„Wir sind zwar dem Krieg ausgeliefert, nicht aber unseren Ängsten!“

„Wir sind zwar dem Krieg ausgeliefert, nicht aber unseren Ängsten!“

In den letzten Tagen sind die Anfragen an die Selbsthilfeinitiative zu Phobien, Zwängen und Depressionen im Landkreis Konstanz sprunghaft angestiegen. Wie der Leiter des ehrenamtlichen Angebots mitteilt, erreichten ihn zahlreiche Fragen von Hilfesuchenden, die mit der schrecklichen Situation in der Ukraine nicht fertig würden: „Die Bilder der Inhumanität belasten auch die Seelen der Deutschen, die zwar nicht unmittelbar vom Konflikt betroffen seien, sich aber besonders vor einer Ausdehnung der Gewalt auf Europa oder die Welt fürchteten“, sagt Dennis Riehle, der weiter ausführt: „Nach zwei Jahren Pandemie sind die Menschen erschöpft. Obwohl in Sachen Corona ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen war, stürzen wir nun direkt in die nächste Hoffnungslosigkeit. Es ist verständlich, wenn Menschen angesichts dieser Herausforderungen der Zeit verzweifeln und entmutigt sind“, meint der 36-Jährige, der seit vielen Jahren selbst psychisch erkrankt ist. „Schlussendlich sind wir zwar diesem Krieg ausgeliefert und stehen den unerträglichen Impressionen von Schmerz und Leid hilflos gegenüber. Aber gegenüber unseren Ängsten sind wir keinesfalls machtlos“, erklärt Riehle, der insbesondere auf die Konzepte der Kognitiven Verhaltenstherapie verweist: „Das wichtigste Element der Angstbewältigung ist neben dem Respekt und der Anerkennung unserer Gefühle der Versuch, den übersteigerten Emotionen mit Rationalität zu begegnen und sie durch Argumente zu relativieren“, führt der gelernte Psychologische Berater aus.

Er untermauert Beispiele für dieses Vorgehen: „Wichtig sind im Augenblick insbesondere seriöse Informationen und fachkundige Einschätzungen. Wir sollten uns nicht allein von den dramatischen Schlagzeilen leiten lassen, sondern insbesondere Einordnungen von Experten konsumieren, die die Lage in ein unaufgeregtes Bild zurückholen. Daneben ist es entscheidend, durch Aktivität der scheinbaren Lähmung entgegenzuwirken. Ob wir nun durch konkrete Hilfe für die Ukraine durch Spenden oder Unterstützung für die Flüchtenden tätig werden – oder trotz des Krieges bewusst Pausen von den Nachrichten in den Alltag einbauen, in denen wir wieder unseren gewohnten Hobbys und geliebten Freizeitbeschäftigungen nachgehen: Elementar ist es dabei, uns den Glaubenssatz bewusst zu machen, dass wir als Einzelperson nicht an der Situation schuld sind und deshalb auch das eigene Recht haben, ohne Selbstvorwürfe einer Ablenkung nachzugehen. Es ist selbst in diesen Zeiten keinesfalls verboten, sich zu freuen oder zu lachen. Mit einer Kasteiung helfen wir den Menschen in der Ukraine eben nicht“.

„Und wir schaden gleichzeitig unserer eigenen Psychohygiene. Das kann nicht das Ziel von einer berechtigten und angemessenen Rücknahme von übermäßiger Ausgelassenheit und einem moralisch wie ethisch sicherlich notwendigen Respekt gegenüber Tod und Zerstörung sein“, erläutert Riehle und ermutigt deshalb auch: „Suchen Sie sich Gesprächspartner, um Ihre Gedanken auszuformulieren und sich von der Seele zu reden. Oftmals sind wir in einer Schockstarre, die uns gehandicapt zurücklässt. Entscheidend ist jetzt, dass wir Herr über unser eigenes Leben bleiben und es nicht der Macht der Propaganda überlassen“, sagt der Gruppenleiter abschließend und bietet Hilfesuchenden auch überregional Beratung per Mail an. Er kann unter der Adresse info@selbsthilfe-riehle.de erreicht werden und steht bei Fragen zu Angst, Deprimiertheit und Sorgen zur Verfügung. Datenschutz und Verschwiegenheit werden zugesichert. Das Angebot ist für alle Anfragenden kostenlos.

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