Kinder brauchen keinen Krampus, sondern Respekt und Freiraum!
(NL/9287362432) In den letzten Tagen gab es, ausgelöst durch den Artikel von Wolfgang Greber in der Presse vom 30.11.2014, in dem er beschreibt, wie er seinen Sohn als Strafe an den Ohren zieht oder übers Knie legt, eine breite Debatte zum Thema Gewalt in der Erziehung. Viele Organisationen, Tageszeitungen, Zeitschriften und Einzelpersonen versuchten, dem von Greber vermittelten Erziehungsverständnis etwas entgegen zu setzen. Mittlerweile haben sich das Redaktionsteam der Presse und der Autor selbst vom Inhalt des Artikels distanziert. Diese Debatte hat eines sehr deutlich gezeigt: Auch 25 Jahre nach der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage nach einer kindgerechten und Kinderrechte beachtenden Erziehung immer noch dringend nötig. Dabei sollte es jedoch nicht nur um ein klares Nein zu körperlicher Gewalt gehen, sondern auch um andere Formen der Unterdrückung von Kindern.
In einer Gesellschaft, die von Erwachsenen gestaltet ist, haben Kinder kaum die Möglichkeit mitzugestalten. Eltern, PädagogInnen und andere Aufsichtspersonen entscheiden, wann ein Kind wo zu sein hat und wie es sich dort zu benehmen hat. Viele Kinder haben durchgeplante Tage, die wenig Freiraum zulassen. Sie verbringen den Großteil ihrer Zeit in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Kinder finden das vor allem deswegen problematisch, weil sie dort ständig beaufsichtigt werden und selten frei entscheiden können, was sie spielen oder lernen möchten. Damit unsere Kinder sich zu selbstbewussten Individuen entwickeln können und ihre Neugierde nicht verlieren ist es wichtig, dass sie die Freiheit haben zu entscheiden. Zudem führt der inadäquate PädagogInnen-Kind-Schlüssel besonders bei kleinen Kindern dazu, dass eine ausgewogene Auseinandersetzung mit den individuellen Bedürfnissen und den Bedürfnissen der Gruppe sowie Aspekte wie Mitbestimmung und Autonomie zu kurz kommen. Wir Erwachsenen sollten deshalb versuchen uns in Kinder hinein zu versetzen und die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Dann würden wir schnell merken, dass es in alltäglichen Konflikten mit Kindern nur vordergründig um die Süßigkeiten geht, die ein Kind haben will; oder die Haube, die es nicht aufsetzen möchte. Es geht dabei immer auch um einen ernstzunehmenden Kampf um Respekt, Anerkennung und Selbstbestimmung. Das Schwierige aus Kinderperspektive ist womöglich, dass viele Erwachsene das nicht sehen können, sondern stattdessen ihren Trotzanfall v.a. unter Kontrolle bekommen möchten. Würden wir als Gesellschaft es schaffen die Bedürfnisse unserer Kinder wahrzunehmen und ihnen Platz einzuräumen, dann müssten wir uns viel weniger damit beschäftigen, wie wir sie disziplinieren und maßregeln können.
Damit soll nicht bestritten werden, dass das Zusammenleben mit Kindern unter den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Herausforderung ist, und die damit verbundene Verantwortung Erziehungsberechtigte oft an ihre Grenzen bringt. In einer Gesellschaft, die bereits von Kleinkindern verlangt, dass sie sich an die Arbeitszeitregelungen ihrer Eltern anpassen und dementsprechend funktionieren; in einer Gesellschaft, in der die Eltern oder PädagogInnen womöglich von Existenzängsten gequält werden, und ein großer Teil der Erwachsenen mit alltäglichen Demütigungen auf Grund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Stellung in der Arbeitswelt konfrontiert sind; in einer Gesellschaft, in der Eltern wie PädagogInnen unter steigendem Leistungsdruck leiden, ist es mit Sicherheit eine Herausforderung die eigenen, erwachsenen Verpflichtungen und Anliegen, mit den Bedürfnissen von Kindern unter einen Hut zu bringen. Das enthebt uns Erwachsene aber nicht der Verantwortung. Anstatt zu versuchen die Kinder an diese Rahmenbedingungen anzupassen, sie zu kontrollieren, zu maßregeln und zu demütigen, sollten wir anfangen die Rahmenbedingungen zu verändern.
Kinder brauchen keinen Krampus, der ihnen Angst macht! Kinder brauchen auch keinen Nikolaus, der sie bewertet, lobt und tadelt! Kinder brauchen Erwachsene, die Regeln nicht als Selbstzweck sehen, sondern stattdessen ihre eigenen Belastbarkeitsgrenzen aufzeigen können. Sie brauchen Erwachsene, die weder Angst vor ihnen, noch zu viel Angst um sie haben. Kinder brauchen Freiraum, um sich entfalten zu können, und sie brauchen Erwachsene, die auf ihr Entwicklungspotential und ihre Kooperationsbereitschaft vertrauen. Kinder brauchen Erwachsene, die Zeit haben: zum Zuhören, zum Spielen und Toben, zum Kuscheln und Vorlesen, zum Trödeln und Abwarten. Dafür braucht es eine Arbeitswelt, die allen Eltern die Möglichkeit gibt, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzulassen, sowie Konzepte und Rahmenbedingungen an Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, die es PädagogInnen ermöglichen Kinder als eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen. Wir Erwachsenen tragen die Verantwortung die Grundlagen dafür zu schaffen. Stellen wir Krampus und Co. die Rute ins Fenster!
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