Raub- und Beutekunst: 14. Deutscher Kunstsachverständigentag am 27. Januar 2014 in Köln

Raub- und Beutekunst: 14. Deutscher Kunstsachverständigentag am 27. Januar 2014 in Köln “Raub- und Beutekunst – dieses Thema ist auch rund siebzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hochbrisant”, so BVS-Präsident Willi Schmidbauer in seiner Eröffnungsrede zum 14. Deutschen Kunstsachverständigentag in Köln. Der BVS (Bundesverband der öffentlich bestellten und vereidigten sowie qualifizierten Sachverständigen e. V.) als Initiator und Ausrichter der Fachveranstaltung begrüßte im Wallraf-Richartz-Museum rund 100 Teilnehmer der Fachwelt. “Insbesondere wurden jüdische Kunsthändler und Galeristen während des NS-Terrorregimes enteignet. Die erbeuteten und als entartete Kunst deklarierten Gegenstände wurden verschleppt und verkauft – der Erlös vielfach als harte Kriegsdevisen eingesetzt. Auch heute noch sind Restitutionen ein langwieriger Prozess”, so Schmidbauer weiter. Gerade am Holocaust-Gedenktag sei Reflektion wichtig. Der BVS verpflichte sich daher mit seinem Leitbild für die Sachverständigentätigkeit seiner Mitglieder zu höchsten Qualitätsansprüchen. Die im BVS organisierten Mitglieder des Fachbereiches Kunst, Antiquitäten und Juwelen seien aufgrund der Bestellung und des BVS-Leitbildes insbesondere verpflichtet, mit diesem sensiblen Thema gewissenhaft umzugehen.

Raub- und Beutekunst. Hier nahm Dr. Frithjof Hampel, der als Mitorganisator in seiner Funktion als Bundesfachbereichsleiter des BVS für Kunst, Antiquitäten und Juwelen den Kunstsachverständigentag leitete, zunächst eine Differenzierung der beiden Begriffe vor, die in der Öffentlichkeit nicht immer sauber getrennt werden. Die im Dritten Reich erbeuteten Kunstgegenstände – teils durch Enteignung, teils durch widerrechtlich erwirkte Zwangsversteigerung mit anschließendem Einzug des Versteigerungserlöses – werden als Raubkunst bezeichnet. Unter dem Begriff Beutekunst werden alle künstlerischen und gestalterischen Werke zusammengefasst, die von den Alliierten aus Deutschland verbracht worden sind. Nicht zuletzt der aktuelle Fall Cornelius Gurlitt, in dessen Schwabinger Wohnung rund 1.400 Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle gefunden wurden, zeigt, dass das Thema Raub- und Beutekunst noch längst nicht abgeschlossen ist.

So berichtete der Jurist und Kunstforscher Dr. Willi Korte, bekannt durch die Rückführung des Quedlinburger Domschatzes, am Beispiel des jüdischen Kunsthändlers Max Stern, wie dessen Kunstwerke in seiner Düsseldorfer Galerie von den Nazis beschlagnahmt wurden. Veräußert wurden die Gemälde, darunter auch das mit dem Titel “Mädchen aus den Sabiner Bergen” von Franz Xaver Winterhalter, 1937 über das traditionsreiche Kunstauktionshaus Lempertz in Köln. Im Jahr 2005 wurde das Gemälde in einem US-Auktionshaus angeboten. Korte, von Sterns Testamentvollstrecker beauftragt, erreichte nach einer juristischen Auseinandersetzung vor US-amerikanischen Gerichten durch mehrere Instanzen, dass das Bild als “diebstahlsmäßig schon damals entzogen worden” bezeichnet wurde und daher nach geltendem US-amerikanischen Recht nicht versteigert werden könne. Hier zeigte Korte klar den Unterschied zur deutschen Gesetzgebung auf, die keine besonderen Regelungen zur Restitution von Raubkunstgegenständen kennt. Insbesondere dadurch erschwere und verzögere sich immer wieder die Rückführung von Kunstgegenständen zu ihren rechtmäßigen Besitzern, meist den Enkeln, auch wenn Deutschland die Washingtoner Erklärung unterschrieben habe, so Korte. Dieses 1998 getroffene Abkommen ist eine die Unterzeichnerstaaten rechtlich nicht bindende Übereinkunft, um während der Zeit des Nationalsozialismus geraubte Kunstwerke zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder deren Erben ausfindig zu machen und eine “gerechte und faire Lösung” zu finden.

Einblicke in die aktuelle Provenienzforschung gab Wolfgang Schöddert, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Berlinischen Galerie. “Provenienzforschung zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung ist für die Sammlung der Berlinischen Galerie auch Kontextforschung. Berlin besaß deutschlandweit die ehemals größte Dichte an Kunstsammlern und -händlern. Herkunftsrecherchen zu Werken aus der Berliner Sezession, der Novembergruppe, der DADA-Bewegung und von anderen Künstlern der Moderne führen tief in die geprägte Kunstwelt des jungen 20. Jahrhunderts hinein und damit zu einem Kernthema des Museums”, so Schöddert. Unter den vielfältigen Beständen dieser Abteilung sei auch der Nachlass des Galeristen Ferdinand Möller, der ab 1938 auch zu den Händlern “entarteter” Kunst zählte und heute einen besonderen Stellenwert hat. Seit 2006 wird in den Künstler-Archiven untersucht, wann Möller welche Kunstwerke gehandelt hat und wer seine Kunden waren. Die Erschließung dieser Unterlagen, die 2008 eines der ersten langfristig geförderten Projekte der Arbeitsstelle für Provenienzforschung beim Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz – wurde, hat inzwischen Informationen zu rund 8.000 Kunstwerken erbracht und die Suche nach NS-Raubkunst bereits vielfach unterstützt, führte Schöddert aus.

Ein weiteres Beispiel gab der Provenienzforscher Jan Thomas Köhler anhand der Sammlung Goudstikker. Jacques Goudstikker, der zu den renommiertesten Kunsthändlern für niederländische und flämische Malerei des 16. und 17. Jahrhunderts zählte, dokumentierte seinen Kunstbestand vor dessen Beschlagnahme durch die Nationalsozialisten nach der Besetzung der Niederlande. Den größten Teil davon beschlagnahmte Hermann Göring für seine Privatsammlung. Die Bemühungen der Erben um die Wiedererlangung des Kunstbesitzes gilt weltweit als eine der größten Kunst-Restitutionsfälle.

Mehr Transparenz bei der Aufklärung forderte Dr. Andrea Baresel-Brand in ihren Ausführungen zur Dokumentation von NS-Raubkunst und Beutekunst. Die Leiterin der Koordinierungsstelle Magdeburg für Kulturdokumentation und Kulturgutverluste hält es für eine wichtige Notwendigkeit, wieder den Menschen in den Mittelpunkt des Geschehnisses zu rücken. Lostart.de ist die zentrale deutsche öffentliche Koordinierungsstelle und Serviceeinrichtung für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste. Über www.lostart.de werden Such- und Fundmeldungen zu im Rahmen der NS-Verfolgung entzogenen Kulturgütern und kriegsbedingt verbrachten Kulturgütern dokumentiert und zusammengeführt.

Der Direktor der Schlösser und Sammlungen der Direktionsstiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dr. Samuel Wittwer, erklärte aus der Sicht eines Museums das Thema Beutekunst. Nicht nur das NS-Regime beschlagnahmte Tausende von Kunstgegenständen. Auch die Besatzer schafften ebenso zahlreich Gemälde, Porzellan, Möbel und andere Kunstschätze als Beute aus Deutschland. Die Rückführung dieser Kunstschätze erweist sich als ebenso aufwendig und zeitintensiv. Insbesondere muss auch hier sensibel mit dem Thema umgegangen werden, erklärte Wittwer.

Als bis heute skandalös bezeichnete der Journalist und Autor Stefan Koldehoff den in Deutschland etablierten Umgang mit NS-Raubkunst. Nach Auffassung Koldehoffs habe es der Gesetzgeber bis heute verpasst, das Kapitel Raubkunst anzugehen. Arbeiteten nahezu alle Berufsgruppen die Nazizeit auf, so sei der Bereich Kunst und Kunsthandel offenbar immer noch nicht hierzu bereit, erklärte der Redakteur von Kultur heute. Insbesondere das mangelnde Unrechtsbewusstsein und die fehlende gesetzliche Grundlage sind nach Koldehoff Basis dafür, dass bis heute immer noch mit Bildern aus der NS-Raubkunst gehandelt werde. So zeige auch der aktuelle Fall Gurlitt, dass dieser längst und auch ganz offiziell als Kunsthändler geführt worden sei und auch eine Recherche schon viel früher möglich gewesen wäre. Dennoch betonte der Kulturredakteur auch, dass er hier nicht “alle über einen Kamm scheren wolle”. Denn das Engagement zahlreicher Institutionen, Museen und weiterer Einrichtungen zu diesem sensiblen Thema ist anzuerkennen.

Das Schlusswort richtete Dr. Frithjof Hampel als öffentlich bestellter und vereidigter Kunstsachverständiger an die Teilnehmer und speziell an seine Kollegen: “Die Veranstaltung zeigt, wie wichtig nach wie vor das Thema Raubkunst und Beutekunst ist, insbesondere für uns Kunstsachverständige. Wir bewerten Kunstgegenstände und haben die Verpflichtung, hier nicht nur den Wert und die Echtheit zu bestimmen, sondern darüber hinaus auch weiterzudenken und in Hinblick auf Raub- und Beutekunst zu prüfen. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus unserem BVS-Leitbild”

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