Welcher Strom und welche Heizung?

Welcher Strom und welche Heizung?

Prof. Dr. Michael Schaub von der Hochschule Coburg erklärt den aktuellen Stand zu Heizung, Sanierung und Strom und gibt wertvolle Tipps zur Nutzung von Wärmepumpen.

Bild_Beim Thema Heizung, Sanierung und Strom herrschen Unmut und Resignation in der Gesellschaft. Den aktuellen Stand kann Prof. Dr. Michael Schaub erklären. Er lehrt und forscht seit dem Sommersemester 2023 an der Fakultät Design der Hochschule Coburg im Bereich Energieeffiziente Gebäudetechnik. Zuvor war der 34-jährige in der Technologie-Vorentwicklung und Forschungskoordination für einen großen Heizungstechnik-Hersteller sowie als Teamleiter der Forschungsgruppe Heiz- und Kühlsysteme am Hermann-Rietschel-Institut der TU Berlin._

_Das Thema Heizung hat im vergangenen Jahr die Menschen verunsichert. Viele fragen sich, welche für sie die richtige ist oder ab wann sie zum Umrüsten gezwungen sind. Sie empfehlen Wärmepumpen?_

Prof. Dr. Michael Schaub: Ein defekter Öl- oder Gaskessel kann in den allermeisten Fällen auch in unsanierten Bestandsgebäuden problemlos durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Das ist erst seit einigen Jahren der Fall, nämlich seitdem Wärmepumpen mit dem Kältemittel Propan verfügbar sind. Diese können auch ausreichend hohe Temperaturen für den Weiterbetrieb von Heizkörpern liefern. Der weit verbreitete Wissensstand, dass eine Wärmepumpe nur mit Fußbodenheizung effizient funktioniert, ist überholt. Bei sehr großen Gebäuden kommt als Übergangslösung ein Hybridsystem, also eine Wärmepumpe in Kombination mit einem Öl- oder Gaskessel infrage. Die Wärmepumpe übernimmt dann etwa zwei Drittel des Heizens und der Kessel ergänzt an den ganz kalten Tagen. Dies verschafft Zeit, um die Gebäudesanierung nachzuholen und den Kessel dann stillzulegen.

_Wie viel kostet denn der Umstieg auf Propan-Wärmepumpe? _
Die Preise für Wärmepumpen unterlagen in den letzten zwei Jahren massiven Schwankungen. Für typische Einfamilienhäuser liegen die Angebotspreise aktuell je nach Region und Produkt häufig zwischen 35.000 und 45.000 Euro. Dies reduziert sich bei selbstgenutztem Wohneigentum in den meisten Fällen um eine Förderung von 16.500 Euro. Bei niedrigen Einkommen, wie zum Beispiel bei Rentnerinnen und Rentnern, sind derzeit bis zu 21.000 Euro Förderung möglich. In Mehrfamilienhäusern hängt die Förderhöhe unter anderem von der Anzahl der Wohneinheiten ab. In jedem Falle sollte der erste Schritt die Erstellung eines individuellen Sanierungsfahrplans durch einen Energieberater sein. Dann wird klar, in welcher Reihenfolge Heizungstausch und Sanierungsmaßnahmen technisch und wirtschaftlich am sinnvollsten sind.

_Der Wärmepumpen-Absatz soll zuletzt eingebrochen sein._
Das ist eine Frage der Perspektive. Gemäß den Absatzzahlen des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie wurden im Jahr 2024 in Deutschland etwa 46 Prozent weniger Wärmeerzeuger aller Art verkauft als im Jahr zuvor. Doch das Jahr 2023 muss als absolute Sonderkonjunktur mit besonders hohen Absatzzahlen betrachtet werden und auch in den Corona-Jahren 2022 und 2021 waren diese schon ungewöhnlich hoch. Der Heizungsmarkt ist in Deutschland im Wesentlichen ein Austauschgeschäft; das heißt, defekte Geräte werden ersetzt. Das waren in der gesamten letzten Dekade immer um die 700 Tausend Stück pro Jahr, in 2023 dann 1,3 Millionen. Kurz gesagt war durch Vorzugseffekte und Lagerhaltung ein Absatzjahr zu viel im Markt. 2024 lag der Absatz wieder bei gut 700 Tausend Stück. Es liegt also eher eine Normalisierung vor. Der Anteil der Wärmepumpen liegt mittlerweile bei rund 27 Prozent. Davon gehen etwa zwei Drittel in Bestandsgebäude.

_Wärmepumpen brauchen aber Strom und der ist teuer, oder? _
Tatsächlich ist der Strompreis in Deutschland aktuell ungefähr dreimal so hoch, wie der Gaspreis. Das macht den Effizienzvorteil der Wärmepumpe im un- oder teilsanierten Bestand wieder zunichte, sodass die Betriebskosten in etwa gleichbleiben. Neben den oft genannten Netzentgelten ist ein wesentlicher Grund dafür jedoch das Merit-Order-Prinzip, ein europaweites Steuerungsinstrument zur Strompreisbildung an der Börse. Dabei bestimmt das teuerste eingeschaltete Kraftwerk – das ist in der Regel Gas – den Preis für die gesamte Strommenge, auch wenn diese überwiegend aus erneuerbaren Quellen stammt und für einen Bruchteil der Kosten erzeugt wurde.

_Würde eine Verlängerung der Kohle-Verstromung helfen?_
Häufig ist zu hören, China baue für günstigen Strom im großen Stil neue Kohlekraftwerke. Gemäß der jüngsten Zahlen der Internationalen Energie Agentur waren das 2024 etwa 54 Gigawatt (GW). Ebenfalls baute China in 2024 jedoch etwa 277 GW Photovoltaik (PV) und rund 80 GW Windkraft hinzu. Damit nimmt China derzeit etwa alle sechs Monate so viel Windkraft und PV neu ans Netz, wie in Deutschland insgesamt vorhanden ist. Die Gründe dafür sind, dass Strom aus Wind und PV mangels laufender Brennstoffkosten um etwa das Zwei- bis Sechsfache günstiger ist als aus thermischen Kraftwerken. Außerdem gelingt der Zubau aufgrund der industriellen Fertigung der Komponenten im Vergleich zu Kraftwerks-Einzelbauten vielfach schneller und das Stromnetz wird aufgrund der dezentralen Struktur robuster. Grüner Strom ist also längst zum Standortfaktor geworden und langfristig der einzige Weg für günstige Strompreise und somit für den Erhalt der industriellen Wertschöpfung und des Wohlstands in Europa. Hinzukommt, dass in Deutschland allein das Fünftel des Stroms, das noch aus Kohle stammt rund die Hälfte der CO2-Emissionen des Strommix’ verursacht. Windkraft liefert bereits etwa ein Drittel des Stroms, verursacht dabei aber nur gut ein Prozent der Emissionen.

_Einige kritisieren, dass Windkraft und Photovoltaik nicht reichen, damit zu Hause immer die Heizung läuft (Stichwort Dunkelflaute). Reicht unser Stromnetz?_
Für die Energiewende ist der Netzausbau ein zentraler Baustein und zugleich eine Herkulesaufgabe. Zum einen sind massive Investitionen in Hochspannungs-Übertragungsnetze – auch “Stromautobahnen” genannt – erforderlich, um regionale Engpässe im europäischen Verbundnetz auszugleichen. Gleichzeitig müssen die Kapazitäten in den lokalen Verteilnetzen nahezu überall nachgerüstet werden, um die zusätzlichen Verbraucher und dezentralen Erzeuger anzuschließen. Aber: Neue Energie-Infrastruktur brauchen wir ohnehin! Das Ende der flächendeckenden Erdgasnetze in Deutschland ist absehbar. Unsere Importmöglichkeiten von Erdgas per Pipeline haben sich dramatisch verschlechtert und LNG kann schon wegen der enormen Verluste bei Verflüssigung und Transport keine Dauerlösung sein. Für den Wärmesektor bedeutet dies, dass wir gut 81 Prozent des Energiebedarfs neu organisieren müssen, da dieser Anteil noch immer aus fossilen Quellen stammt. Etwa 40 Prozent davon sind Prozesswärme, die sehr hohe Temperaturen erfordert und daher grüne Brennstoffe oder direkt-elektrische Lösungen benötigt. Der Wärmebedarf für Heizen und Trinkwarmwasser kann jedoch mithilfe von Wärmepumpen zu etwa zwei Dritteln unmittelbar am Ort des Bedarfs und zum Zeitpunkt des Bedarfs aus der Umwelt entnommen werden. Diese zwei Drittel müssen also weder transportiert noch gespeichert werden. Folglich reduziert sich die erforderliche Energie-Infrastruktur für diesen Technologiepfad auf ein Drittel, nämlich den Strom. Alle anderen Technologiepfade erfordern Infrastruktur für alle drei Drittel, da dann die gesamte Wärmemenge transportiert und gegebenenfalls gespeichert werden muss.

von Andreas T. Wolf

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