Österreicher schätzen Arbeit weniger als andere Europäer – sind aber eher bereit zu arbeiten, wenn es finanziell gar nicht nötig wäre. Aktuelle Studie der Uni Wien analysiert Wertvorstellungen zu Arbeit in verschiedenen EU-Regionen. Einfluss der Familie i

 

  • Elterliche Werte sind größter Einflussfaktor auf den Stellenwert von Arbeit
  • Je höher die Beschäftigungsquote von Frauen, desto unwichtiger ist Arbeit für sie
  • Österreich zeigt besonderes Muster bei Arbeitszentralität junger Menschen

 

Wien, 25. April 2019 – Welchen Stellenwert Arbeit im Leben junger Menschen in Europa hat und was diese Wertvorstellung prägt, wurde jetzt von Prof. Bernhard Kittel und Fabian Kalleitner vom Institut für Wirtschaftssoziologieder Universität Wien gemeinsam mit ihrem Projektpartner Prof. Panos Tsakloglou von der Athens University of Economics and Business erforscht. Erstaunlich klar fielen bei der jetzt international veröffentlichten Arbeit die Ergebnisse zu den wesentlichen Einflussfaktoren aus, wie Prof. Kittel ausführt: „Der Einfluss der Eltern ist für junge Leute der bedeutendste Faktor, wenn es um die Wichtigkeit von Arbeit im Leben geht. Diese Einstellung wird also quasi kulturell vererbt“.

 

Wertedimensionen

Im Rahmen der Studie wurde dabei zwischen zwei verschiedenen Dimensionen der Wichtigkeit von Arbeit – auch Arbeitszentralität genannt – unterschieden. Zum einen ihre Wichtigkeit in Relation zu anderen Aspekten des Lebens wie z. B. Freizeit (auch als extrinsische Dimension bezeichnet). Und zum anderen die Bereitschaft zu arbeiten, selbst dann, wenn man es aus finanziellen Gründen nicht mehr tun müsste (auch als intrinsische Dimension bezeichnet). Setzt man die Ergebnisse für beiden Dimensionen in Beziehung zueinander, dann fällt im Europavergleich ein Land besonders auf: Österreich.

 

Junge Menschen in Österreich geben der Arbeit im europäischen Vergleich die geringste relative Wichtigkeit. „Nur in Spanien konnten wir vergleichbar geringe Werte wie in Österreich für diesen Wert feststellen“, meint Prof. Bernhard Kittel zu diesem eindeutigen Ergebnis. Umso überraschender waren dann die Ergebnisse zu der intrinsischen Arbeitszentralität, die einfach gesagt mit folgender Frage geklärt werden kann: „Würden Sie auch dann noch weiterarbeiten, wenn Sie einen Geldbetrag geerbt hätten, der Ihnen ein bequemes Leben bis ans Ende Ihrer Tage erlaubt?“ Hier zeigten junge Menschen aus Österreich nun eine besonders enge Verbundenheit zu Arbeit und waren mehr als andere Europäer bereit, weiterzuarbeiten – selbst wenn sie es nicht mehr müssten. „Die Ergebnisse zeigen für Österreich also eine auf den ersten Blick paradox anmutende Wertebeziehung zur Arbeit“, kommentiert Prof. Bernhard Kittel dieses Ergebnis. „Tatsächlich spiegelt es aber nur wider, dass die beiden Dimensionen sehr unterschiedliche Aspekte der Arbeitszentralität für Menschen erheben. Für junge ÖsterreicherInnen ist Arbeit ein selbstverständlicher Teil des Lebens, jedoch nicht mehr dominierend, sondern ein Aspekt neben anderen Lebensbereichen wie Familie und Freizeit.“

 

Frauenquote

Doch noch weitere Erkenntnisse konnte das internationale Team im großen Vergleich europäischer Regionen herausfinden. So zeigte sich, dass die relative Wichtigkeit von Arbeit besonders bei jungen Frauen stark von der Frauenbeschäftigungsquote in der Region abhing. Je höher die Quote, desto geringer die von Frauen empfundene Wichtigkeit von Arbeit. „Wenn also viele Frauen im sozialen Umfeld arbeiten“, so interpretiert Kittel den Befund, „dann wird die weibliche Erwerbstätigkeit nicht mehr in Frage gestellt und tritt in der Wahrnehmung ihrer Bedeutung in den Hintergrund.“

 

Insgesamt konnte das Team als wesentliche Faktoren, die die Wertigkeit von Arbeit für junge Menschen in den untersuchten Regionen beeinflussen, das Geschlecht, den Bildungsstand und die subjektive finanzielle Zufriedenheit ausmachen. Faktoren, deren Ausprägung zum Teil stark innerhalb Europas variieren und somit auch zu unterschiedlichen Arbeitszentralitäten beitragen.

 

Daten, die in der Studie genutzt wurden, stammten dabei aus dem CUPESSE Projekt (Cultural Pathways to Economic Self-Sufficiency and Entrepreneurship, http://cupesse.eu), das unter dem europäischen Framework Programm FP7 gefördert wurde. In diesem Projekt wurden die kulturellen und sozialen Bedingungen von Jugendbeschäftigung in Dänemark, Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Italien, Österreich, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn sowie der Schweiz und der Türkei erhoben. Für die Studie wurden die Daten von 18 bis 35-jährigen sowie deren Eltern in den neun untersuchten EU-Ländern verwendet.

 

Originalpublikation:

The Transmission of Work Centrality within the Family in a Cross-Regional Perspective. B. Kittel, F. Kalleitner & P. Tsakloglou.

The ANNALS of the American Academy of Political and Social Science, 682, March 2019. DOI: 10.1177/0002716219827515

https://doi.org/10.1177/0002716219827515

 

Rückfragehinweis:

Prof. Dr. Bernhard Kittel

Institut für Wirtschaftssoziologie

Universität Wien

Oskar-Morgenstern-Platz 1

1090 Wien

T +43 / 1 / 4277 38311

E bernhard.kittel@univie.ac.at

W https://soc.univie.ac.at/ueber-uns/bernhard-kittel/

 

Redaktion & Aussendung

PR&D – Public Relations für Forschung & Bildung

Dr. Barbara Bauder

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