Im Februar 2014 startete die von der russischen Milliardärin und Philanthropin Elena Baturina gegründete globale philanthropische Stiftung BE OPEN in Neu-Delhi (Indien) ihr neues weltweites Projekt “Made in…”, das sich auf in Handarbeit hergestellte Produkte und deren zukünftigem Fortbestand konzentriert.
Jedes Jahr legt BE OPEN ein Thema fest, das als Leitmotiv für die Forschungsarbeit dient, “Made in…” ist Teil des diesjährigen Programms: Nord/Süd – Ost/West. So wird die Stiftung 2014 um die ganze Welt reisen, um sich mit den verschiedenen Kulturen, Techniken und Ansätzen der Handarbeit und ihrer Zukunft zu befassen.
Diese Entdeckungsreise beginnt nicht zuletzt deshalb in Indien, weil dessen Kultur eine faszinierende und krasse Dichotomie zwischen Tradition und Moderne aufweist. Indien verfügt über ein immenses Erbe an handwerklichem Wissen und dem Willen, dieses in die Zukunft zu übertragen.
In Zusammenarbeit mit lokalen Experten hat BE OPEN die vielversprechendsten indischen Designer ausgewählt und ihnen eine Plattform dafür gegeben, ihre Arbeiten unter einem völlig neuen Blickwinkel zu präsentieren, um so ein viel größeres, internationales Publikum anzusprechen. So werden derzeit die Werke von 23 indischen Designern im Rahmen der Ausstellung “Made in India: Samskara” im Indira Gandhi National Centre for the Arts in Neu-Delhi präsentiert.
1) Das diesjährige Thema von BE OPEN ist “Nord/Süd – Ost/West”. Was hat Sie dazu bewegt, nach Indien zu kommen und was ist Ihre Vision für “Made in…India”?
Man hört viel von der Energie Indiens, seiner außergewöhnlichen und lebendigen Mythologie, der Gegenwart seiner Vergangenheit, seiner Spiritualität und zugleich seiner Aktualität. All das ist wahr und deshalb eignet sich Indien als Ausganspunkt für unsere globale Mission bestens, die Vergangenheit in die Zukunft zu übertragen. Es ist ein Ort, an dem Gegenwart und Vergangenheit Seite an Seite existieren. Es ist nicht einfach, beides im Gleichgewicht zu halten, aber es ist es wert, da sie einander sehr viel geben können.
Seit der Zeit der Moguln über die Rajputen bis in die Gegenwart war und ist es die Aufgabe indischer Handwerker, Marmor, Holz und Stein zu schnitzen und einzusetzen, in Seide zu weben und in Ton zu formen. Die Ausstellung “Made in…India” zeigt Möbel und Geschirr, Textilien und Schmuck, die fantasievolle Neuinterpretationen traditioneller Handwerkskunst durch zeitgenössische indische Designer darstellen.
Aber es geht bei dem Projekt auch darum, ein Gefühl des Stolzes auf einheimische Fertigkeiten zu wecken. Ich denke, dass es die Inder selbst überraschen wird, wozu einheimische Handwerker in der Lage sind. Wir möchten, dass sie diese Ideen weiterentwickeln und damit anfangen, für sich selbst die Zukunft des Designs zu gestalten.
Unser Ziel ist es, Handwerkskunst für das gegenwärtige und das zukünftige Publikum zu sichern und dabei der Vorstellung von dem, was “Made in India” bedeutet, einen neuen Wert zu verleihen.
2) “Made In… India” macht sich besonders für in Handarbeit hergestellte Produkte stark. Warum haben Sie sich dazu entschlossen?
Das Handwerk ist die Urform des Designs, in der die Menschen Ästhetik und Funktionalität miteinander verbinden. “Made in…” bietet eine Möglichkeit, Wege zu erkunden, auf denen sich verschiedene Kulturen begegnen und traditionelles Handwerk durch Innovation und Technik mit in die Zukunft genommen werden kann. Diese Reise wird durch die Teilnahme einer neuen Generation von Handwerkern und Designern sowie Studenten, Wissenschaftlern und Einzelhandelsexperten bereichert, die uns beim Sammeln von Eindrücken und Lösungsansätzen für die Zukunft unterstützen.
Zur Gestaltung einer ansprechenden, überzeugenden und nachhaltigen Zukunft müssen wir die Vergangenheit als Grundlage nehmen. Die dem Design zugrundeliegenden handwerklichen Fertigkeiten müssen lebendig gehalten werden, um zeitgenössische Hersteller auch zukünftig inspirieren zu können. Es gibt unzählige Arten an Handarbeitsfertigkeiten aus ganz Indien, die wir in der Ausstellung von BE OPEN zeigen werden.
Durch Gespräche mit den für Kultur zuständigen Regierungsbehörden hier in Indien haben wir herausgefunden, dass die im Kunstgewerbe tätigen Handwerker und Menschen dazu ermutigt werden müssen, auch zukünftig nachhaltig zu arbeiten und die Erneuerung des Handwerks und die Ausbildung nachfolgender Generationen zu einem Teil ihres Geschäftsmodells zu machen. Die einzige Möglichkeit, das nationale Erbe und die Traditionen aufrechtzuerhalten ist, sie aufzufrischen und ihnen neue Kraft zu verleihen. Wir hoffen, dass das Projekt “Made in…” in den verschiedenen besuchten Ländern einen Beitrag dazu leisten wird. Indien ist lediglich der Ausgangspunkt unserer weltweiten Suche nach in Handarbeit gefertigten Produkten. Wir freuen uns auf das Erleben kultureller Unterschiede, wollen daraus lernen und sehen, wie unterschiedliche Gemeinschaften ihre traditionellen Fertigkeiten neu beleben und dazu nutzen, um Produkte für die Zukunft zu schaffen. Die Idee dahinter ist, Arbeitsstile aus der ganzen Welt zusammenzuführen um, wie wir hoffen, neue Kooperationen und innovative kreative Schaffensweisen einzuleiten.
Tatsächlich finden sich in dieser Ausstellung Beispiele neuer genreübergreifender Projekte. Zum Beispiel haben die Künstler Thukral & Tagra eine iPod-Ladestation und Lautsprecher aus Terrakotta geschaffen. Sahil & Sarthak haben einen mehr als einen Meter langen Pookalam-Kronleuchter aus antikem Gold und Emaille entworfen; Abraham & Thakore und Rahul Mishra haben ihr Gespür für Mode dazu verwendet, ganz besondere Möbelstücke zu designen.
Daher hoffen wir, dass unsere Ausstellung die Aufmerksamkeit auf die Zukunft von Design, Handwerk und kulturübergreifender Zusammenarbeit lenken und Künstler wie Handwerker zu aufregenden neuen Arten des Arbeitens anregen wird.
3) Was hat Sie dazu gebracht, für dieses Projekt mit Sunil Sethi und Anupama Kundoo zusammenzuarbeiten?
Für “Made in…” sind wir eine Reihe von strategischen Partnerschaften auf der ganzen Welt eingegangen, wie unsere vielseitige Vortragsreihe mit Rednern aus aller Welt zeigt. Darin finden sich Beiträge von Experten aus Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, den USA und natürlich aus Indien, die ihre Erfahrung mit uns teilen und ihre ganz eigenen Visionen für die Zukunft des Handwerks in einer globalisierten Welt erörtern werden. Sie alle sind wichtige Vertreter des zeitgenössischen Designs, deren Namen internationalen Klang haben. Dazu zählen Angelika Taschen, deren kreative Veröffentlichungen Kultcharakter haben und die sich selbst schon seit vielen Jahren Design und Stil aus Indien widmet; Raymond Simpson, der mehr als zwanzig Jahre Erfahrung im Geschäft mit dem Luxusprodukt an sich, also dem Geschäft mit Diamanten, hat; und Armando Branchini, der die gesamte Bandbreite italienischer Luxusunternehmen und -marken repräsentiert.
Wir freuen uns, dass wir überall auf Verständnis und kreativen Enthusiasmus stoßen: All die Menschen, die als Redner, Kuratoren, Berater oder Entwickler an diesem Projekt beteiligt sind, tragen unschätzbar zur weltweiten Wirkung und Präsenz von BE OPEN bei.
Sunil Sethi war für uns eine selbstverständliche Wahl, da er seit mehr als 10 Jahren indisches Design im Ausland fördert und dadurch die Wahrnehmung der Handwerkskunst seines Heimatlandes stärkt. “Made in India” ist ein Projekt, das hervorragend zu seiner Arbeit passt. Er hat uns dabei geholfen, die derzeit wichtigsten Vertreter der Designbranche Indiens ausfindig zu machen.
Das Bestreben Anupamas, mit talentierten Handwerkern zusammenzuarbeiten, passt ebenfalls hervorragend zu unserem Projekt. Ihre Installation auf der Architekturbiennale 2012 in Venedig hat die Welt auf ihre Arbeitsmethode aufmerksam gemacht und ihr viel Lob beschert. Deshalb ist sie jetzt auch an verschiedenen Projekten weltweit beteiligt. Wir fühlen uns sehr geehrt, sie für uns arbeiten zu lassen und sie mit einer komplett neuen Gestaltung beauftragen zu dürfen, die den Ton der gesamten “Samskara”- Ausstellung angeben wird.
Zusammenfassend gesagt ist es faszinierend, Teil des kreativen Prozesses bei der Entwicklung dieses Projekts und dem damit verbundenen belebenden Austausch an Ansichten, Gedanken und Ideen sein zu dürfen: Es ist die Inspiration, die BE OPEN weiter vorantreibt.
4) Samskara, die Ausstellung von “Made in…India”, zeigt alles von Möbeln und Geschirr bis zu Textilien und Schmuck. Gibt es einen Grund dafür, warum sie es nicht auf nur eine Interpretation von Design beschränkt haben?
Unsere Herangehensweise an dieses Projekt war empirisch. Das Team von BE OPEN ist eine internationale Gemeinschaft kreativer Köpfe und Unternehmer, entsprechend breitgefächert war unsere Arbeit. Als Ergebnis der Erkundung verschiedener Teile des Landes und der Entdeckung der großen Vielfalt seiner Handwerkskunst haben wir ein kulturübergreifendes Mosaik an Ergebnissen gestaltet.
Wir haben eine unglaubliche Vielfalt an im heutigen Indien praktizierter Handwerkskunst entdeckt und wollten die gesamte Bandbreite fördern, also haben wir uns dazu entschlossen, ein breites Spektrum an Arbeiten auszustellen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass Design dazu in der Lage ist, praktisch jeden Lebensbereich zu verbessern. Wie können wir da bzw. warum sollten wir also die Kreativität der beteiligten Designer einschränken? Jeder der Designer ist auf seine eigene Weise einzigartig, jeder hat ein feines Gespür für sein ästhetisches Erbe und jeder hat seine bemerkenswerte Fähigkeit aufgezeigt, das reiche Erbe der einheimischen Handwerkskunst in eine zeitgenössische Realität zu verwandeln. Was sie erschaffen, ist nicht für Museen gedacht, ihre Arbeiten sind keine statischen Ausstellungsstücke, sondern strotzen vor Lebendigkeit und sind der Beweis für aufregende, neue Arten des Arbeitens. Sie passen hervorragend in unser alltägliches, modernes Leben und verbessern die Welt, in der wir leben.
5) Sie haben gesagt, dass eine “Designvision der Zukunft” zwar nicht möglich ist, Sie aber hoffen, dass BE OPEN es der nächsten Generation gestatten wird, in einer schönen, freundlichen Welt zu leben. Wie ist diese Reise bis jetzt verlaufen?
Jede Zukunftsvision ist praktisch unerreichbar. Das bedeutet aber nicht, dass wir es nicht versuchen sollten!
Das von uns gewählte Mittel ist Design im weitesten Sinne des Wortes, die interdisziplinäre Verwirklichung des menschlichen Genies und des angewandten Handelns. Wir sind der Ansicht, dass Kreativität die Zukunft gestalten sollte.
Deshalb sind wir hier: um Visionäre aus der ganzen Welt zusammenzubringen, damit sie miteinander in Kontakt treten, Ideen austauschen, zusammen forschen und ihr Denken gegenseitig anregen können. Junge Menschen brauchen Inspiration, um ihr Denken entfalten zu können und sie benötigen Bestätigung und Unterstützung, um ihre Tätigkeit weiterzuentwickeln. Dies ermöglichen wir durch Beratung, Meisterklassen und Preisverleihungen. Wir bieten etablierten Designern eine Plattform, damit sie ihr Wissen und ihre Erfahrung mit der jüngeren Generation teilen können.
Es war inspirierend und ermutigend zu sehen, wie Studenten und aufstrebende Designer aus der ganzen Welt Arbeiten für unsere Wettbewerbe eingereicht haben. Es gibt da draußen so viele wunderbare Köpfe und wir können ihnen nicht nur eine globale Plattform für die Ausstellung ihrer Arbeiten bieten, sondern wir können auch wichtige Personen zusammenbringen, Ideen zur Umsetzung zusammenführen und letztendlich neue Ideen erschaffen.
Die gesamte Arbeit von BE OPEN basiert auf der Überzeugung, dass Kreativität nicht durch die Zukunft aufgebraucht werden darf, sondern dass Kreativität die Zukunft gestalten soll! Das ist unsere Zukunftsvision – ein Ort, an dem junge Talente gefördert werden und kreative Köpfe die Führung übernehmen, Geschäftsmodelle Früchte tragen und Experimente Realität werden können.
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