Grauer Kapitalmarkt: grobes Beratungsverschulden führt zu Schadensersatzansprüchen

LG München I: Empfehlung zur Kündigung einer Lebensversicherung zwecks Einlage in Graumarktfonds ist grobe Falschberatung – Treuhänder haftet aus sittenwidriger Schädigung

Grauer Kapitalmarkt: grobes Beratungsverschulden führt zu Schadensersatzansprüchen

Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke

Mit einem Urteil vom 17.06.2013 stellt das Landgericht München I mehrere bemerkenswerte Rechtssätze auf, die für eine Vielzahl von Beratungsvorgängen auf dem grauen Kapitalmarkt relevant sind. Konkret ging es um die Empfehlung eines Anlagenberaters an einen Anleger, seine bestehenden kapitalbildenden Lebensversicherungen aufzulösen und die freiwerdenden Rückkaufswerte in einen geschlossenen Publikumsfonds des grauen Kapitalmarktes in Form der GmbH & Co. KG zu investieren. Die Empfehlung einer solchen Umdeckung ist nach Ansicht des Landgerichts München I grob anlegerwidrig, stellt also ein grobes Beratungsverschulden dar. Das Besondere an dem Fall ist, dass das Landgericht München I auch die Treuhandkommanditistin zu Schadenersatz verurteilte. Und zwar nicht etwa aus einer vorvertraglichen Aufklärungsverletzung des Treuhandvertrages, sondern aus unerlaubter Handlung, nämlich der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB).

Vorsätzlich sittenwidrige Schädigung

“Das Gericht geht bei der Entscheidung davon aus, dass der Treuhänderin offensichtlich bewusst gewesen ist, dass die Vertriebsgesellschaft die Anleger ganz generell zur Einmalanlage bewegt hat mit dem Argument, bisherige Lebensversicherungen würden nichts taugen und sollten besser gekündigt werden. Damit wurde also als konkrete Beratungspolitik vorgegeben, bestehende, relativ sichere Kapitalanlagen gegen unsichere Kapitalanlagen mit dem Risiko des Totalverlustes einzutauschen – und dies bei einer Klientel, bei der die Lebensversicherungsverträge oftmals die einzige zusätzliche Altersvorsorge darstellen”, teilt der Berliner Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke mit.

Röhlke weist daraufhin, dass der Bundesgerichtshof bereits in einer Entscheidung vom 19.02.2008 (XI ZR 170/07) in eine ähnliche Richtung argumentiert hat. Der Bundesgerichtshof stellte in dem Urteil fest, dass eine Empfehlung zum Kauf höchst riskanter Aktien auch deswegen falsch sein kann, weil der Anleger zum Erwerb dieser Aktien zunächst Lebensversicherungen kündigen musste und im konkreten Fall eine ähnliche zusätzliche Altersvorsorge erwerben wollte. Der Anlageberater, der zu einem solchen Vorgehen vorsätzlich rät, ist wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadenersatz verpflichtet.

Umdeckung ist sittenwidrig

Röhlke meint: “Das Urteil ist grundsätzlich begrüßenswert, weil es die Sittenwidrigkeit der organisierten Umdeckung von Lebensversicherungsverträgen deutlich anspricht. Andererseits muss offen bleiben, ob dem Anleger hiermit wirklich geholfen ist. Sofern die Treuhandkommanditistin eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung hat und selbst nicht in der Lage ist, die titulierte Forderung zu erfüllen, wird die Versicherung hier wohl auch nicht einstehen: vorsätzliches Handeln ist im Regelfall vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Der Anleger könnte also durch das Urteil Steine statt Brot bekommen haben”.

Kostenstruktur und Provision: Gewinn für Anleger fraglich

Röhlke weist aber noch auf einen anderen interessanten Aspekt des Urteils hin: das Landgericht hält einen Schadenersatzanspruch gegen die Treuhandkommanditistin auch unter dem Gesichtspunkt für gegeben, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung der Plausibilität der Kapitalanlage der Treuhänderin hätte auffallen müssen, dass die im Vorfeld abgegebenen Renditeversprechen nicht erfüllt werden können. Denn die Kostenstruktur war so gewählt, dass insgesamt ca. 15 Prozent der gesamten Zeichnungssumme als Provision anfielen und diese Provision auch von den Spar-Raten der Anleger in den ersten Jahren bezahlt werden sollte, bevor irgendeine Investition getätigt wurde. Insgesamt sollte die Kostenstruktur des Fonds so sein, dass von dem angelegten Geldern nur noch 40 Prozent zur Wertbildung zur Verfügung stand. Das Landgericht zog nun den Schluss, dass mit 40 Prozent des Kapitals eine Rendite bezogen auf 100 Prozent des Kapitals in Höhe von 9 Prozent nicht erwirtschaftet werden kann.
Dies liege auf der Hand.

“Auch in diesem Punkt verdient das Urteil des Landgerichts München I volle Zustimmung. Die Kostenstruktur geschlossener Fonds ist vielfach so ungünstig ausgestaltet, dass ein Gewinn der Anleger rechnerisch fast unmöglich ist und, gewissermaßen, nur unter Laborbedingungen im Reagenzglas eintreten kann. Von 100 Euro des Anlegers stehen im Regelfall nur 75 Prozent zur Investition und Wertbildung zur Verfügung, manchmal sogar noch weniger. Den Anlegern wird aber versprochen, 9 Prozent Zinsen auf 100 Euro zu bekommen. Damit dies gelingen kann, muss mit dem tatsächlich zur Verfügung stehenden 75 Euro ein Gewinn in einer Höhe erwirtschaftet werden, der jeden Anleger vor Vertragsunterzeichnung misstrauisch werden ließe. Das wird aber im Regelfalle nicht offen gelegt, ” meint Rechtsanwalt Röhlke. Seiner Meinung nach sind die meisten derartigen Fonds schlicht unplausibel, was einem sorgfältig arbeitenden Vermittler auch vor der Beratung des Anlegers hätte auffallen müssen.
Es bleibt also dabei: Anleger des grauen Kapitalmarktes sollten einen spezialisierten Anwalt aufsuchen, damit hier alle Möglichkeiten einer Schadenskompensation in Betracht gezogen werden können.

V.i.S.d.P.:

Christian Röhlke

Rechtsanwalt
Der Verfasser ist für den Inhalt verantwortlich

Röhlke Rechtsanwälte haben ihre Kernkompetenz im Bereich des Kapitalanlagenrechts und der angrenzenden Gebiete des Zivilrechts, insbesondere im Handels- und Gesellschaftsrecht. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Kleinverdienern, denen vermietete Eigentumswohnungen zur Altersvorsorge als “Immobilienrente” schmackhaft gemacht wurden. Ein wesentlicher Tätigkeitsschwerpunkt ist auch das Recht der Handelsvertreter, die Regelungen über Provisionen, Buchauszüge, Wettbewerbsverbote etc.Weitere Information finden Sie unter: www.kanzlei-roehlke.de

Kontakt:
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Christian-H. Röhlke
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