Häufig brauchen strukturelle Mängel viel Zeit und Geduld zu ihrer Überwindung. Dies gilt auch für den Mangel an Stipendien in Deutschland. Im Jahre 2010 wurde noch nicht einmal ein Prozent der Studierenden mit gerade einmal 80 Euro pro Monat über die Begabungsförderungswerke gefördert. Die Hochschulen selbst hatten keine eigenen Mittel, um Talente zusätzlich zu fördern. Fach-hochschulstudierende gingen nahezu gänzlich leer aus. Um hier Abhilfe zu schaffen, ging 2011 das Deutschlandstipendium auf Basis eines in Nordrhein-Westfalen zuvor entwickelten und über zwei Jahre getesteten Programms an den Start. Nach den nun vorliegenden Zahlen des Statistischen Bundesamtes erhielten im vergangenen Jahr 24.276 Studierende ein Deutschlandstipendium in Höhe von 300 Euro pro Monat – für BAFöG-Empfänger anrechungsfrei – hälftig finanziert vom Bund und von über 7.000 privaten Förderern im Land. Damit wurden so viele Studierende bundesweit zusätzlich gefördert wie vor Einführung des Deutschlandstipendiums von allen Begabungsförderungswerken zusammen. Da im Zuge des Deutschlandstipendiums auch deren Programme deutlich verbessert und auf alle Hochschultypen erweitert wurden, hat sich der Prozentsatz der Stipendiaten in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren von unter einem auf fast zwei Prozent verdoppelt.
Dabei fällt auf, dass die seinerzeit vorgebrachten Bedenken keine empirische Evidenz erfahren haben. Weder hat sich als richtig erwiesen, dass vorzugsweise Kinder aus wohlhabenden Elternhäusern gefördert werden, noch, dass ausschließlich Studierende von MINT-Fächern und besonders finanzstarke Hochschulen und Regionen in Deutschland davon profitieren. So erreicht das Saarland von allen Bundesländern den höchsten Anteil von Deutschlandstipendiaten gefolgt von Bremen und Sachsen. Und noch wichtiger ist: Die sozialen Merkmale der Geförderten entsprechen weitgehend denen der Studierendenschaft allgemein. Das gilt insbesondere für die Bildungsherkunft. Überproportional hoch ist auch der Anteil von Studierenden mit Migrationshintergrund.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Politik in Nachhaltigkeit übt! Dann könnte die Anzahl der Stipendiaten weiter steigen. Die Stipendienkultur in Deutschland, sie entwickelt sich doch!
*) Andreas Pinkwart war von 2005 bis 2010 Wissenschaftsminister in NRW und ist seit 2011 Rektor der HHL Leipzig Graduate School of Management sowie Lehrstuhlinhaber für Innovationsmanagement und Entrepreneurship. Er gilt als Erfinder und zusammen mit der früheren Bundesbildungsministerin Annette Schavan als Wegbereiter des Deutschlandstipendiums.
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