Kündigung wegen Freiheitsstrafe

Wird ein Arbeitnehmer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen. Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin zu einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein bei Volkswagen langjährig beschäftigter Arbeitnehmer wurde wegen außerdienstlich begangener Straftaten (Rauschgiftdelikte) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die Möglichkeit eines offenen Vollzugs war zunächst nicht vorgesehen, sollte aber später geprüft werden. Der Arbeitgeber besetzte den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers neu mit einem anderen Mitarbeiter und kündigte das Arbeitsverhältnis.
Gegen diese Kündigung klagte der Arbeitnehmer mit der von ihm erhobenen Kündigungsschutzklage. Er vertrat die Auffassung, der Arbeitgeber sei verpflichtet, die Zeit seiner haftbedingten Abwesenheit zu überbrücken, bis er den Freigängerstatus erlangt habe. Dies sei dem Volkswagenkonzern im Hinblick auf die Größe des Unternehmens ohne weiteres möglich.
Das Bundesarbeitsgericht sah dies nicht so und hielt die Kündigung, anders als noch die Vorinstanz, für wirksam. Die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe sei grundsätzlich geeignet, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Haben die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, kommt regelmäßig nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Sowohl bei den Anforderungen an den Kündigungsgrund als auch bei der einzelfallbezogenen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsunmöglichkeit und die damit einhergehende Störung des Arbeitsverhältnisses selbst zu vertreten hat. Dem Arbeitgeber sind deshalb zur Überbrückung der Fehlzeit typischerweise geringere Anstrengungen und Belastungen zuzumuten als bei einer Verhinderung des Arbeitnehmers etwa wegen Krankheit. Zudem ist auf die voraussichtliche Dauer der Leistungsunmöglichkeit Bedacht zu nehmen. Jedenfalls dann, wenn gegen den Arbeitnehmer rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2011 – 2 AZR 790/09 -, Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. Mai 2009 – 2 Sa 1261/08 – )
Stellungnahme: Hier liegt zunächst nur die Pressemeldung des Bundesarbeitsgerichts vor. Bei der Prognose müsste meiner Ansicht nach darauf abgestellt werden, wann der Arbeitnehmer voraussichtlich wieder in der Lage sein wird, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Bei anzunehmender guter Führung kann dies bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren bereits viel früher der Fall sein. Außerdem gibt es regelmäßig auch die Möglichkeit als Freigänger zu arbeiten. Im entschiedenen Fall, bei einer Freiheitstrafe von über vier Jahren, ist die Entscheidung sicher konsequent. Ob man dies aber generell für Kündigungen bei allen Verurteilungen von mehr als zwei Jahren sagen kann, scheint mir zweifelhaft. Hier müssen die Urteilsgründe abgewartet werden.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer: Es ist keineswegs so, dass jede Verurteilung zu einer Haftstrafe gleich eine Kündigung rechtfertigt. Das Vorgehen gegen eine Kündigung lohnt sich in Betrieben mit mehr als zehn Mitarbeitern auch in solchen Fällen nahezu immer. Wenn auch das Arbeitsverhältnis meist nicht gerettet werden kann: Zumindest eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts pro Jahr der Beschäftigung (manchmal auch sehr viel mehr) ist regelmäßig drin.

Fachanwaltstipp für Arbeitgeber: Bei der Frage, ob eine Kündigung wegen einer außerdienstlich begangenen Straftat des Arbeitnehmers rechtmäßig ist, kommt immer auf den Einzelfall an und die nach den oben genannten Kriterien vorzunehmende Abwägung der wechselseitigen Interessen. Hier spielt natürlich auch die Betriebsgröße eine wichtige Rolle. Trotzdem: Kündigungsschutzprozesse über viele Jahre hinweg bis zum Bundesarbeitsgericht sind riskant. Im vorliegenden Fall ist es für den Arbeitgeber gut gegangen. Was aber, wenn man in letzter Instanz nach Jahren verliert? Dann muss, wie jüngst im Fall Emmely, für viele Jahre der Lohn nachgezahlt werden, obwohl der/die Mitarbeiter/in keine Leistung erbracht hat. Kleinere Firmen hat so etwas schon die Existenz gekostet. Arbeitgeber sollten daher versuchen, Rechtsstreitigkeiten frühzeitig durch Zahlung einer Abfindung zu beenden. Selbst in vermeintlich sicheren Fällen ist es meist besser, den Rechtsstreit mittels einer (ggf. nur symbolischen) Abfindung zu beenden, als in der nächsten Instanz eine überraschende Niederlage zu riskieren.
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin

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