Wie alle Beteiligten mit bürokratischem Mehraufwand belastet werden
Wirklich einfache Regelungen gibt es im deutschen Steuerrecht kaum. Sogar die Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung (Minijobs) sind in ihrer Gesamtheit alles andere als einfach. Aber für Arbeitnehmer sind Minijobs leicht zu verstehen: Damit können sie unkompliziert etwas hinzuverdienen, ohne dafür Steuern und Sozialabgaben bezahlen zu müssen. Der Verdienst ist in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung versicherungsfrei, doch auf Wunsch kann in der Rentenversicherung die Versicherungspflicht beantragt werden.
– Der Minijobber hat nämlich die Möglichkeit, den Pauschalbeitrag des Arbeitgebers zur Rentenversicherung von 15% (im gewerblichen Bereich) bzw. 5% (im Haushaltsbereich) aus eigenen Mitteln zum normalen Beitragssatz aufzustocken und dadurch Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung zu erwerben. Von den rund 6,9 Mio. Minijobbern im gewerblichen Bereich nutzen diese Aufstockung nur 5,14%, das sind genau 356.516 Personen. Und von den 231.242 Haushaltshilfen im Minijob machen lediglich 16.045 Personen davon Gebrauch. Insgesamt nutzen also gerade mal 5,19% aller Minijobber die Aufstockungsoption (Stand: Juni 2011).
AKTUELL hat die Bundesregierung es nun tatsächlich geschafft, auch diese bislang einfache Regelung künftig mit hohem bürokratischem Aufwand zu verzieren. Ab 2013 wird die “Versicherungsfreiheit mit Aufstockungsoption” umgewandelt in eine “Rentenversicherungspflicht mit Befreiungsmöglichkeit”. Das bedeutet: Grundsätzlich ist jeder Minijobber von vornherein in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert, kann sich aber auf Antrag davon befreien lassen. Das bringt erheblichen Bürokratieaufwand für alle Beteiligten mit sich.
– Minijobber: Künftig werden also nicht mehr bloß 5% der Minijobber einen Aufstockungsantrag stellen, sondern sage und schreibe die anderen 95% zu einem Befreiungsantrag gezwungen. Bei rund 3,5 Mio. geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen, die jedes Jahr neu angemeldet werden, sind folglich rund 3,3 Mio. Personen betroffen. Selbst die Bundesregierung geht von über 90% der Minijobber aus, die weiterhin die Rentenversicherungsfreiheit wünschen und daher mit dem Befreiungsantrag belastet sein werden. Die Befreiungsanträge sind beim Arbeitgeber abzugeben. Hat jemand mehrere Minijobs, muss er auch die anderen Arbeitgeber über den Befreiungsantrag informieren.
– Arbeitgeber: Die Arbeitgeber müssen nun nicht mehr die Aufstockungsanträge von 5%, sondern die Befreiungsanträge von 95% der Minijobber bei den Lohnunterlagen aufbewahren. Ferner müssen sie an die Minijob-Zentrale nicht mehr für 5% der Minijobber die Aufstockung, sondern für95 % die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht melden.
– Minijob-Zentrale: Die Minijob-Zentrale wird die Minijobber, die erstmalig einen Minijob aufnehmen, mit einem Begrüßungsschreiben über ihre Rechte und Pflichten informieren. In diesem Schreiben wird auf die Möglichkeit hingewiesen, sich von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreien zu lassen, aber auch über die möglichen Folgen einer solchen Befreiung informiert. Außerdem wird die Minijob-Zentrale die 1,8 Mio. Arbeitgeber schriftlich über die neue Rechtslage informieren. Arbeitgeber, die ab 2013 erstmals einen Minijobber anmelden, erhalten von der Minijob-Zentrale ein gesondertes Informationsschreiben.
Völlig unnötig belastet von dem neuen bürokratischen Wust des Befreiungsantrages sind alle Personen, für die eine Pflichtversicherung in der Rentenversicherung wenig sinnvoll oder nicht vorteilhaft ist. Das sind zunächst die Personen, die einen Minijob als Nebenjob ausüben, denn sie sind bereits anderweitig abgesichert (2,4 Mio.). Ferner sind es Rentner und Pensionäre über 65 Jahre, für die eine Versicherung gar nichts bringt (815.313). Des Weiteren sind Personen zwischen 60 und 65 Jahren möglicherweise Frührentner und wollen nur etwas hinzuverdienen (551.481). Für Haushaltshilfen ist die Versicherung viel zu teuer (Beitrag 13,9%) und bringt statt einem Rentenanspruch von 1 EUR vielleicht 4 EUR. Nicht zuletzt betrifft dies Schüler und Studenten, für die das Geld jetzt und nicht die Vorsorge fürs Alter wichtig ist. Immerhin sind 1,2 Mio. der Minijobber unter 25 Jahre alt. Für welchen minimalen Effekt betreibt die Bundesregierung hier eigentlich einen solch maximalen bürokratischen Aufwand?
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