Wie kann ich das evidenzbasiert verhindern oder in den Griff bekommen?
Das vordere Kreuzband (VKB) ist unabdingbar für die Funktion eines unserer wichtigsten Gelenke: das Knie. Im intensiven Training bestimmter Sportarten oder auch durch Unfälle im Alltag kann das VKB reißen. Ist es dann von den Ärzten wieder hergestellt und reißt erneut – reden die Mediziner von einer Re-Ruptur. Diese betrifft häufig die jüngsten Patienten. Bis zu 30 Prozent aller unter 18-Jährigen erleiden eine erneute Ruptur des VKB, manche sogar mehrfach. Welches die Gründe und individuellen Risikofaktoren sind und wie man dieses Problem in den Griff bekommt – darüber referiert Prof. Dr. med. Mirco Herbort, Kniechirurgie und Sportorthopädie an der OCM-Klinik München, auf dem 34. BVASK-Kongress vom 2. bis 3. Februar im Düsseldorfer Medienhafen.
“Das Risiko einer VKB-Re-Ruptur ist extrem abhängig vom Alter. Je jünger, desto höher ist die Gefahr”, erklärt Herbort. Dabei spielen unter anderem ein höheres Aktivitätsniveau und risikoreiche Sportarten eine Rolle, vor allem Handball, gleich gefolgt vom Fußball. Bei Mädchen und Frauen ist das Risiko einer VKB-Ruptur generell höher als bei Jungen und Männern.
Inzwischen weiß man, so Herbort, dass individuelle Risiko-Faktoren in den Gelenken verantwortlich für solche wiederholten Risse sind. Früher hat man nur versucht die VKB OP selbst zu optimieren. Aber dies allein war zum Teil ein Irrweg. Seit wenigen Jahren weiß die Medizin, dass auch die Neigung des Unterschenkels einen entscheidenden Einfluss darauf haben kann. Der Normwert des schräg nach hinten runterverlaufendem Unterschenkel liegt bei 7-8 Grad. Bei den betroffenen Patienten sind jedoch Abweichungen bis zu über 20 Grad zu beobachten. Diese Patienten haben eine Knochenanomalie, die eine Schubbewegung des Unterschenkels nach vorn verursacht. Das vordere Kreuzband muss das verhindern, auf ihm lastet dann ein Zug bis zum 5fachen. So ziehen bei jeder Aktivität viel zu hohe Kräfte am Band – bis es reißt oder nach einer VKB OP nicht richtig einheilen kann.
In der Veterinärmedizin hat man das Problem schon früher erkannt. Denn Hunde als Vierbeiner beispielsweise stehen angeborenerweise viel steiler im Unterschenkel. Sie bekommen kein neues Kreuzband, sondern es wird der Knochen durchtrennt, die Neigung etwas begradigt. Somit kann der Hund auch ohne Kreuzband wieder regelhaft laufen.
Herbort: “Ähnlich machen wir es jetzt auch. Bei den Patienten wird ein kleiner Keil rausgesägt, das Knie vorne etwas zugeklappt und eine Platte darauf fixiert. Dies ist vom Eingriff zum Teil weniger einschränkend als eine Kreuzband-OP. Jedes Grad, was ich verändere, macht als Nebeneffekt die Streckung des Kniegelenkes besser. Bei der Kreuzband-OP dagegen entsteht oft ein Streck-Defizit, was wiederum ein Arthrose-Risiko mit sich bringt und somit zusätzlich behandelt werden kann.”
Angelehnt an den Begriff “Slope” (= Neigung des Unterschenkels), wird dieses Verfahren als “Slope-Korrektur-Osteotomie” bezeichnet. Sie kann bei Patienten von 16-18 Jahren (Wachstumsabschluss) an bis hin zu über 50Jährigen angewandt werden. Bereits nach 4 bis 6 Wochen ist alles angeheilt – und der Patient darf ohne Krücken belasten. Nach 10-12 Wochen kann meist sogar aufbauend wieder mit dem Sport begonnen werden.
BVASK-Kongress 02.-03. Februar 2024, Düsseldorfer Medienhafen
Der Berufsverband für Arthroskopie e.V. vertritt die fachlichen und politischen Interessen arthroskopisch tätiger Ärzte (Orthopäden und Chirurgen) in Deutschland. Ziel ist es, alle Patienten nach dem modernsten Stand der Medizin versorgen zu können.
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