Leben mit hochsensiblen Kindern – Bewusste unterstützen – einfühlsam erziehen
Um 30 Prozent sind die Verschreibungen für ADHS-Medikamente bei 6- bis 18-Jährigen in den vier Jahren zwischen 2006 und 2010 der Techniker Krankenkasse zufolge angestiegen. Ist unsere Gesellschaft dabei, eine ganze Kindergeneration krank zu diagnostizieren? Die Autorin Susan Marletta-Hart ist überzeugt, dass viele der Kinder schlichtweg hochsensibel auf die Welt kommen. In ihrem neuen Buch Erziehung hochsensibler Kinder plädiert sie für einen neuen Blick auf eine Eigenschaft, die sich mit etwas Fingerspitzengefühl der Eltern und Lehrer in eine Gabe verwandeln kann. Vorausgesetzt, die Kinder haben Zeit, die Flut an Eindrücken zu verarbeiten. Vorausgesetzt, sie lernen, Grenzen zu setzen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann sie besser eine Pause einlegen sollten. Was ihnen dabei helfen kann, erklärt Marletta-Hart im Buch mit vielen Tipps und Übungen.
Susan Marletta-Hart ist selbst hochsensibel und hat sich auf das Coaching von Menschen spezialisiert, die wie sie mit dieser besonderen Eigenschaft durchs Leben gehen. Unser Organismus ist darauf ausgelegt, einen Großteil der täglich auf uns einprasselnden Informationen herauszufiltern. Schätzungen zufolge fällt diese Filterfunktion bei etwa 20 Prozent der Menschen so schwach aus, dass sie den Alltag sehr viel feinkörniger erleben: Die Emotionen anderer Menschen, Geräusche, kraftmeiernde Rituale unter Jugendlichen – all das durchflutet ihr Bewusstsein, was oft dazu führt, dass sie bereits als Kinder eine Tendenz entwickeln, sich gerne in ihre eigene Welt zurückzuziehen.
Oft reagiert die Umwelt irritiert. In der Klasse gelten sie eher als wunderlich. Väter verstehen nicht, warum ihr Kind so eine Angst vor neuen Situationen hat. Lehrer meinen, es sei wichtig, alle Kinder gleich zu behandeln. Mit der fatalen Folge, dass hochsensible Kinder rasch ins Abseits geraten. Als Coach hat Marletta-Hart bemerkt, wie oft das Thema Selbstbewusstsein sich wie ein roter Faden durch das Leben dieser Menschen zieht. Das Gefühl, nicht richtig zu sein, den Anforderungen unserer Höherschnellerweiter-Welt nicht gerecht werden zu können. “Heutzutage ist Hochsensibilität als Phänomen in der Gesellschaft angekommen”, hat sie beobachtet. “Sie lädt uns dazu ein, einige unserer Normalitäten in Frage zu stellen”, ist Marletta-Hart überzeugt, dass moderne Zivilisationen diese Eigenschaften nicht ohne Grund hervorbringen.
Das Grundrecht, so zu sein, wie man ist – das Fundament der humanistischen Psychologie – ist in der von Marletta-Hart vorgeschlagenen Erziehung der absolute Leitwert. Hochsensiblen Kindern also zuzugestehen, dass sie die Welt anders erleben. Und ihnen gleichzeitig das Wagnis zuzumuten, hin und wieder über sich hinauszuwachsen und eine Situation zu meistern, vor der sie im ersten Moment einfach nur wegrennen möchten. Ein Balanceakt für den Erziehenden, dem mit einfachen Regeln nicht beizukommen ist. Denn auch für Eltern und Erwachsene ist das Einlassen auf hochsensible Kinder ein Abenteuer, das immer wieder den eigenen Horizont weitet und so eine Kommunikation kultivieren kann, die achtsamer für die Bedürfnisse des Einzelnen ist. Dann entwickeln hochsensible Kinder sich zu selbstbewussten Erwachsenen und haben, wie ihn alten Weisheitskulturen, die Chance, ihr volles Potential in unsere Gesellschaft einzubringen. Mit vielen Berichten und Beispielen zeigt Marletta-Hart auf, wie dieser Schritt gelingen kann.
“Meisterschaft im Leben zu erlangen” ist der “rote Faden”, der uns bei der Auswahl der Themen und Manuskripte leitet.
Auch wenn er für uns und unsere Leser dabei nicht immer an der Oberfläche sichtbar wird.
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