Strukturwandel in Autobranche beeinflusst Stuttgarter Gewerbeimmobilienmarkt
Gehen 280.000 m² Stuttgarter Bürofläche bald zurück auf den freien Markt? Oder braucht die Stadt 110.000 m² mehr Fläche? Diese beiden Kennziffern sind jeweils Ergebnisse einer Szenarioanalyse des Stuttgarter Gewerbeimmobilienmarkts. Die auf diese Weise ermittelten Änderungen bei den Bürobeschäftigten reichen von minus 19% im negativen bis plus 8% im positiven Szenario. Die Analyse wurde durchgeführt mit besonderem Augenmerk auf dem Automobilsektor. In der Branche greift ein tiefer Strukturwandel. Kritiker sagen durch diesen Wandel für die Region Stuttgart ein ähnliches Schicksal vorher wie für die US-amerikanische Autostadt Detroit; das wäre ein starker Niedergang. Jedoch was genau bedeutet der Wandel für die Zukunft der automobilgeprägten Region Stuttgart? Sie zählt zu den wirtschaftsstärksten Industriestandorten Deutschlands und zu den weltweit führenden Zentren der Automobilindustrie. Wie wird sich der Wandel in der Automobilbranche letztlich auf den Stuttgarter Immobilienmarkt auswirkt, untersucht die Studie “Ausgebremst oder beschleunigt? Wie der Strukturwandel der Automobilbranche den Gewerbeimmobilienmarkt Stuttgart beeinflusst” des globalen Immobiliendienstleisters JLL.
Für die neue Analyse wurden alle Vermietungen und Eigennutzerabschlüsse auf dem Büroimmobilienmarkt Stuttgart von 2010 bis erstes Halbjahr 2021 ausgewertet. Schwerpunkt: Verträge von Automobilherstellern und -zulieferern. Diese Unternehmen sind oft der Industriebranche zuzuordnen. Zugleich entfiel mit 72% der Großteil der Flächennachfrage der Industriebranche auf Automobilhersteller und -zulieferer. Da der Anteil der Industrieunternehmen bei 29% der gesamten Stuttgarter Büroflächennachfrage lag, repräsentieren Automobilfirmen einen relevanten Teil des Gesamtflächenumsatzes. Besonders große Deals sind Eigennutzerabschlüsse – sie machen 44% des Gesamtumsatzes der Automobilunternehmen aus.
“Die sogenannten Eigennutzerabschlüsse sind eine Besonderheit des Stuttgarter Immobilienmarktes. Es bedeutet, dass große neue Flächen und Gebäude gar nicht auf den freien Markt kommen, sondern Direktaufträge von Unternehmen sind. Daher sind verfügbare Flächen gering und stark nachgefragt”, erläutert Georg Charlier, Niederlassungsleiter JLL Stuttgart.
Anteil der Autofirmen am Stuttgarter Gesamtmarkt sehr wechselnd
Der Anteil der Automobilhersteller und -zulieferer am gesamten Stuttgarter Büroflächen-Jahresumsatz ist sehr wechselhaft. Er reichte in den vergangenen zehn Jahren von 2 bis 40% im Jahr 2016. Durchschnittlich waren die Firmen für rund 20% der jährlichen Stuttgarter Büroflächen-Abnahme verantwortlich, aber für nur 3% der Abschlüsse. Bei den größten Abschlüssen von Autofirmen sind alle der Industriebranche zuzurechnen. Zuletzt nahm der Marktanteil der Hersteller und Zulieferer deutlich ab. Grund: Transformationen in der Automobilindustrie.
Umstrukturierung wegen E-Mobilität
“Viele Unternehmen in der Region Stuttgart stecken voll in der Transformation. Ein Großteil der bevorstehenden Umstrukturierungen bezieht sich auf E-Mobilität. Das belegt auch die hohe Innovationskraft der Firmen. Von sämtlichen Automobil-Deals waren die fünf größten allesamt Eigennutzerabschlüsse. Darüber hinaus gab es acht weitere Transaktionen und alle nur Vermietungen ab 10.000 m²”, fasst Georg Charlier zusammen.
Mit Blick auf die Mieten wurden Verträge von Automobilunternehmen meist in der Klasse 10 – 14,99 Euro abgeschlossen. Gründe: Orientierung an bestehenden Branchen-Clustern, Wunsch nach eher günstigen Miet- beziehungsweise Neubauten von Büroflächen, die primär von Automobilherstellern oder Zulieferern genutzt werden, fanden in Randlagen statt. Bei vier von zehn Gebäuden handelt es sich um Eigennutzerprojekte, die anderen wurden angemietet. Daher dürfte die Abhängigkeit weiterer Unternehmen vom Automobil spürbar, jedoch begrenzt sein.
Nachfrage nach Logistik-Immobilien durch Automobilfirmen in Stuttgart Auf dem Immobilienmarkt für Logistikflächen spielen Unternehmen der Automobilbranche eine wichtige Rolle. 30 Prozent entfielen bei der Nachfrage nach Logistikflächen seit 2010 durchschnittlich auf Automobilfirmen, also rund 10 Prozentpunkte mehr als auf dem Büromarkt.
Logistiknachfrage stammt aus vielen Branchen
Die Logistikflächennachfrage in der Region speist sich aus vielen Branchen; die Angebotsseite ist durch den Mangel großer Flächen für Logistiker gekennzeichnet. Ob sich durch die Produktions-Verschiebung hin zu Elektrofahrzeugen langfristig die Nachfrage nach Logistikflächen reduziert, lässt sich noch nicht sicher sagen. Die Flächennachfrage der Automobilindustrie nach Industrial-Immobilien (Logistik-, Lager- & Produktionsimmobilien) dürfte kurz- und mittelfristig steigen.
ESG-Kriterien sind für viele noch Neuland
Auch die Analyse in Bezug auf den CO2-Immobilienfußabdruck wird notwendig. Zunehmende Anforderungen der Hersteller an ihre Auftragnehmer, ESG-Kriterien zu erfüllen sind eine neue Entwicklung. Hier könnten perspektivisch energetische Umbauten greifen. Jedenfalls bringen die Entwicklungen viele Aktivitäten in den Immobilienmärkten: für Hersteller, Zulieferer, Logistiker.
Szenarien bei Änderung von Wirtschafts-/Beschäftigungsstruktur und die Auswirkung
Die Transformation bringt qualitative Änderungen mit sich. Von der Stärkung der IT-Kompetenz in der Autobranche wird der Standort Stuttgart profitieren: Bezüglich quantitativer Auswirkungen stellen sich uneinheitliche Prognosen dar. Mögliche Auswirkungen auf den Stuttgarter Büroflächenmarkt wurden auf Basis verschiedener Szenarien von KGP Auto für Stuttgart errechnet. Dabei wurden für die drei Bereiche Produktion, Forschung & Entwicklung sowie “Andere” Bürobeschäftigtenquoten geschätzt und angewandt: Die auf die Weise ermittelten Änderungen bei den Bürobeschäftigten reichen von minus 19% im negativen bis plus 8% im positiven Szenario. Bei geschätzten 25 m² Bürofläche pro Beschäftigten würde dies im negativen Szenario bedeuten: Rund 283.000 m² Büroflächen werden nicht mehr benötigt; im positiven Szenario entsteht ein Mehrbedarf von 113.000 m². Die 283.000 m² repräsentieren “nur” 3% des Stuttgarter Büroflächenbestandes. So dürfte der Büromarkt im Negativfall nur moderate Auswirkungen spüren.
Für alle Szenarien gilt: Hochwertige Flächen werden weiter stark nachgefragt; zentralere Lagen rücken stärker in den Fokus. Während Automobilhersteller in Stammlagen an der Peripherie bleiben, zieht es Zulieferer in Zentrallagen. Beim Kampf um die besten Talente spielt der Bürostandort eine größere Rolle. Gerade in zentralen Teilmärkten ist das Angebot großer Flächen hoher Qualität sehr eingeschränkt. Um die wenigen noch auf den Markt kommenden Flächen, konkurrieren neben Automobilfirmen viele weitere Branchen. Für den Fall einer stark sinkenden Bürobeschäftigtenzahl im Automobilsektor, kommen periphere Lagen unter Druck.
Fazit und Ausblick: In der Region gibt es viele Unternehmen mit guten Wachstumsperspektiven und hoher Innovationsstärke. Das exemplarisch in den Branchen mit Fokus auf Elektroantrieb, Automatisierung und Vernetzung. Digitale Fahrzeugmobilitätslösungen könnten so Chancen für neue Geschäftsfelder bieten und regionale Treiber sein.
Georg Charlier bilanziert: “Obwohl jeder Wandel Risiken mit sich bringt, fördert die Transformation der Automobilbranche neue Wachstumstreiber. Das Stuttgarter Automobil-Cluster, ist ein einzigartiger lebender Organismus. Vor Ort findet man alles, was mach braucht: motivierte und hochqualifizierte Fachkräfte, viel intellektuelles Potential, Erfahrung und gewachsene Zusammenarbeit. All das können gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation sein, wenn alle Stärken ausgespielt werden. Die Region Stuttgart hat sich bereits mit einige Aktivitäten auf den Transformationsprozess eingestellt – zum Beispiel durch einen Transformations- Beauftragten für Industrieproduktion der Wirtschaftsförderung. Die Wirtschaftsförderung hat auf die hohe Innovationskraft regionaler Unternehmen hingewiesen. Drei große Patentanmelder haben 2020 fast 6.500 Patente erhalten. Die Zahl untermauert wie innovativ die Unternehmen sind und wie sie ihre Marktpositionen ausbauen. Der Strukturwandel könnte dabei mehr Neues entstehen lassen, als Altes wegbricht.”
Logistik- und Büroflächen werden weiter gebraucht
Für künftige Geschäftsfelder braucht es weiter Büro- und Logistikflächen. Die Stuttgarter Wirtschaftsförderung kommentiert dazu: “Für das Gelingen industrieller Transformation in der Region werden bedarfsgerechte Gewerbeflächen benötigt. Es ist notwendig, stärker als bisher ungenutzte Flächen und Brachen zu aktivieren und klimaschonender zu planen und zu bauen.”
Georg Charlier geht davon aus, dass Automobilunternehmer auf den Immobilienmärkten weiter aktive Nachfrager bleiben. Das liegt auf dem Büromarkt daran, dass durch modernere Arbeitskonzepte bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl quantitativ mehr Bürofläche benötigt wird. Die Anforderungen an Objekte und Flächen werden qualitativ steigen; Neubauten werden nötig.
Im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte wird die Standortwahl immer wichtiger. Die langfristige Wirtschaftstransformation wird mit den Themen neue Technologien oder Digitalisierung die Automobilbranche über die Stuttgarter Region hinaus stark verändern. Das gilt auch für die Immobilienmärkte – besonders in punkto Nachfrage, Angebot, Mieten und Renditen. Der Wirtschaftsstandort Stuttgart ist gut gerüstet für anstehende Transformationen. Für den Immobilienmarkt dürften die Veränderungen eine lange nötige Verjüngungskur sein.
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JLL (NYSE: JLL) ist ein führendes Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich. JLL gestaltet die Immobilien-Zukunft im Sinne der Nachhaltigkeit und nutzt dabei fortschrittliche Technologien, um Kunden, Mitarbeitern und Partnern werthaltige Chancen, nachhaltige Lösungen und eine zeitgemäße Arbeitsplatzgestaltung zu bieten. Das “Fortune 500” Unternehmen mit einem Jahresumsatz 2020 von 16,6 Mrd. USD ist Ende Juni 2021 in über 80 Ländern mit weltweit mehr als 92.000 Beschäftigten tätig. JLL ist der Markenname und ein eingetragenes Markenzeichen von Jones Lang LaSalle Incorporated. Weitere Informationen finden Sie unter http://jll.de.
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