(Mynewsdesk) Innsbruck/München. In SOS-Einrichtungen wie dem Biwak in der Nähe von Innsbruck kümmert sich SOS um minderjährige Flüchtlinge, die alleine ohne Eltern und Angehörige geflüchtet sind. Die meisten sind durch schlimme Erlebnisse auf der Flucht traumatisiert. Efendi Onay ist der pädagogische Leiter der SOS-Einrichtung. Im Interview erzählt er, wie SOS die Jugendlichen betreut und ihnen hilft, schlimme Fluchterlebnisse zu verarbeiten.
Herr Onay, wie viele Jugendliche wohnen gerade im Biwak?
Zurzeit leben 14 jugendliche Flüchtlinge in unserer betreuten Wohngemeinschaft. Sie sind zwischen 12 und 16 Jahre alt und kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Iran oder dem Irak. Bei uns bekommen sie zum einen eine umfassende Betreuung. Zum anderen bekommen die Jugendlichen genug Freiraum für eine Privatsphäre. Das ist etwas, was sie in den Massenlagern, in denen viele vorher waren, nicht hatten.
Wie sehr beschäftigen die Jugendlichen noch die Erlebnisse auf der Flucht?
Die Flucht ist bei den meisten allgegenwärtig. Die Jugendlichen, die zu uns kommen, haben schlimme Erlebnisse hinter sich. Sie haben wochenlang die größten Ängste erfahren. Mit Schleppern waren sie mehrere Wochen unterwegs, wurden z. B. in Kleintransportern auf engstem Raum mit vielen anderen Flüchtlingen zusammengedrängt transportiert. Und immer in ständiger Angst, von der Polizei gestoppt zu werden. Viele haben davon heute noch Schlafstörungen. Ein anderer Jugendlicher hat Angst vor fließendem Wasser, weil ihn das an die Überfahrt erinnert. Wir versuchen sie am Anfang nicht auf die Flucht anzusprechen, sondern geben ihnen erst einmal Zeit sich bei uns einzugewöhnen. Wenn die Jugendlichen jetzt die Nachrichten im Fernsehen schauen, kommen die ganzen Ängste und Gefühle wieder hoch. Besonders auch die Sorgen um Freunde und Verwandte, die noch auf der Flucht sind. Wir versuchen ihnen Halt zu geben mit vielen Gesprächen. In besonders schweren Fällen können die Jugendlichen auch eine professionelle psychologische Betreuung bekommen.
Unter welchen Erfahrungen leiden die Jugendlichen besonders?
Viele haben nahe Freunde oder Verwandte auf der Flucht sterben sehen. Einige Jugendliche wurden geschlagen oder auch missbraucht. Auch tagelang mit kaum Essen und Trinken zusammengepfercht mit dutzenden anderen Flüchtlingen in einem kleinen Boot auf dem Mittelmeer unterwegs zu sein, hat Spuren bei vielen hinterlassen. Ein Jugendlicher konnte nach so einer Überfahrt drei Tage kaum gehen, weil er auf so engem Raum tagelang eingezwängt war. Ein anderer ist mit 13 anderen Freunden aus seinem Heimatdorf in Somalia aufgebrochen. Er war der einzige, der es bis nach Europa geschafft hat. Alle anderen sind während des beschwerlichen Weges gestorben. Das sind Schicksale, die ein junger Mensch nur sehr schwer verkraften kann.
Wie versucht SOS den Jugendlichen bei der Eingewöhnung in das neue Leben noch zu helfen?
Alle Jugendlichen bekommen Deutschunterricht und besuchen nach einer Eingewöhnungszeit auch die Schule. Es ist absolut notwendig, dass sie so schnell wie möglich Deutsch lernen. Außerdem stehen gemeinsame Aktivitäten, wie gemeinsames Kochen oder auch Ausflüge auf dem Programm. Sie sollen möglichst schnell die Gegend und die Leute kennenlernen. Dazu gehört auch, dass sie Sport in einem örtlichen Verein treiben. Viele spielen z. B. Fußball und haben sich schon mit anderen Jugendlichen angefreundet. Die Jugendlichen träumen von einer guten Arbeit und einer eigenen Familie. Es ist sicherlich kein einfacher Weg, der vor den Jugendlichen liegt. Aber wir unterstützen sie dabei, wo wir nur können.
Dazu 2 Bilder:
BU Bild 1:
Der SOS-Pädagoge Efendi Onay zusammen mit jugendlichen Flüchtlingen aus der SOS-Wohngemeinschaft BIWAK.
BU Bild 2:
Jugendliche Flüchtlinge aus dem BIWAK beim Fußballspielen in der Nähe von Innsbruck. Viele der Jungen aus der SOS-Wohngemeinschaft spielen Fußball in den örtlichen Vereinen.
München, 13.10.2015
Weitere Informationen:
Louay Yassin
Pressesprecher
SOS-Kinderdörfer weltweit
Tel.: 089/179 14-259
E-Mail:louay.yassin@sos-kd.org
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Die SOS-Kinderdörfer sind eine unabhängige soziale Organisation, die 1949 von Hermann Gmeiner ins Leben gerufen wurde. Seine Idee: Jedes verlassene, Not leidende Kind sollte wieder eine Mutter, Geschwister, ein Haus und ein Dorf haben, in dem es wie andere Kinder in Geborgenheit heranwachsen kann. Aus diesen vier Prinzipien ist eine global agierende Organisation entstanden, die sich hauptsächlich aus privaten Spenden finanziert. Sie ist heute mit 550 Kinderdörfern und mehr als 1.800 SOS-Zusatzeinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Jugendeinrichtungen, Ausbildungs- und Sozialzentren, Krankenstationen, Nothilfeprojekte und der SOS-Familienhilfe in 133 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen die SOS-Kinderdörfer etwa 1,5 Millionen Kinder und deren Angehörige.
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