, der Stillleben aus den Waren des Geschäfts inszeniert. Bei diesen Installationen bleiben dementsprechend immer wieder Passanten stehen und gehen auf eine Art Entdeckungssuche wie bei einem Wimmelbild, nur dass die Auslage noch mit Preisschildern versehen ist. Schaufenster hingegen, die keiner symbolischen Ordnung unterworfen wurden, die beliebig ihre Waren präsentieren, können schon strukturell kein Blickfang sein. Dementsprechend bleiben dort auch nur die Passanten stehen, wenn die Schaufensterpuppen während des Umdekorierens unbekleidet sind. Schaufenster sind eine Art Theaterbühne für die Inszenierung von Produkten. Dies haben sie auch mit dem Internet gemein. Der Unterschied aber zwischen dem Einkauf im Internet und dem Einkauf vor Ort ist, dass sich der Einkauf vor Ort besser für die Inszenierungen von Erlebnissen eignet. Er tut dies, dass zum einem die Kunden körperlich präsent sind und zum anderen, dass noch weitere Kunden anwesend sind, so dass sich eine Gemeinschaft bildet. Sobald ein Schaufenster nun zu einer Attraktion, zu einem Anziehungspunkt wird, findet ein Erlebnistransfer auch auf die im Ladenlokal befindlichen Gegenstände statt. Diese werden nun gekauft und sind für immer mit dem Erlebnis assoziiert. Das ist etwas, das nur das Schaufenster leisten kann.
Wie sieht die Zukunft aus? Wird es in zwanzig Jahren noch Schaufenster wie heute geben?
Sacha Szabo: Es wird zwei Welten geben die sich stärker miteinander verbinden als dies heute noch möglich ist. Der Vorteil des Internets ist die nahezu vollständige Verfügbarkeit, der Vorteil des stationären Handels, ist die körperliche Präsenz beim Einkauf. Der Körper ist für den Menschen die Letztinstanz für Realität und wird als solche auch immer stärker angefragt. Erst durch das haptische Erfahren wird ein Produkt überhaupt wirklich. Das trifft sogar auf Produkte wie etwa Computer zu, die heute billiger im Netz zu kaufen sind. Dennoch will man auch mit der Hand über das Gehäuse streichen, da dies ja ein Objekt ist mit dem man die nächsten vier Jahre in einem Raum lebt.
Hat das Schaufenster noch ungenutztes Potential?
Sacha Szabo: Ich erwarte, wie ich das überhaupt von einem Stadtbummel erwarte, dass es ein Erlebnis ist. Ein Erlebnis muss mich so ansprechen, dass ich für einen Moment Raum und Zeit vergesse. Es muss mich vergegenwärtigen. Dieser Erlebnismoment ist für Menschen ganz allgemein von grundlegender Bedeutung. Das Internet kann dies in manchen Bereichen, wie etwa den Computerspielen, hervorragend leisten. Aber was die Virtualität nicht leisten kann, ist dieses Erlebnis auf eine positive Art an den Körper anzuschließen. Körperliches Wohlbefinden gibt es im Internet nicht, genau das aber können Angebote, die im Realen stattfinden, leisten. Was ich mir also wünsche? Eine exklusive Nutzung des Schaufensters, für die ich den Computer verlasse und in die Innenstadt gehe, nur um dabei gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund wundert es zum Beispiel, wie konservativ mit der Bühne “Schaufenster” gespielt wird. So sind die Bestrebungen Künstlern die Schaufenster als Ausstellungform zu überlassen, weiterhin marginal und das vor dem Hintergrund, dass Dali, Warhol oder, um jemanden zeitgenössischen zu nennen, Vanessa Beecroft Schaufenster virtuos zu nutzen verstanden.
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