Über das Lassen und das Tun
Frei ist, wer sich einfach lässt
“Lassen hat hierzulande keine Lobby”, sagt die Autorin Petra Dietrich. In ihrem Buch Anfang ist immer – Über das Lassen und das Tun lädt sie alle, die Gelassenheit nicht mit einem Stufenplan erreichen möchten, zu einem Umdenken ein, das Weite in die eigenen Gedanken bringt. Fünfundzwanzig kurze Texte thematisieren Alltagserfahrungen aus unserem Umgang mit Anforderungen, Ansprüchen, Verstrickungen, Erlebnissen, sachlichen und gedanklichen Strukturen , denen wir jederzeit mit Innehalten und Stillwerden begegnen können. “Dann entsteht ein innerer Freiraum, der uns immer zur Verfügung steht”, so Dietrich. Anstatt wie früher zu benennen, was fehlt, um dann zur Korrektur voranschreiten zu können, geschehen Veränderung und Entwicklung mit einmal wie von selbst, indem das Vorhandene sich entfaltet. Ihr Plädoyer: “Wie immer Sie auch gestimmt sind. Was immer Sie gerade tun. Lassen Sie sich – in Ruhe. Jetzt, ohne Bedingungen, ohne Vorbereitung.”
Auf der Suche nach Lösungen suchen wir in der Regel etwas, das wir tun können. Was dabei aus dem Blick gerät: Als Menschen haben wir die Chance, freiwillig zu handeln. Das Wort “müssen” erlegen wir uns selber auf. Und, noch fulminanter: Lassen ist immer eine Option – auch, wenn sie in der Regel übersehen wird. Für wegweisend hält Dietrich, die in München als Coach und Beraterin in eigener Praxis tätig ist, die feine Nuance zwischen dem Gefühl und dem Anderen, das nur in der Vorstellung existiert: “Wählen Sie, wohin Sie Ihre Aufmerksamkeit richten: Auf dieses Andere oder auf das jetzt und spürbar Vorhandene: Ihr Gefühl. Das Gefühl ist nicht identisch mit der Bedeutung, die es bekam. Gefühle lassen sich fühlen. Anders ist ein Gedanke.”
Aus dem Gefühl erwächst Stille – und damit letztlich die Freiheit, Reaktionsmuster zu bemerken, ohne ihnen nachzugeben. Die Freiheit, während das Gedankenkarussell sich dreht, im Kontakt mit sich selbst und dem eigenen Weg zu bleiben. “Ziele sind nicht da vorne. Was immer ein Ziel für Sie sein kann – seine Spur ist auf dem Weg, den Sie bereits beschreiten, erkennbar und wird sich entwickeln, indem Sie weiter gehen”, so Dietrich.
Im Inhaltsverzeichnis des kleinen Bandes findet man Redewendungen, die wie Zitate aus den eigenen Gedanken erscheinen, Zitate aus Zeiten des Zweifelns und Haderns mit sich selbst: “Man kriegt es nicht aus dem Kopf” steht da, “Man kann doch nicht”, und “Ich hätte es anders machen sollen”. Und zwischen diesen allzu bekannten Sätzen liest man Worte, die ebenfalls ein inneres Echo erzeugen, eines von ganz anderer Art: “Loslassen”, “Bei sich sein”, Wohlwollen”.
Für alle, die der Anstrengung, sich ständig ändern zu müssen, überdrüssig sind, ist Anfang ist immer – Über das Lassen und das Tun ein freundliches, heiteres, angenehm begleitendes und tröstliches Buch. Es ist eine Einladung, Gewohnheiten zu reflektieren, sich wahrzunehmen und, indem man liest, eine Frage zu beantworten, die der Klappentext stellt: Hat man eine Wahl? Eine Wahlmöglichkeit, die man im Umgang mit den scheinbar kleinen, alltäglichen Herausforderungen nutzen kann?
Dietrich möchte mit ihrem Buch aufmerksam machen auf die vielen Stereotype, die unsere Gedanken und Vorstellungen bevölkern und die wir glauben, ohne wirklich hinzuhören: Ich muss dies oder jenes tun, etwas Anderes wäre besser gewesen. Wer innehält und sich wirklich lässt, voller Wohlwollen, der kann mit sich selbst gut Freund sein. Und lässt das Müssen los. Was für ein Leben, in das Anfang ist immer – Über das Lassen und das Tun uns da einlädt!
www.petra-dietrich.de
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