Wenn Abfall zum Antrieb wird
Was tun mit über 2 Milliarden Tonnen Müll, die jedes Jahr weltweit anfallen? Ein Großteil des Mülls wird nach wie vor auf Deponien und Halden gelagert, gelangt von dort oft in die freie Natur. Doch Müll wird zusehends als Ressource entdeckt. Und könnte einen wesentlichen Beitrag zum wachsenden Rohstoff- und Energiebedarf leisten.
Mülldeponien haben eine lange Geschichte: Bereits in der Antike entstand vor den Toren Athens die erste bekannte Müllhalde der westlichen Welt. Eine Entsorgungsform mit gravierenden Folgen für die Umwelt: Deponien verschmutzen nicht nur Boden und Grundwasser, sondern emittieren Methan, das als Treibhausgas rund 25-mal klimaschädlicher ist als CO2.
Abkehr: Von der Deponie zur Verwertung
Während in Deutschland schon seit 2005 ein Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle gilt, fordern das Entsorgungs- und Klimaexperten nicht nur europa-, sondern weltweit. Zu Deponien muss es jedoch Alternativen geben. “Ein Schlüssel hierzu liegt neben der Abfallvermeidung in der verstärkten Verwertung von Abfällen. Zur Verwertung zählen alle Maßnahmen zur Nutzung der im Abfall enthaltenen Wertstoffe bzw. Energiepotentiale”, schreibt das Umweltbundesamt. Genau um die Energiepotenziale geht es beim sogenannten Waste-to-Energy-Verfahren, das per thermischer Verwertung aus nicht oder nicht mehr recycelbaren Abfällen Wärme und Strom erzeugt – bisher ein unterschätzter Sekundärnutzen.
Wandel: Vom Entsorger zum Versorger
Steht bei der thermischen Abfallbehandlung traditionell die schadlose Beseitigung von Müll im Mittelpunkt, gewinnt ihr Nebeneffekt – die Erzeugung von Energie – zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung: Die Müllverwertungsanlagen sind meist regional angesiedelt, wodurch Abfallbeseitigung und Energieerzeugung auf kurzen Wegen erfolgt. Außerdem steigt die Effizienz der Anlagen, die beispielsweise durch den Einbau moderner Stromturbinen eine höhere Energieausbeute erzielen. Laut Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V. (ITAD) könnte die thermische Abfallverwertung hierzulande rund ein Drittel der Bevölkerung mit Wärme versorgen. Waste-to-Energy reduziert damit den Bedarf an primären, überwiegend fossilen Brennstoffen. Ein Beitrag zur Nachhaltigkeit und vor allem zur Versorgungssicherheit angesichts Atomausstieg und dem geplanten Ende der Kohleförderung in Deutschland bis 2030.
Entwicklung: Von der Umweltbelastung zum Erholungsraum
Zur Reduzierung schädlicher Deponien steigt auch die Bedeutung von modernen Müllheizkraftwerken mit entsprechenden Filteranlagen als Areal für ökologische und gesellschaftliche Aktivität. Dafür lohnt ein Blick in deutsche Nachbarländer: So verwertet die dänische Abfallanlage “Amager Bakke” in Kopenhagen jährlich rund 400.000 Tonnen Müll, versorgt etwa 160.000 Haushalte mit Fernwärme und 62.500 Häuser mit Strom. Zugleich ist die Industrieanlage ein beliebtes Freizeit- und Skigebiet, bekannt als “Copenhill”. Am Krakauer Müllheizkraftwerk wurden 2017 Bienenstöcke im Rahmen des Projekts “Apiary Krakow” aufgestellt, die eine intakte Natur rund um die Anlage belegen – schließlich gelten Bienen als guter Indikator für eine saubere Umwelt. Das Econotre-Ökopole-Heizungsnetz im französischen Toulouse ist mit einer Waste-to-Energy-Anlage verbunden, die unter anderem ein nahegelegenes Gewächshaus versorgt, wo pro Jahr 6000 Tonnen Tomaten für den heimischen Markt produziert werden.
Zukunft: Von Waste-to-Energy zu Waste-to-Value
Die thermische Abfallbehandlung ist auch ein wichtiger Bestandteil der Kreislaufwirtschaft, weil sie aus nicht oder nicht mehr wiederverwertbaren Materialen Energie rückgewinnt, die ansonsten wieder auf Deponien landen würden. Mit dieser Energie können nicht nur Unternehmen und private Haushalte versorgt, sondern auch Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff betrieben werden. Außerdem lassen sich die verbleibenden Aschen und Schlacken industriell verwerten. Das gilt ebenso für das Treibhausgas CO2 – dessen Abscheidung und Speicherung die Emissionsbelastung wesentlich reduzieren. Hierfür werden verschiedene Methoden erprobt, wie beispielsweise auf Island, wo Forscher aus CO2 Stein machen. Kohlenstoff ist auch für andere Wirtschaftsbereiche nützlich – zum Beispiel in der chemischen Industrie oder als Energieträger, was laut Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit am Helmholtz Zentrum Potsdam einen Kohlenstoffkreislauf entstehen ließe. So wird aus Abfall nicht nur ein Antrieb, sondern auch ein Anfang.
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