Ein Beitrag von Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.
Betriebskostenabrechnung mit Nachzahlung
Zum Jahresende bekommen viele Mieter ihre Betriebskostenabrechnungen. Da die Betriebskosten regelmäßig steigen, enthalten die Abrechnungen oft Nachforderungen. Gleichzeitig erhöht der Vermieter regelmäßig auch die monatlichen Vorauszahlungen. Mieter, die die Nachforderung nicht akzeptieren wollen, müssen innerhalb einer angemessenen Prüfungsfrist von 2-4 Wochen die Einwände dem Vermieter mitteilen. Wirksam können Einwände noch innerhalb eines Jahres nach Zugang der Abrechnung erhoben werden, allerdings muss der Mieter schon nach Ablauf der Prüfungsfrist befürchten, dass der Vermieter Klage auf Zahlung erhebt. Die Frage ist regelmäßig, ob der Mieter darüber hinaus auch noch eine Kündigung wegen Zahlungsrückstandes befürchten muss.
Kündigung wegen Nichtleistung des Nachzahlungsbetrages nur in Ausnahmefällen wirksam
Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.
Die Formulierung der Vorschrift deutet der überwiegenden Ansicht der Experten nach darauf hin, dass hier nur die regelmäßigen Mietzahlungen, also die Nettomiete und die Vorauszahlung auf die Betriebskosten und eventuelle Mehrwertsteuer oder sonstige regelmäßige Zahlungen, gemeint sind.
Klargestellt hat der Bundesgerichtshof, dass jedenfalls die im Rahmen der Betriebskostenabrechnung erhöhten Vorauszahlungen mit in die Berechnung eines kündigungsrelevanten Zahlungsrückstandes einbezogen werden. Der Vermieter muss nicht zunächst auf die Zahlung der erhöhten Betriebskosten klagen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2012 – VIII ZR 1/11 -, juris).
Teilweise wird aus diesem Urteil darauf geschlossen, dass auch die Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen mit in die Berechnung des kündigungsrelevanten Zahlungsrückstandes einfließen können. Der Inhalt des Urteils gibt dies nicht her.
Dazu eine ältere Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz: Nachforderungen aus der jährlichen Nebenkostenabrechnung sind nicht Mietzins im Sinne des § 554 BGB (Vorläufer von § 543 BGB). Gerät der Mieter mit der Zahlung dieser Entgelte in Verzug, ist der Vermieter nicht zur fristlosen Kündigung befugt (OLG Koblenz, Rechtsentscheid in Mietsachen vom 26. Juli 1984 – 4 W-RE 386/84 -, juris).
So auch das Landgericht Köln: Zahlungsverzug des Mieters mit einer sich aus der Nebenkostenabrechnung ergebenden (erheblichen) Betriebskostennachzahlung rechtfertigt keine Mietvertragskündigung nach BGB § 554. Diese Vorschrift findet ausschließlich Anwendung auf laufende, vom Mieter periodisch wiederkehrend geschuldete Zahlung wie Mietzins und Nebenkostenvorauszahlungen; nicht erfaßt sich sämtliche einmaligen Zahlungspflichten (LG Köln, Urteil vom 11. Februar 1994 – 6 S 211/93 -, juris).
Und auch das Landgericht Hamburg: Der Begriff des “Mietzinses” in BGB § 554 Abs 1 ist eng auszulegen. Zum Mietzins iS dieser Vorschrift zählen grundsätzlich nur die laufenden monatlichen Zahlungen einschließlich der Zahlungen für Nebenkosten (LG Hamburg, Urteil vom 04. September 1992 – 311 S 116/92 -, juris).
Es gibt allerdings auch Gerichte, die eine Kündigung nicht völlig ausschließen, so zum Beispiel das OLG München (für Pachtverhältnis):
Abzüge von einer Pachtnebenkostennachzahlung bilden einen Grund zu einer fristlosen Kündigung nach BGB § 554a nur dann, wenn zur Nichtzahlung besondere Umstände hinzutreten, die die Fortsetzung des Pachtverhältnisses für den Verpächter unzumutbar machen … Anders als bei laufenden Mietzahlungen, sind an die Nichtzahlung einer Nebenkostenabrechnung als Kündigungsgrund strenge Voraussetzungen zu stellen. Dem Pächter ist es grundsätzlich unbenommen, die Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung zu bestreiten und hiervon Abzüge zu machen. Eventuelle Streitigkeiten hieraus sind grundsätzlich in einem Prozeß über die Berechtigung der Nebenkostennachforderung auszutragen. Nur wenn darüber hinausgehende Umstände vorliegen würden, die gerade die Nichtzahlung eines Teilbetrags der Nebenkostenabrechnung als schwere, für den Verpächter unzumutbare Vertragsverletzung erscheinen lassen würden, könnte hierdurch eine fristlose Kündigung nach § 554 a BGB gerechtfertigt sein (OLG München, Urteil vom 28. Februar 2001 – 3 U 5169/00 -, juris) (OLG München, Urteil vom 28. Februar 2001 – 3 U 5169/00 -, juris).
Das Oberlandesgericht München hat denn der Entscheidung aber offen gelassen, welche wichtigen Gründe dies konkret sein können. Es hat im Übrigen angedeutet, dass die Rückstände bei der Nachzahlung mindestens so hoch sein müssten, wie der für eine fristlose Kündigung notwendige rückständigen Mietzins.
Fazit: Kündigung wegen der Nichtzahlung der Nachforderung wohl nur in Extremfällen wirksam, Risiko aber nicht unbeachtlich.
Jedenfalls dann, wenn der Mieter berechtigte Einwände gegen die Nachforderung hat bzw. Einwände die nicht von vornherein unhaltbar erscheinen, ist eine erfolgreiche Kündigung wenig wahrscheinlich.
Fachanwaltstipp Vermieter:
Unter Berücksichtigung der derzeitigen Rechtsprechung scheint die Erfolgsaussicht einer auf die Nichtzahlung der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung gestützten Kündigung gering.
Fachanwaltstipp Mieter:
Auch wenn der Vermieter wenig Aussichten hat, eine solche Kündigung wirksam durchzubringen. Ein Restrisiko bleibt, so dass die Kündigung gerade dann, wenn sie für den Mieter sehr nachteilig wäre (etwa weil es sich um eine sehr günstige Wohnung handelt oder im Bereich Gewerberaummietrecht viele Investitionen getätigt wurden), eine erhebliche Drohkulisse aufbauen kann. Jedenfalls in solchen Fällen sollte die Betriebskostenabrechnung zeitnah nach Zugang, möglichst innerhalb einer Woche substantiiert und detailliert angegriffen und Einsicht in die Belege verlangt werden. Dadurch wird auch das Restrisiko extrem minimiert.
5.12.2014
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