Seltenes Experiment zur Orientierung von Jungvögeln mit überraschenden Ergebnissen

Seltenes Experiment zur Orientierung von Jungvögeln mit überraschenden Ergebnissen

Die Ergebnisse der erfolgreichen Verfrachtung von lettischen Schreiadlern nach Brandenburg wurden jetzt im Fachmagazin Journal of Experimental Biology (JEB) veröffentlicht.

Seltenes Experiment zur Orientierung von Jungvögeln mit überraschenden Ergebnissen

(Mynewsdesk) Berlin, 3. August 2017: Eine jetzt veröffentlichte Studie stellt die Ergebnisse zur Translokation von Schreiadlern vor. Unter der Federführung von Prof. Dr. Bernd-Ulrich Meyburg haben europäische Ornithologen der Weltarbeitsgruppe Greifvögel e.V. einen wegweisenden Beitrag zur Orientierungsforschung bei Greifvögeln geleistet. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass junge Schreiadler, die kurz nach der Geburt verfrachtet werden, zum Aufzuchtsort zurückkehren, sofern sie die Zugroute von Alttieren erlernen. Die im Journal of Experimental Biology (Download hier: http://jeb.biologists.org/content/jexbio/220/15/2765.full.pdf?with-ds=yes) veröffentlichte Studie weist datengestützt nach, dass die Verfrachtung die extrem bedrohte Schreiadlerpopulation in Deutschland unterstützt.

„Entscheidend ist, dass translozierte junge Schreiadler Altvögeln auf dem ersten Zug folgen und die optimale, über 10.000 km lange Zugroute so erlernen können. Die Zugrichtung ist nicht angeboren im Gegensatz zu vielen nachts alleinziehenden Kleinvögeln, die sich z.B. mittels der Sterne, des Erdmagnetismus usw. orientieren können.

Insgesamt sei dieses Experiment mittels Verfrachtung und Satelliten-Telemetrie eines der ganz wenigen dieser Art in der Orientierungsforschung bei Jungvögeln. In dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Deutschen Wildtier Stiftung (DeWiSt) teilweise finanzierten Langzeitprojekt wurden die Zugrouten dreier Vergleichsgruppen telemetrisch verfolgt und ausgewertet. „Die Telemetrie via Satellit war an dieser Stelle extrem hilfreich“, ergänzt Meyburg. Ohne GPS-Sender seien die Tiere kaum aufzufinden und ihre Routen nicht feststellbar. Die hohen Kosten der satellitengestützten Telemetrie lasse indes nur kleine Fallgrößen zu.

Der verfrühte Abflug einiger lettischer Abel ohne deutsche Alttiere führte im Jahr 2009 dazu, dass die führungslosen Jungtiere in südlicher und südwestlicher Richtung zogen und ohne die notwendige Thermik im Mittelmeer bei dem Versuch dieses zu überqueren ertranken. Von den Jungadlern, die den Altvögeln über den Bosporus am östlichen Mittelmeer entlang nach Afrika folgten, überlebten die meisten den Zug ins südliche Afrika: „Wenn die lettischen Abel die richtige Route von Altvögeln erlernt haben und den Gefahren wie Windrädern und Wilderern entkommen, ist die Chance groß, dass sie in ihre Brandenburger Heimat zurückkehren“, so Meyburg. Insgesamt sei die Überlebensquote bei Schreiadlern im ersten Lebensjahr sehr gering. Deshalb sei auch jeder einzelne translozierte Schreiadler von hoher Bedeutung, so der passionierte Adlerforscher abschließend. Ein lettisches Männchen (Bild) kehrte gar in die Nähe der Auswilderungsstation zurück und bekam fünf Jahre später Nachwuchs.

Interessante Fakten:

* Die Grundlage der veröffentlichten Studie bildet ein von der DBU und der DeWiSt unterstütztes Projekt. Hierbei wurden 2009 9 deutsche Alt- und 8 Jungtiere sowie 12 lettische Abel mit GPS-Sendern versehen, um deren Zugverhalten zu beobachten. Ziel war, zu prüfen, inwieweit Wiederansiedlungen der stark bedrohten Schreiadler durch Verfrachtungen erfolgen können.
* Keiner der zurückkehrenden Abel zog nach Lettland.
* Bei der Adler-Aufzucht wird stets auf das zweitgeborene Küken zurückgegriffen, das bei seinen Eltern infolge des Geschwisterkampfes (des sog. „Kainismus“ ) keine Überlebenschancen hätte.
* Lettland hat einen stabileren Schreiadlerbestand als Deutschland. Der Population, aus der die Zweitjungen entnommen werden, schadet die Entnahme der ohnehin zum Tode verurteilten Abel nicht, ein besonderer Umstand beim Schreiadler.
* Generell ist der Bestand der Adlerart bedroht durch eine Verschlechterung ihres Lebensraumes, nicht zuletzt auch durch Unfälle an Windkraftanlagen.
* Insgesamt wurden zwischen 2007 und 2011 51 Abel von Lettland nach Deutschland verbracht – davon aber aus Kostengründen nur einige mit Sendern ausgestattet. 2004 bis 2016 wurden außerdem 35 brandenburgische Abel ausgewildert.
* Der NABU finanziert derzeit ein Verfrachtungsprojekt aus Polen. 2017 wurden 8 Zweitjunge eingeflogen, die Zahl soll jährlich auf 15 erhöht werden.
* Die Aufzucht von Schreiadlern ist kompliziert, da kein Sichtkontakt zu Menschen entstehen darf. Die Küken werden mit einer Nachbildung gefüttert, die wie der Kopf eines erwachsenen Vogels aussieht. Sobald sie groß genug sind, um selbst die Nahrung zu zerkleinern, werden die Mäuse usw. durch ein kleines Loch in der Auswilderungsstation übergeben.
* Das Ergebnis ist auch vor dem Hintergrund der großen Distanz zwischen Schlüpf- und Aufzuchtsort überraschend; sie liegen knapp 1000 km auseinander.
* Meyburg erforscht telemetrisch weitere deutsche Greifvogelarten, etwa Rot- und Schwarzmilane in Thüringen, Fischadler in Mecklenburg-Vorpommern, Baumfalken und Seeadler in Brandenburg, Wespenbussarde in Schleswig-Holstein usw., sowie ausländische Arten z. B in Arabien, und ist bereits seit über 40 Jahren in der Greifvogelforschung tätig.
* Bereits eine Handvoll erfolgreich ausgewilderter Schreiadler pro Jahr kann zum Erhalt der Art in Deutschland beitragen.
* Die Studie ist hier erhältlich, bitte verweisen Sie bei Veröffentlichungen auf diesen Link und nennen Sie das Journal of Experimential Biology (JEB) als Quelle: http://jeb.biologists.org/content/jexbio/220/15/2765.full.pdf?with-ds=yes

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=== Das lettische Männchen KN auf der Fütterungplattform weniger hundert Meter von der Auswilderungsstation in der Schorfheide (Brandenburg) entfernt. (Bild) ===

Das lettische Männchen KN auf der Fütterungplattform weniger hundert Meter von der Auswilderungsstation in der Schorfheide (Brandenburg) entfernt. Es zog im Alter von fünf Jahren erfolgreich einen Jungadler auf.

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Die Weltarbeitsgruppe Greifvögel e.V. (WAG) ist seit Jahrzehnten international
aktiv und hat über 3.000 Mitglieder weltweit. Die Kommunikation erfolgt über
mehrere Email Discussion groups (electronic mailing lists).

Die WAG hat mehrere Greifvogel-Weltkonferenzen (in Berlin, Südafrika, Israel,
Budapest, Spanien usw.) mit bis zu über 500 Teilnehmern organisiert und die
entsprechenden umfangreichen Konferenzbände herausgegeben (siehe
www.raptors-international.org).

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