Wenn die Beratung des eigenen Rechtsanwaltes zu noch mehr finanziellen Verlusten führt!
Ehrliche Beratung baut auf gegenseitiges Vertrauen und das zahlt sich aus. Auch der Beruf des Rechtsanwaltes baut auf dieses Vertrauen auf. Die ordnungsgemäße Beratung des Mandanten gehört zur Kernpflicht eines jeden Rechtsanwaltes. Dabei erfüllt ein Rechtsanwalt seine Beratungspflicht nicht allein dadurch, dass er einzig das durch den Mandanten formulierte Ziel rechtlich bewertet. Ein Rechtsanwalt ist berufen über den Tellerrand hinaus zu schauen, den Sachverhalt genau zu erfragen und eine umfassende Beratung in alle möglichen Richtungen vorzunehmen. Der Bundesgerichtshof hat hierzu folgendes entschieden:
Erst eine unfertige Wohnung gekauft – dann auch noch Schrottberatung erhalten!
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 20.10.1994, IX ZR 116/93, einen Fall aus dem Leben eines Immobilienkäufers und Mandanten zu entscheiden, anhand dessen klar gestellt wurde, was die Beratungspflicht eines Rechtsanwaltes alles umfasst.
In diesem Fall kam der Mandant in die Beratung zu den Rechtsanwälten wegen des Erwerbes einer nicht fertiggestellten Eigentumswohnung. Der Verkäufer der Eigentumswohnung verpflichtete sich die restlichen Innenarbeiten sowie die Außenarbeiten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuführen. Als diese Arbeiten nicht vorgenommen wurden, suchte der Käufer der Immobilie einen Rechtsanwalt seines Vertrauens auf. Das Ziel definierte der Mandant klar: Rücktritt vom Vertrag und der Weiterverkauf der Wohnung, denn schließlich hatte er den Kaufpreis bereits gezahlt, dabei benötigte er die Hilfe eines Rechtsanwalts.
Das Anliegen des Mandanten teilte dieser dem Rechtsanwalt mit und hoffte auf den richtigen Rat mit der richtigen Handlung. Allerdings unterlief dem beratenden Rechtsanwalt ein entscheidender Fehler, denn er riet dem Mandanten zum Rücktritt, statt zu einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des Vertrages. Damit schnitt er dem Mandanten die Möglichkeit einer Geltendmachung des weiteren Schadens ab. Auch riet er ihm nicht vom Weiterverkauf der Wohnung ab.
Somit kam wie es kommen musste: der Mandant verklagte die Rechtsanwaltssozietät auf Schadensersatz wegen Verletzung der Beratungspflicht.
Ein Rechtsanwalt schuldet umfassende und erschöpfende Beratung
Der BGH entschied zu der Beratungspflicht des Rechtsanwaltes wie folgt:
“…der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Dem Mandanten hat der Anwalt diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Er muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern.”
In dem konkreten Fall hätte eine sachgerechte Beratung wie folgt ausgesehen: Kein Vertragsrücktritt (§ 346 BGB) sondern Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung (§§ 280, 281 BGB); zugleich abraten von der beabsichtigten Veräußerung der Eigentumswohnung.
Der Mandant formuliert sein Ziel – der Rechtsanwalt muss wissen, ob und wie er auf dem sichersten Weg dorthin kommt
Der Berliner Verbraucheranwalt Dr. Schulte von der Kanzlei Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte berichtet von seinen Erfahrungen aus mittlerweile unzählbaren Beratungsgesprächen:
“…meist in heller Aufruhr berichten uns unsere Mandanten was ihnen geschehen ist und wen sie zur Rechenschaft ziehen möchten. Als rechtliche Laien stellen sich die Mandanten oftmals einen Weg zum Ziel vor, der so eher in eine Sackgasse führe. Es ist daher unsere Aufgabe den Sachverhalt erschöpfend zu erörtern, richtig zu erfassen, den Mandanten umfassend aufzuklären, zu beraten und ihn unter Berücksichtigung aller rechtlichen Risiken auf dem sichersten Weg zu seinem Ziel zu verhelfen. Dabei muss ein Rechtsanwalt auch mit Ehrlichkeit dem Mandanten gegenübertreten und hat ihn über Risiken und Schwierigkeiten seines Falles knallhart zu belehren. An die Beratungspflicht des Rechtsanwaltes werden hohe Erwartungen gesetzt – in Anbetracht der Konsequenzen einer fehlerhaften Beratung für den Mandanten und im Eigeninteresse des Anwaltes ist dies jedoch auch gerechtfertigt.”
Kaum ein Mandant kann im Voraus sicher sein, ob er an den “richtigen” Rechtsanwalt geraten ist und durch diesen umfassend beraten wird. Fehler werden verziehen, wenn diese ehrlich eingestanden werden. Wenn dann doch einmal das Kind in den Brunnen gefallen sein sollte, so muss auch ein Rechtsanwalt für seine Fehler gerade stehen.
V.i.S.d.P.:
Helena Winker
Rechtsanwältin
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