(ddp direct) “Der Bau von Seewindanlagen weit draußen und tief im Meer stellt sich immer mehr als ein ökonomischer und technologischer Irrläufer heraus.” Mit drastischen Worten formuliert Holger Krawinkel, Energieexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband seine Kritik am Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee (Offshore). Vor dem Hintergrund der Diskussion um eine „Strompreisbremse“ plädiert auch die Stadtwerke Union Nordhessen (SUN) für einen deutlich gebremsten Ausbau der Offshore-Windenergie: „Mit der Windenergie im Binnenland (Onshore) gelingt der Umstieg auf eine regenerative Stromversorgung. Die Verbraucher müssen geringere Kosten tragen und haben zugleich die Möglichkeit, zu profitieren,“ so Geschäftsführer Martin Rühl.
Windenergieanlagen im Binnenland produzieren erneuerbaren Strom wesentlich günstiger als Windparks auf dem Meer. Moderne Binnenlandanlagen mit großen Nabenhöhen und großen Rotoren erzeugen bereits bei geringen Windgeschwindigkeiten erfolgreich Strom. Zeiten, in denen sich die Räder nicht drehen, sind in den Mittelgebirgen daher selten geworden. Damit steht einem geringen Mehrertrag der Offshoreanlagen ein deutlicher Investitionskostennachteil gegenüber. Aufgrund der technischen Herausforderungen und Unwägbarkeiten auf See liegen die speziellen Investitionskosten der Offshoreanlagen bei dem zwei bis dreifachen vergleichbarer Binnenlandanlagen. Das spiegelt sich auch in den erforderlichen Vergütungssätzen nach EEG wieder: So ist der Windstrom auf See mit bis zu 19 ct/kWh mehr als doppelt so teuer wie der Strom aus heimischen Binnenlandwindkraftwerken, der aktuell nur mit 9,2 ct/kWh vergütet wird. Die daraus entstehenden Mehrkosten schlagen sich vor allem für die Haushaltskunden in einem höheren Strompreis nieder. Wer es also ernst meint mit der Strompreisbremse, sollte diese Zusammenhänge nicht verschweigen.
„Die Bürgerinnen und Bürger können aber auch direkt von den Windparks in der Region profitieren,“ so Martin Rühl. „Alle sechs Stadtwerke in der SUN haben einstimmig beschlossen, dass wir Bürgergenossenschaften und Kommunen direkt an unseren Windparks beteiligen wollen.“ Zwischenzeitlich haben sich in der Region neun bürgerliche Energiegenossenschaften gegründet, zuletzt im März die Bürgerenergiegenossenschaft in Kassel. Weitere Genossenschaften sind in vielen Städten in Vorbereitung. „ Über diese Genossenschaften in Verbindung mit regionalen Windprojekten können die Menschen vom Ausbau der Erneuerbaren Energien direkt profitieren,“ so Martin Rühl. „Es ist eine Investition, die sich für jeden einzelnen rechnet. Und für die Region insgesamt.“ Viele Millionen Euro Wertschöpfung für Nordhessen wollen die Stadtwerke, die sich zur SUN zusammengeschlossen haben, generieren, unter anderem indem sie Arbeitsplätze schaffen, das Steueraufkommen für die Kommunen erhöhen und Bürger und Gemeinden an Erträgen beteiligen.
Diese zahlreichen Vorteile können Offshore-Windkraftanlagen derzeit nicht bieten. „Dass Offshoreanlagen langfristig doch einen Teil der zukünftigen Energieversorgung bereitstellen können, ist nicht auszuschließen. Allerdings,“ so Martin Rühl, „sollten vor einem großflächigen Ausbau eine deutliche Preisdegression abgewartet werden.“ Der Ausbau von Windenergieanlagen im Binnenland ist demgegenüber weitgehend ausgereift, erprobt und deutlich günstiger. Nach einer aktuellen Studie des Berliner Think Tanks „AGORA Energiewende“ lassen sich durch einen verstärkten Ausbau der Photovoltaik und Windenergie im Binnenland gegenüber einem verstärkten Ausbau von Offshorewind bis zu zwei Milliarden Euro jährlich einsparen.
Natürlich weiß auch Rühl, dass Windräder im Mittelgebirge nicht jedermanns Geschmack treffen. Doch: „Der Ausbau zur See kann den Ausbau an Land nicht ersetzen.“ Das mag für den einen oder anderen subjektiv empfundene Nachteile bedeuten, vor allem aber bringt es nachvollziehbare Vorteile, neben dem ökologischen Aspekt insbesondere regionale Wertschöpfung, und Kostenersparnis. Für Rühl steht daher fest: „Die beste Strompreisbremse ist eine regionale Gestaltung der Energiewende.“
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