Auszug aus dem Roman: “Kopfschlächter – Die sieben Todsünden”
Wir stechen aus der Masse der Fremdarbeiterinnen heraus. Nicht deshalb, weil wir Männer sind, sondern weil das Aushilfspersonal bunte Haarnetze trägt. Die Rumäninnen tragen schwarze Haarnetze oder Mützen, Polinnen sind grün gekennzeichnet und alle Südländerinnen blau. Dadurch weiß man sofort, wer vor einem steht und wie man die Person anzusprechen hat. Mitarbeiter, die weiße Mützen oder Haarnetze tragen, gehören zum Stammpersonal und sprechen daher natürlich deutsch. Und Fremdarbeiter, die neben ihrer Muttersprache über deutsche Sprachkenntnisse verfügen, sind zusätzlich durch weiße Armbinden markiert.
Für uns Schlächter sind die Mädels eine willkommene Abwechslung. Es macht Spaß, mit ihnen zu feixen und ihnen in den prallen Po zu kneifen. Man kann mit ihnen derbe umgehen, kommen sie doch aus Osteuropa und sind froh, hier einen Job gefunden zu haben.
Die Mädels können so einiges vertragen – und wenn man anzüglich wird, so beschweren sie sich nicht, da sie Angst um ihren Job haben. Die osteuropäischen Frauen arbeiten nur zeitweise hier. Sie kommen in Kolonnen, bleiben für drei Monate und werden dann gegen neue Kräfte aus ihrer Heimat ausgetauscht. Frischfleisch für uns.
Für die Mädels lohnt es sich. Hier verdienen sie vier Euro die Stunde. In ihrer Heimat sind sie arbeitslos, kümmern sich um ihre Kinder und um die trunkenen Ehemänner oder haben Jobs, in denen sie viel weniger verdienen als hier.
Die Arbeiterinnen achten auch nicht auf die Arbeitszeiten. Warum auch. Jede Stunde bringt ihnen bares Geld und in ihrer Freizeit hängen sie eh nur in der Siedlung rum. Hier in Köln haben die Vertragsfirmen, über die die Arbeiterinnen am Schlachthof angestellt sind, billige Wohnungen in den ehemaligen belgischen Kasernen in Ossendorf oder in Chorweiler angemietet. Oftmals teilen sich vier Frauen ein Zimmer. Vom Gefühl her muss das wohl wie auf einer Bundeswehrstube sein. Aber den Frauen ist das egal. Sie sind eh nur für ein paar Monate hier. Und bessere Wohnverhältnisse würden ihr Einkommen schmälern. Sie arbeiten oftmals sechs Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag und kommen somit auf über tausend Euro im Monat. Deutsche Frauen würden für vier Euro Stundenlohn mit Sicherheit nicht arbeiten.
Früher waren hier viele Kölnerinnen im Schlachthof beschäftigt, aber die Fleischindustrie muss die Kosten im Griff halten. Aldi, Lidl, REWE und McDonald”s drängen auf preiswertes Fleisch. Und die Mastbetriebe sind durch die steigenden Futtermittelpreise an ihre finanziellen Grenzen gestoßen. So muss halt am Arbeitslohn gespart werden.
Ehrlich gesagt, sind mir die osteuropäischen Frauen auch viel lieber. Vor zwei Jahren hat das Arbeitsamt oft deutsche Frauen zu uns geschickt. Denen war die Arbeit zu ekelig oder zu schwer, die Räume zu kalt oder der Kaffee zu heiß, die Tiere zu wild oder zu tot. Und am zweiten Tag ward von den Deutschen keine mehr gesehen.
Die Schlachthofleitung ist bei der ganzen Sache auf der sicheren Seite, da die osteuropäischen Frauen über Subunternehmer angestellt sind. Irgendwie ist das schon witzig: Der Kölner Schlachthof liegt im “Wirtschaftszentrum West” und die Frauen kommen aus Osteuropa. Na, ja – auch ein Weg der Völkerverständigung. www.kopfschlaechter.de
Kopfschlächter – Die sieben Todsünden
Eine Erzählung: 10 % Rinderblut. 90 % Druckerschwärze. 100 % Hart.
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Kopfschlächter
Tristan vom Wahn
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