(NL/6332750080) Der weltweite Bedarf an elektrischer Energie, Rohstoffen für die Chemie- und Kunststoffindustrie sowie Flug-Kerosin könnte solar gedeckt werden.
Die täglich auf die Landflächen der Erde eintreffende Solarenergie ist so groß, dass Photovoltaikanlagen auf weniger als 1 % der globalen Landfläche ausreichen würden, um den gesamten Energiebedarf der Menschheit selbst im Jahre 2050 zu decken. Zu der direkten Nutzung der Solarenergie kommt die Nutzung weiterer Erneuerbaren Energien, wie Wind und Wasser, hinzu. Diese globale Betrachtung zeigt, dass es auch langfristig grundsätzlich kein Problem darstellt, die Menschheit nachhaltig und umweltschonend mit Energie zu versorgen. Zudem steigt die Effizienz der PV-Anlagen stetig: Während heute übliche Solarzellen etwa 15 % der eingestrahlten Solarenergie in Elektrizität umwandeln, erwarten Wissenschaftler bis 2050 eine Steigerung des Wirkungsgrads auf 40 %.
Ist der Umbau der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien aber ökonomisch machbar? Neue Solar- und Windfarmen an günstigen Standorten kommen schon heute auf Stromgestehungskosten von 0,06-0,07 /kWh und sind damit oft preiswerter als fossile oder nukleare Energiesysteme. Zwei systemimmanente Nachteile verlangsamen den Ausbau der Solar- und Windenergie: Der Hauptteil der Kosten fällt beim Bau der Anlagen an, während die späteren Betriebskosten sehr niedrig sind. Dies führt zu hohen Investitionskosten. Zum anderen müssen zur weiträumigen Verteilung des Solar- und Windstroms die Stromnetze und Speichersysteme massiv ausgebaut werden, was zusätzliche Investitionen erfordert.
Was würde es kosten, die gesamte Elektrizitätsversorgung der Menschheit auf Solarenergie umzustellen? Im Jahr 2014 wurden weltweit mehr als 1.300 Mrd USD (= 1.200 Mrd ) für militärische Rüstung ausgegeben, wovon nahezu die Hälfte auf die USA entfiel. Solarzellen sind heute bereits für 100 pro kW Spitzenleistung erhältlich zukünftig werden Preise zwischen 60 und 70 /kW erwartet. Mit dem jährlichen Militäretat von 1.300 Mrd USD könnten also mehr als 10.000 GWpeak pro Jahr an PV-Anlagen gebaut werden. Dem gegenüber steht eine weltweit installierte Kraftwerksleistung von 5.550 GW (2012) mit einem aktuellen Anteil von bereits 26 % Erneuerbaren Energien.
Auch wenn diese Rechnung natürlich stark vereinfacht ist, da erhebliche zusätzliche Investitionen in Verteilungsnetze und Speicher notwendig sind, verdeutlicht sie: Der weltweite Militärhaushalt weniger Jahre würde genügen, um die globale Stromversorgung auf die Nutzung von Solarenergie umzustellen!
Technische Entwicklungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Solar-, Wind- und Wasserkraft nicht nur umweltfreundliche Elektrizität erzeugen, sondern auch zur Produktion von Rohstoffen genutzt werden können.
Hierbei wird die Erneuerbare Energie verwendet, um aus Wasser die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zu gewinnen. In Kombination mit CO2 entsteht aus dem erzeugten Wasserstoff Methan, Methanol und einer Vielzahl weiterer chemischer Bausteine. Dieser Prozess kann sowohl katalytisch als auch biotechnologisch vonstattengehen. Weltweit sind bereits mehr als 20 Pilotanlagen für diese revolutionäre Nutzung von CO2 in Betrieb und die ersten kommerziellen Anlagen befinden sich im Bau. Man spricht hierbei von Carbon Capture and Utilization (CCU) oder auch von Power-to-Gas und Power-to-Chemicals.
Berechnungen zeigen, dass auf diesem Weg die Chemie- und Kunststoffindustrie nachhaltig mit organischen Rohstoffen versorgt werden kann. Selbst bei stark wachsender Nachfrage kann der Kohlenstoffbedarf der gesamten Chemie- und Kunststoffindustrie im Jahre 2050 mit CCU-Technologien leicht gedeckt werden: Etwa 2 % der Wüstenfläche würde genügen, um über Solar- und CCU-Technologien selbst im Jahr 2050 den Kohlenstoffbedarf der weltweiten Chemie- und Kunststoffindustrie zu decken.
Schon heute könnten solarbetriebene CCU-Technologien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Eine der größten Herausforderungen stellen die immer weiter steigenden CO2-Emissionen des Flugverkehrs dar. Fluggesellschaften und Flugzeughersteller investieren große Summen, um klimafreundliches Biokerosin aus Holz, Algen, Jatropha und biogenen Abfällen zu produzieren. Hohe Kosten sowie Unsicherheiten in Bezug auf Flächenbedarf, Biodiversität und potenzielle Konflikte mit Nahrungs- und Futtermitteln verhindern bislang jedoch eine industrielle Umsetzung.
Eine Alternative bietet synthetisches Kerosin auf Basis von Solar-, Wind- und Wasserstrom sowie CO2, welches bereits heute im Kleinmaßstab hergestellt wird. Über zehn Pilotanlagen arbeiten mit Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese, um mit Wirkungsgraden von 70 bis 80 % aus Solar- und Windstrom unterschiedliche Treibstoffe herzustellen. Das solare Kerosin kann 1:1 petrochemisches Kerosin ersetzen und hat aufgrund seiner Reinheit sogar bessere Verbrennungseigenschaften. Die Kosten hängen primär vom Preis des erneuerbaren Stroms ab und liegen etwa auf dem Niveau von Biokerosin.
Erste Ökobilanzen zeigen, dass die Klimabilanz des solaren Kerosins mit Abstand besser ist als alle Alternativen. Die CO2-Emissionen pro Tonne solarem Kerosin liegen deutlich unter denen von bio-basiertem Kerosin und um 80 bis 90 % unter denen von petrochemischem Kerosin. Berechnungen zeigen, dass die Einhaltung des 2-Grad-Celsius-Klimaziels nur mit solarem Kerosin möglich ist. Im Vergleich zu Biokerosin sind zudem der Flächen- und der Wasserbedarf deutlich geringer.
Die hier kurz beschriebenen Technologien bedeuten nichts Anderes als eine Nachhaltigkeitsrevolution der gesamten Energie- und Rohstoffversorgung.
Am 29. und 30. September 2015 treffen sich im Haus der Technik in Essen führende Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Industrie zur größten europäischen Konferenz zum Thema Kohlendioxid als Rohstoff für Kraftstoffe, Chemie und Polymere, um den neuesten Stand der Technologien und Strategien zur raschen Implementierung gemeinsam zu diskutieren. Erwartet werden 200 Teilnehmer aus der ganzen Welt, darunter zahlreiche Weltkonzerne. http://co2-chemistry.eu
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