ARAG Experten informieren darüber, wie man eine Pflegefamilie wird.
81.400 Kinder oder Jugendliche unter 18 Jahren lebten laut Statistischem Bundesamt 2018 in einer Pflegefamilie. 28 Prozent davon bei Verwandten, die restlichen Pflegekinder in einer fremden Familie. Die Zahl der Pflegekinder nimmt seit Jahren zu. Damit steigt auch die Nachfrage nach Pflegefamilien. Durchschnittlich sind es 30 Monate, die Kinder bei ihren “Eltern auf Zeit” verbringen. Kinder, die vom Jugendamt in Obhut genommen werden, tragen oft schweres seelisches Gepäck. Daher sollten Pflegeeltern gut vorbereitet sein. Die ARAG Experten geben einen Überblick über das Pflegekinderwesen.
Wo bewirbt man sich?
Ist der Entschluss gefasst, führt der erste Schritt zum zuständigen Jugendamt. In einem telefonischen oder – sofern Corona-bedingt möglich – persönlichen Gespräch klärt sich in der Regel bereits, ob eine Bewerbung als Pflegefamilie Aussicht auf Erfolg hat. Ein Pflegekind kann man unabhängig von der Lebensform oder vom Familienstand aufnehmen. Die Chancen auf eine Zusage stehen aber am besten bei verheirateten Paaren oder langjährigen Lebensgemeinschaften, egal ob hetero- oder homosexuell.
Ist die Bewerbung eingereicht, führt das zuständige Jugendamt mehrere Gespräche und macht einen Hausbesuch. Der Weg von der Bewerberliste bis zur endgültigen Entscheidung kann durchaus mehrere Monate dauern. In einem Seminar werden die potenziellen Pflegeeltern auf ihre neue Aufgabe vorbereitet.
Pflegekind vs. Adoptivkind
Die Pflegschaft für ein Kind ist unter juristischem Gesichtspunkt deutlich von einer Adoption zu unterscheiden, bei der die Eltern automatisch sämtliche Rechte erhalten – einschließlich des Sorgerechts. Adoptiveltern sind mit leiblichen Eltern gleichzusetzen, während Pflegeeltern leibliche Eltern teilweise auf unbestimmte Zeit entlasten. Denn das Ziel ist es stets, das Kind möglichst zeitnah wieder in die leibliche Familie zu bringen. Den genauen Zeitrahmen legen Jugendämter und Gerichte fest – ebenso wie die Aufgaben, die Sie als Pflegeeltern übernehmen. Rechtlich bleibt ein Pflegekind also weiterhin das Kind der Herkunftsfamilie.
Solange den leiblichen Eltern das Sorgerecht nicht entzogen wurde, können diese alle wesentlichen Entscheidungen weiterhin selbst treffen. Das gilt zum Beispiel für die Schulwahl. Alltagsentscheidungen werden indes von den Pflegeeltern übernommen, wenn das Kind länger dort lebt. Familien, die Pflegekinder aufnehmen, haben einen Anspruch auf finanzielle Leistungen gegenüber dem Jugendamt.
Voraussetzungen für eine Pflegschaft
Eine Partnerschaft oder Ehe erleichtert den Prozess unter Umständen, ist aber nicht zwingend erforderlich. Wenn bereits eigene Kinder im Haushalt leben, muss das aufgenommene Pflegekind mindestens zwei Jahre jünger sein als das jüngste eigene Kind.
Es muss zudem genug Wohnraum zur Verfügung stehen. In vielen Gemeinden wird ein eigenes Zimmer von mindestens zehn Quadratmetern vorausgesetzt, in welchem sich das aufgenommene Kind frei entfalten kann. Weitere Voraussetzungen sind Atteste zum Gesundheitszustand sowie ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis beider Pflegeeltern.
Pflegegeld
Für die Betreuung und Verpflegung eines Pflegekindes wird Pflegegeld gezahlt. Es setzt sich aus verschiedenen Fördermitteln zusammen, die je nach Bundesland und Kommune bzw. Landkreis variieren können. Das Grundpflegegeld ist nach Alter gestaffelt. Je älter das Kind, desto höher die Leistungen. Hinzu kommt ein altersunabhängiger Beitrag für die Erziehungsleistung. Weitere Leistungen in Form von Versicherungen und Altersvorsorge für einen erziehenden Elternteil können übernommen werden. Außerdem stehen Pflegeeltern bis zu 50 Prozent des Kindergeldes zu. Hier muss berücksichtigt werden, ob das aufgenommene Kind das älteste in der Familie ist oder nicht.
Das Pflegegeld von der Kommune darf keinesfalls die einzige Einnahmequelle der Pflegeeltern sein. Diese müssen finanziell abgesichert sein und bei einer Partnerschaft nachweisen, dass die Finanzierung des aufgenommenen Kindes auch ohne den Verdienst des Partners möglich ist.
Namen der Pflegeeltern annehmen
Wenn es für das Kind besser ist, darf ein Kind wie seine Pflegeeltern heißen. Dabei verweisen die ARAG Experten auf einen konkreten Fall, in dem das Kind seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern lebt. Es trug den Familiennamen der leiblichen Mutter. Auf seinen Wunsch hin und im Einverständnis mit den Pflegeeltern durfte es deren Namen übernehmen. Das Wohl des Kindes sollte so dauerhaft gesichert werden. Die Klage des leiblichen Vaters hatte keinen Erfolg (Verwaltungsgericht Mainz, Az.: 4 K 464/14.MZ).
Weitere interessante Informationen unter:
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