Ernte 2019 – Regionale Mindererträge zu befürchten

Ernte 2019 – Regionale Mindererträge zu befürchten

Der AGRAVIS-Experte Alfred Reisewitz beantwortet die wichtigsten Fragen zu den diesjährigen Ernteerwartungen.

Ernte 2019 - Regionale Mindererträge zu befürchten

Welche Besonderheiten erwarten Sie für die Ernte 2019?

Gegenüber dem Vorjahr haben wir in Deutschland und Skandinavien wieder einen Zuwachs an Wintergetreideflächen. Besonders die Weizen-, Roggen und Wintergerstenflächen haben zugenommen (teilweise bis 15 oder 20 Prozent). Auch wenn die Wasserdefizite aus 2018 in Deutschland und Polen nicht vollständig ausgeglichen werden konnten, haben die Niederschläge und kühlen Temperaturen im Mai und der ersten Junihälfte eine gute Bestandsentwicklung ermöglicht. Dies spiegelt sich auch in den Ernteschätzungen für Europa von Anfang Juni wider. Die extreme Hitze der vergangenen Tage und die aktuellen Wetterberichte für die kommenden Tage lassen auf den leichten Böden in Nord- und Ostdeutschland erneut Befürchtungen über regionale Mindererträge aufkommen, die allerdings nicht so gravierend wie im Sommer 2018 ausfallen dürften. Insgesamt betrachtet erwarten wir für die EU kein fundamentales Mengenrisiko, regional aber auch nicht die Erträge, die noch vor vier Wochen geschätzt wurden. Bei anhaltend hohen Temperaturen wächst die Gefahr, dass der Anteil an Schmacht- und Kümmerkorn steigen kann. Das Qualitätsrisiko bleibt insgesamt – wie immer – bis zum Erntebeginn bestehen. Die vieldiskutierte Proteinproblematik aus den Restriktionen der neuen Düngeverordnung in Deutschland und den Folgen des Trockensommers 2018 wird wahrscheinlich auf den tiefgründigen Standorten in diesem Jahr ihre ersten Auswirkungen zeigen.

Wie schätzen Sie die Situation in den Nachbarländern ein?

In unseren europäischen Nachbarländern wächst ebenfalls eine gute Ernte heran. Der größte Getreide-Erzeuger der EU – Frankreich – hatte insgesamt in 2018 und 2019 nicht mit den Trockenheitsproblemen zu kämpfen wie Deutschland und der baltische Raum. Die ersten Druschergebnisse der Wintergerste in Südwest-Frankreich zeigen sehr gute Qualitäten, ein niedriges Protein bei Winterbraugerste und sehr hohe Sortierungen und Hektolitergewichte. Diese Faktoren lassen hohe Erträge vermuten. Beim Weizen steuert Frankreich auf die zweithöchste Ernte der Geschichte zu. Dänemark und Schweden hatten in der zurückliegenden Periode optimale Bedingungen mit sehr guten Niederschlägen, sodass die Defizite aus der Jahrhunderttrockenheit des vergangenen Jahres mehr als ausgeglichen werden konnten. Auch hier wie in den baltischen Staaten werden die Mengen der kommenden Ernte zweistellige Zuwachsraten bringen. Und unsere Hauptwettbewerber im internationalen Markt, die Anrainerstaaten der Schwarzmeerregion, erwarten gleichfalls Zuwächse in 2019, die im Falle der Ukraine sogar neue Rekorde für Weizen und Mais erreichen können.

Was bedeutet das für die Getreideversorgung 2019/2020?

Die Versorgungslage in der kommenden Kampagne in Deutschland, der EU und insgesamt auch weltweit ist gut bis sehr gut. Beim Weizen erwarten die Analysten weltweit neue Rekordbestände, die bei über 290 Millionen Tonnen landen können und bei den aktuellen Verbrauchszahlen für rund vier bis fünf Monate reichen. Auch bei Gerste und Mais wird eine gute Versorgungslage gesehen, und dies trotz der verminderten Aussaatflächen in den USA. Denn der dort erwartete Ernterückgang gegenüber den Vorschätzungen wird durch eine Rekordernte an Mais in Südamerika mehr als ausgeglichen.
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