Kritische Fehler bei der Agilen Transformation

Kritische Fehler bei der Agilen Transformation

Derzeit beschäftigen sich fast alle größeren Organisationen und Unternehmen mit dem Thema Agilität. Die umfangreichen Veränderungen rund um Digitalisierung, Industrie 4.0, künstliche Intelligenz sowie der durch die gute Konjunktur verstärkte chronische Mangel an Fachkräften erfordern in der Tat neue Ideen, um auf die anstehenden Herausforderungen flexibel zu reagieren.

Daher wird seitens des Top-Managements häufig eine “Agile Transformation” gefordert. Doch der unreflektierte Einsatz von agilen Methoden führt oft nicht zum gewünschten Ziel. Statt größerer Flexibilität und erfolgreicher Bewältigung komplexer Projekte mit hoher Unsicherheit entsteht Frust durch halbherzige oder gar gescheiterte Implementierungen agiler Ansätze.

Dies liegt häufig an falschen Vorstellungen, mangelnder Vorbereitung und einer Umsetzung, bei der nur einige wenige Teams agil arbeiten, der Rest des Unternehmens aber die alte Struktur beibehält.

 

Die drei kritischen Fehler bei der agilen Transformation:

1. Kritisches Projekt plus agiles Change-Projekt

Wenn einem Projekt, das sich sowieso schon in schwierigem Fahrwasser befindet, noch zusätzlich (sozusagen als Medizin) ein agiles Change-Projekt aufgesattelt wird, ist das Chaos komplett. Der agile Ansatz soll dann retten, was ohnehin nur unter Schwierigkeiten und Schmerzen zu retten wäre. Statt die schwierige Projektsituation von Grund auf neu zu strukturieren und den Druck aus dem Projekt zu nehmen, wird versucht mit Hilfe von agilen Methoden noch das letzte Quäntchen Effizienz zu schöpfen.

 

2. Mangelnde Schulung der Mitarbeiter

Werden die Teams nicht ausreichend auf eine agile Arbeitsweise trainiert und Agilität konsequent in allen Unternehmensbereichen umgesetzt, führt das zu völliger Verwirrung. Plötzlich werden aus Projektbesprechungen „Sprint Meetings“, freilich ohne sich an “Timeboxing” oder anderweitige agile Gepflogenheiten zu halten. Aufgabenlisten heißen jetzt plötzlich “Backlog'” und jede Idee wird zu einer “Product Vision”. Mitarbeiter, die in mehreren Projekten gleichzeitig aktiv sind, wandern dann von einem “Daily” zum nächsten und verbringen den Tag mit noch mehr Besprechungen als zuvor. Statt die Arbeitsbelastung zu begrenzen und den berüchtigten Sägezahn-Effekt, der beim Umschalten zwischen vielen unterschiedlichen Aufgaben entsteht, zu vermeiden (also “Limit Work in Progress” zu leben), wird eine Art agiler Zusatzstress erzeugt, der die Situation nicht verbessert.

 

3. Halbherzige Implementierung

Oft fehlen für eine wirklich agile Umsetzung grundlegende IT-Tools wie z.B. eine geeignete Projektmanagement-Software. Auch wenn eine agile Projektmanagementsoftware nicht explizit Bestandteil der Scrum-Definition ist, so ist sie doch unerlässlich, um effizient arbeiten zu können. Kanban-Boards aus Papier mit bunten Post-It’s sind perfekt für einen Team-Workshop geeignet. Aber zur transparenten Steuerung komplexer Projekte ist die Papierversion eher nicht praktikabel und verkommt nach einer initialen Phase der Euphorie häufig zu einer Art Bürodekoration.

 

Die Lösung: Ganzheitliche agile Transformation vs „agile Inseln“

Die agile Transformation ist daher nicht mit der Einführung von ein paar Scrum-Teams erledigt. Sie erfordert eine ganzheitliche Neuordnung des Unternehmens bis hinein in die Vergütungssysteme, die mehr die Leistung des gesamten Teams anstelle von individuellen Boni betonen.

Ebenso sollte nicht ein Gruppenleiter automatisch zum „Product Owner“ definiert werden, nur um bisherige Hierarchien beizubehalten. Insbesondere skalierte agile Systeme wie SAFe oder Nexus erfordern es, nicht nur agile Inseln zu bauen, sondern mehrere Teams und crossfunktionale Einheiten aufeinander zu synchronisieren. Erst dadurch ergeben sich leistungsstarke Einheiten, die in der Lage sind, hochkomplexe Projekte mit größerem personellen Umfang agil und vor allem erfolgreich zu meistern.

Eine erfolgreiche Einführung von Agilität ist daher ein langwieriger und dauerhafter Prozess, der einiges an Zeit und Durchhaltevermögen erfordert. Der Weg muss einerseits gut geplant sein, erfordert aber trotzdem ein iteratives, schrittweises Vorgehen, eine gewisse Experimentierfreude und das positive Akzeptieren von Fehlern.

 

(Autor: Dr.-Ing. Peter Klausmann, Faircoach GmbH)

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