Getrennt gemeinsam reisen

Getrennt gemeinsam reisen

ARAG Experte Tobias Klingelhöfer über rechtliche Hürden bei einem getrennten Urlaub

Getrennt gemeinsam reisen

Wenn es mit Kindern in die Ferien geht, müssen viele Entscheidungen und Vorbereitungen getroffen werden: Von der Wahl der passenden Urlaubsdestination über die Anreise bis hin zur Unterbringung und kinderfreundlichen Aktivitäten vor Ort. Je besser die Planung, desto entspannter der Urlaub. Geht es bei getrennt lebenden Eltern mit nur einem Elternteil auf Reisen oder verreisen Kinder allein mit den Großeltern, sind zudem einige rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen. ARAG Experten Tobias Klingelhöfer mit einem Überblick.

Was sollte man bei einer Urlaubsplanung mit Kindern grundsätzlich berücksichtigen?
Tobias Klingelhöfer: Je älter die Kinder sind, desto ausgeprägter ist meist die Vorstellung von einem Urlaub bzw. von einer No-Go-Reise. Daher empfehle ich, schon bei der Auswahl der Destination alle Familienmitglieder einzubeziehen und möglichst die Wünsche aller zu berücksichtigen. Je mehr Köpfe entscheiden, desto schwieriger wird das natürlich. Dann gilt es, Kompromisse zu schließen und Prioritäten zu setzen.

Wer nicht auf einen Nenner kommt, dem raten ich zu Anbietern, die sich auf Reisen mit Kind spezialisiert haben. Sie räumen nicht nur gute Rabatte für Kinder ein, sondern kennen auch die passenden Reiseziele. Zudem bekommen Eltern auch gute Tipps für kinderfreundliche Aktivitäten am Urlaubsort.

Welche rechtlichen Hürden müssen getrennt lebende Eltern beachten, wenn sie alleine mit dem gemeinsamen Kind in den Urlaub wollen?
Tobias Klingelhöfer: Die Frage kann so pauschal gar nicht beantwortet werden. Denn bei getrennten Eltern kommt es darauf an, wer das Sorgerecht hat, wohin die Reise geht und ob es sich dabei um eine sogenannte Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Aber auch der Gesundheitszustand des Kindes kann eine Rolle spielen.

Wenn wir einmal den “üblichen” Fall der gemeinsamen Sorge betrachten und wenn es keine abweichenden Vereinbarungen gibt, kann jeder Elternteil in seiner Umgangszeit mit dem gemeinsamen Kind im üblichen Rahmen verreisen. Da das Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Umgangsberechtigten liegt, ist eine Zustimmung des anderen Elternteils nicht nötig.

Was ist denn der übliche Rahmen und wann handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung?
Tobias Klingelhöfer: Da sind die rechtlichen Grenzen von Fall zu Fall verschieden und immer etwas Auslegungssache. Übertrieben formuliert kann man aber sagen, dass beispielsweise Ferien auf einem Campingplatz an der Nordsee oder der Hotelurlaub am Mittelmeer sicherlich keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung sind, die die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich machen. Bei einem Abenteuer-Urlaub mitten in der Wildnis oder einem Trip durch den Amazonas-Regenwald muss man aber sicherlich mit einem erfolgreichen Veto des anderen Elternteils rechnen. Das gleiche gilt für gefährliche Aktivitäten in den Ferien. So kann der daheim bleibende Elternteil durchaus “Nein” sagen, wenn der Urlaub z. B. einen Hai-Tauchgang oder einen Fallschirmsprung vorsieht.

Auch, wenn es für den ausgewählten Urlaubsort eine Warnung des Auswärtigen Amtes gibt oder wenn es sich um eine exotische Reise in einen anderen Kulturkreis handelt, mit dem das Kind nicht vertraut ist, könnte der übliche Urlaubsrahmen gesprengt und eine Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich werden (Oberlandesgericht Hamburg, Az.: 12 UF 80/11; Oberlandesgericht Köln, Az.: 4 WF 4/04).
Liegt sogar der begründete Verdacht vor, dass ein Kind ins Ausland entführt werden könnte, handelt es sich selbstredend um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, die der Reise einen Strich durch die Rechnung macht.

Wie ist es mit Fernreisen? Kann man bei einem Urlaub am anderen Ende der Welt nicht automatisch davon ausgehen, dass es einer Zustimmung des anderen Elternteils bedarf?
Tobias Klingelhöfer: Bis vor einigen Jahren hätte ich diese Frage vermutlich bejaht. Aber mittlerweile sind weite Reisen oder Ferien außerhalb der Europäischen Union ja keine Seltenheit mehr. So kann z. B. eine Reise nach Amerika mit Kind trotz langen Fluges auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils möglich sein. In einem konkreten Fall war der Anlass einer zweiwöchigen Reise mit einem Sechsjährigen der Besuch bei dessen Großeltern in den USA. Das Veto der Mutter gegen die Reise blieb ohne Erfolg (Oberlandesgericht Dresden, Az.: 21 UF 350/21). Auch ein Ferienaufenthalt in Thailand kann in Ordnung sein (Kammergericht Berlin, Az.: 13 UF 163/16). Anders kann es sich aber verhalten, wenn ein zweijähriges Kleinkind eine mehrstündige, interkontinentale Reise antreten soll (Oberlandesgericht Naumburg, Az.: 3 WF 131/99).

Wie sehen denn die konkreten Schritte aus, wenn ein Elternteil nicht mit den Ferienplänen des Ex-Partners einverstanden ist?
Tobias Klingelhöfer: Wenn sich beide sorgeberechtigten Elternteile nicht einig werden, können sie sich an das zuständige Familiengericht wenden. Dort wird dann individuell entschieden, ob es für die Dauer einer konkreten Reise ein alleiniges Entscheidungsrecht über das Kind gibt oder ob beide Teile der Reise zustimmen müssen.

Was muss man beachten, wenn Kinder mit ihren Großeltern verreisen, weil die Eltern keine Zeit für Urlaub haben?
Tobias Klingelhöfer: Es ist ja ein bekanntes Problem: Lange Schulferien stehen im Missverhältnis zu den Urlaubstagen von Mama und Papa. Daher ist es gar nicht so unüblich, dass vor allem jüngere Kinder mit ihren Großeltern verreisen. Um hier jeglichen Stress zu vermeiden, rate ich zu einer formlosen Vollmacht. Neben dem Hinweis, dass das Kind mit Oma und Opa reisen darf, sollten darin Vor- und Nachname des Kindes, der Großeltern und Eltern sowie das Geburtsdatum des Kindes erfasst sein. Auch Nummern der Personalausweise aller Beteiligten und die Adresse sowie Telefonnummern der Eltern sollten nicht fehlen. Ebenfalls ratsam zu notieren sind Dauer und Ort der Reise.

Geht die Reise ins Ausland, kann es sinnvoll sein, die Vollmacht in die entsprechende Landessprache übersetzen zu lassen. Denn in einigen Ländern – wie zum Beispiel Großbritannien oder Griechenland – wird die Vollmacht unter Umständen bei der Einreise verlangt. Manche Staaten wollen sogar eine amtliche Beglaubigung der Vollmacht sehen. Daher sollten sich Großeltern oder Eltern am besten vor der Reise bei der Botschaft des Reiselandes nach den geltenden Regelungen erkundigen.

Und dann dürfen die wichtigsten Unterlagen nicht fehlen: Neben dem Reisepass und der Krankenversicherungskarte des Enkels sollten Großeltern eine Kopie vom Impfpass des Kindes mitnehmen. Da in der Regel nicht einmal Eltern ganz genau wissen, wann welche Impfung gemacht oder aufgefrischt wurde, können sie bei einem medizinischen Notfall schnell feststellen, ob der vorhandene Impfschutz ausreicht. Bekannt sein sollte Oma und Opa auch die Blutgruppe ihres Enkels sowie Allergien und Vorerkrankungen

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