ARAG Experten über berufstätige Eltern, kranke Kinder und geschlossene Einrichtungen
Laut Statistischem Bundesamt sind in Deutschland 92 Prozent der Väter und 67,7 Prozent der Mütter sowie 70,1 Prozent der alleinerziehenden Mütter von minderjährigen Kindern berufstätig und stemmen tagtäglich die Herausforderung zwischen Beruf und Familie. Bereits jetzt ziehen die ersten Viren und Bakterien ihre Kreise durch Schulen und Kindergärten. Auch im Hinblick auf die Pandemieentwicklung könnte es bald wieder zu Betreuungsengpässen kommen. Zum Tag der berufstätigen Eltern am 16. September 2022 geben die ARAG Experten einen Überblick über aktuelle Regelungen.
Kind krank
Wenn Kinder krank werden, müssen sie selbstverständlich betreut werden. Aber wer kümmert sich um den kranken Nachwuchs, wenn beide Eltern berufstätig sind? Es gibt zwar einen grundsätzlichen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung (Paragraf 616 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) und auch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts dazu (Az.: 5 AZR 834/76), aber in der Praxis wird dieser Anspruch laut der ARAG Experten meistens im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen. Dennoch haben gesetzlich versicherte Arbeitnehmer für Kinder unter zwölf Jahren – bei behinderten Kindern gibt es keine Altersgrenze – ein Recht auf (unbezahlte) Freistellung nach Paragraf 45 Sozialgesetzbuch (SGB) V und bekommen dann auch das sogenannte Kinderkrankengeld. Für privat versicherte Elternteile und Kinder greift § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz, wenn die Kita schließt oder das Kind in Quarantäne muss.
Kinderkrankengeldtage
Im Zuge der Pandemie wurde die Anzahl der Kinderkrankentage ausgeweitet. So soll es Eltern ermöglicht werden, sich unkompliziert und ohne finanzielle Verluste um ihre Kinder zu Hause zu kümmern. Statt eigentlich zehn Arbeitstagen je gesetzlich versichertem Kind und pro Elternteil dürfen derzeit 30 Arbeitstage für die Betreuung und Pflege genommen werden, für Alleinerziehende sind es statt 20 Tagen aktuell 60 Tage pro Kind. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch je Elternteil für maximal 65 Arbeitstage, für Alleinerziehende für nicht mehr als 130 Arbeitstage. Die Corona-bedingte Sonderregelung soll bis zum 7. April 2023 gelten, sofern die Länder dem Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung vor Covid-19 zustimmen.
Um Kinderkrankengeld zu bekommen, müssen beide Eltern einen Beruf ausüben. Zudem darf es keine weitere Person im Haushalt geben, die sich gegebenenfalls um den kleinen Patienten kümmern könnte. Darüber hinaus muss das kranke Kind im selben Haushalt leben wie der pflegende Elternteil. Ist ein Kind erkrankt, bekommen Eltern vom betreuenden Arzt auf Wunsch ein Attest. Zusammen mit einem Antrag auf Kinderkrankengeld, der in der Regel online von den Krankenkassen zur Verfügung gestellt wird, wird das Attest sowohl an den Arbeitgeber als auch an die Krankenkasse geschickt.
Wie viel Geld Eltern von der gesetzlichen Krankenkasse bekommen, ist gesetzlich festgelegt und abhängig von der Höhe des Einkommens. Es beträgt in der Regel 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts. Abgerechnet werden die zusätzlichen Leistungen über die gesetzlichen Krankenkassen. Das Geld erhalten Eltern als Lohnersatzleistung der Krankenkasse steuerfrei. Aber durch den sogenannten Progressionsvorbehalt kann anderes Einkommen, etwa aus Vermietung oder Verpachtung, höher versteuert werden. In diesem Zusammenhang weisen die ARAG Experten darauf hin, dass das Kinderkrankengeld bei der Einkommensteuer angegeben werden muss.
Kinderkrankengeld im Homeoffice
Nach Auskunft der ARAG Experten haben auch arbeitende Eltern im Homeoffice einen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Aber wie so oft kommt es immer auf den Einzelfall an. Handelt es sich beispielsweise um eine einfache Erkältung, dürfte die Arbeit im Homeoffice und die Betreuung des schniefenden Kindes – natürlich abhängig von dessen Alter – möglich sein. Ist der kleine Patient jedoch ernsthaft erkrankt, kann die Pflege unter Umständen sehr zeitintensiv und mit Arztbesuchen oder anderen medizinisch notwendigen Terminen verbunden sein. In diesem Fall kann unabhängig vom Ort der Arbeit ein Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn der Arzt die Notwendigkeit der Betreuung attestiert.
Betreuungs- und Bildungseinrichtungen geschlossen
Durch die Corona-Pandemie wurden die Regelungen zum Kinderkrankengeld nicht nur im Umfang der Tage erweitert. Erfolgen Corona-bedingte Schließungen der Schulen und Kitas aus Infektionsschutzgründen, wird das Kinderkrankengeld ebenfalls ausgezahlt. Hierzu genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung, um den Anspruch bei der Krankenkasse geltend zu machen. Diese Regelung läuft allerdings zum 23. September 2022 aus.
Sind Tagesmutter oder Tagesvater erkrankt, haben Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf eine Vertretung, die durch das Jugendamt gewährleistet werden muss. Um sich im Ernstfall gegenseitig vertreten zu können, kooperieren viele Tagespflegepersonen miteinander und bieten im Vorfeld gegenseitige Kennenlerntage an oder besuchen die Kinder in der vorrangigen Tagespflege. Die ARAG Experten raten Eltern, beim Abschluss eines Tagespflegevertrages darauf zu achten, dass das Kind die Krankheitsvertretung kennt und die Betreuungszeiten vorher abgestimmt wurden.
Ist der Krankenstand in einer Kita sehr hoch und es fehlt deutlich mehr als die Hälfte des Personals, kann es sogar vorkommen, dass die Kita die Kinder nicht mehr betreuen kann, beziehungsweise darf. Zunächst müssen die Kitas selbst eine Ersatzbetreuung, z. B. durch eine ihrer anderen Einrichtungen, bereitstellen. Können sie dies vorübergehend nicht, haben die zuständigen Jugendämter eine Lösung zu finden. Aber auch die Eltern müssen jegliche zumutbare Anstrengung unternehmen, eine alternative Betreuung zu suchen. Erst danach dürfen sie bei vollem Anspruch auf Lohnfortzahlung dem Arbeitsplatz fernbleiben und ihre Kinder zu Hause betreuen. Ausnahme sind Arbeits- oder Tarifverträge, die dies ausdrücklich ausschließen. Doch die ARAG Experten raten Arbeitnehmern, dies mit dem Chef abzusprechen. Vielleicht ist es auch möglich, im Homeoffice zu arbeiten oder das Kind mit zur Arbeit zu bringen. Einige Arbeitgeber haben für diese oder andere Notsituationen extra Mit-Kind-Büros oder ähnliche Räume eingerichtet.
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