Seit dem 6. Juli 2017 ist das Entgelttransparenzgesetz in Kraft. Doch hat das Gesetz – abgesehen von einem legitimierten Auskunftsanspruch zu den betrieblichen Entgeltstrukturen seit 2018 – berufstätigen Frauen tatsächlich zu mehr Lohngerechtigkeit und Gleichbehandlung verholfen? Tara O”Sullivan, Top Managerin bei Skillsoft, zieht eine erste Bilanz und zeigt wichtige Maßnahmen für Unternehmen auf.
Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich der Gender Pay Gap (GPG), also die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede, in den letzten 10 Jahren kaum verändert: 2006 lag der Verdienst von Frauen in Deutschland rund 23 Prozent unter dem von Männern in gleichen Positionen, Ende 2016 waren es noch 21 Prozent. Zum Vergleich: in 33 OECD-Ländern verdienen Frauen im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer, wie der aktuelle “Women-in-Work” Index 2018 von PwC ergab.
Ähnlich eingeschränkt sind die Fortschritte beim Frauenanteil in Führungspositionen: Aus dem Bericht der Europäischen Kommission zum Weltfrauentag 2017 geht hervor, dass Deutschland mit einem Anteil von 22 Prozent von Frauen in Führungspositionen im europäischen Vergleich einen der hintersten Plätze belegt. Hinzu kommt, so der Bericht, dass jene Frauen in Führungspositionen in der EU im Schnitt sogar 23,4 Prozent weniger verdienen als männliche Führungskräfte in gleichen Positionen – eine noch größere Differenz als 2006. Hat das Gesetz versagt? Werden die gesetzlichen Bestimmungen von Unternehmen ignoriert? Oder sind am Ende die Frauen selbst schuld an ihrer Situation?
“Ich glaube, gesetzliche Vorgaben und gesellschaftlicher Druck sind wichtige Kriterien, um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu bereinigen – aber auch die Unternehmen und die Frauen selbst sind gefragt”, ist Tara O”Sullivan überzeugt. Als Chief Creative Officer von Skillsoft und SumTotal ist sie das kreative Mastermind eines der weltgrößten Anbieter digitaler Lern- & Talent Management-Systeme und damit maßgeblich mitverantwortlich für den globalen Erfolg der Unternehmensgruppe.
“Frauen müssen beispielsweise in Gehaltsfragen besser verhandeln”, gibt die Top-Managerin, die sich seit ihrer Jugend aktiv für Frauenrechte engagiert, zu bedenken. “Frauen neigen dazu, Job- und Gehaltsofferten einfach anzunehmen. Während Männer meist offensiv bei Gehalt, Urlaub und anderen Leistungen verhandeln, glauben viele Frauen absurderweise, sie könnten dadurch zu unverschämt wirken. Dabei ist ein ausgeprägtes Verhandlungsgeschick in vielen Positionen heute eine essenzielle Fähigkeit, die Arbeitgeber bei der Besetzung neuer Stellen einfordern und schätzen.”
Fünf Schritte, die Gleichstellung im Unternehmen fördern
Neben dem gesetzlichen Verbot einer Gehalts-Differenzierung aus geschlechtsspezifischen Gründen sind Unternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern seit dem 1. Januar 2018 gesetzlich verpflichtet, auf die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Entgelt, Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten hinzuarbeiten sowie über den Stand der Gleichstellung zu berichten.
Doch was sind geeignete Maßnahmen? Frau O”Sullivan empfiehlt Unternehmen, 5 kritische Punkte besonders zu verfolgen:
1. Ungleichbehandlung analysieren
Unternehmen, die Entgeltstrukturen in ihrer Organisation aktiv offenlegen, können viel gewinnen. Durch Analyse und Quantifizierung geschlechtsspezifischer Lohndifferenzen erlangen Unternehmen ein umfassendes Verständnis über die Ursachen, die zum Lohngefälle beigetragen haben. Auf dieser Grundlage können sie unbewusste Vorurteile oder gar bewusst entwickelten Strategien, die zu Ungleichbehandlung und Lohnungerechtigkeit geführt haben, gezielt entgegentreten.
2. Bewusstsein schärfen
Um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu verringern, sollten Entscheidungsträger, die in den Lohn- und Beförderungsprozessen involviert sind, Trainings zum Abbau bewusster und unbewusster Vorurteile absolvieren. Die Führungskräfte müssen ein Bewusstsein für Diversität in ihrem Unternehmen entwickeln, einschließlich Frauen in Führungspositionen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass nicht nur Lohnerhöhungen an diejenigen vergeben werden, die forsch darüber verhandeln – üblicherweise sind das weit mehr Männer.
3. Einstellungspraktiken überdenken
Im Durchschnitt wird Frauen für dieselbe Position weniger Gehalt als Männern angeboten. Um dieses geschlechtsspezifische Lohngefälle abzubauen, müssen Frauen und Männer im Einstellungsprozess von Beginn an gleichgestellt werden. Bei Einstiegsgehältern sollte daher auf variable Gehaltsmodelle verzichtet werden. Vielmehr ist die Gehaltshöhe eines Mitarbeiters einzig auf der Grundlage seiner Fähigkeiten und seines Fachwissens zu berechnen und nicht aufgrund seines bisherigen Gehalts, das möglicherweise durch Verzerrungen oder Ungerechtigkeiten bei früheren Arbeitgebern erzielt wurde.
4. Nachfolge mit weiblichen Führungskräften planen
Laut einem aktuellen Skillsoft Whitepaper beklagen 92 Prozent der berufstätigen Frauen das Fehlen weiblicher Führungskräfte, 71 Prozent beklagen zudem unzureichende Unternehmensstrategien zur Entwicklung weiblicher Führungskräfte. Unternehmen, die anhand ihrer GPG-Analyse feststellen, dass Führungspositionen mehrheitlich von Männern besetzt sind und das Lohngefälle groß ist, sollten unbedingt eine konsequente Strategie zur Nachfolgeplanung entwickeln, um künftig eine bessere Ausgewogenheit in der Besetzung ihrer Führungsriege zu erreichen.
5. Best Practice erfolgreicher Unternehmen adaptieren
Zahlreiche Initiativen, wie z.B. die internationale Paradigm for Parity Bewegung, wurden von Unternehmen initiiert, die hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz eine Vorreiterrolle eingenommen haben. Coca Cola, Bloomberg, Skillsoft und viele andere Pioniere in diesem Umfeld haben die Paradigm for Parity-Richtlinien unterzeichnet. Diese Bewegungen zeigen die Produktivitätsvorteile auf, die Unternehmen mit einer vielfältigeren Belegschaft und Frauen in Führungspositionen erzielen können. Darüber hinaus bieten sie Impulse, Handlungsempfehlungen und Best Practice, wie das geschlechtsspezifische Lohngefälle eingedämmt und wahre Gleichstellung in einem Unternehmen geschaffen werden können.
“Women in Action” – Aktive Förderung von Frauen mit Lernangeboten
Neben einer Verstärkung der gesetzlichen Vorgaben und entsprechenden Prüfverfahren ist die aktive Förderung aller Mitarbeiter im Unternehmen aus Sicht von Tara O”Sullivan der wichtigste Schritt, um die Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern in gleichwertigen Positionen abzuschaffen.
Skillsoft hat zu diesem Zweck beispielsweise das Studienprogramm Women in Action entwickelt. Das Lernangebot besteht aus Videos, Büchern, Leitfäden und Aktivitäten, die Frauen dabei helfen können, in Führungsrollen hineinzuwachsen, ihre Fähigkeiten und Erfolge besser zu vermarkten und Vorurteile in ihren Organisationen zu überwinden.
“Für Frauen bedeuten Jobs und Karrieren in Branchen, die traditionell von Männern dominiert sind, nach wie vor eine große Herausforderung”, resümiert Tara O”Sullivan. “So sind beispielsweise viele Technologieunternehmen designierte Männer-Clubs. Sie neigen dazu, diejenigen anzuwerben, die sie aus stereotypen Identifikationsmustern erkennen, und diese unbewusste Voreingenommenheit behindert Frauen in ihrer gesamten Karriereentwicklung.”
“Es geht bei Gleichstellung nicht darum, mehr wie ein Mann zu sein, sondern mit den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen”, lautet der abschließende Rat der Managerin an alle Frauen im Job.
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