Justizministerium Niedersachsen toleriert Morddrohungen gegen Geschäftsmann

Justizministerium Niedersachsen toleriert Morddrohungen gegen Geschäftsmann

Autorin Bettina Raddatz wegen Berichterstattung ebenfalls bedroht

BildDie Buchautorin und Bloggerin Bettina Raddatz aus Hannover – u.a. Die Staatskanzlei und Der Spitzenkandidat – ist bei Recherchen für ihr neues Buch auf einen Justizskandal gestoßen, der einem brisanten, vielschichtigen Thriller in nichts nachkommt.

Seit nunmehr acht Jahren wird der Kaufmann Olaf Mertins aus Hannover verdächtigt, einen Bombenanschlag auf den vormaligen niedersächsischen Justizminister und jetzigen Landtagspräsidenten Bernd Busemann geplant zu haben. Mertins verhandelte Ende 2008 mit dem Oberlandesgericht Celle über Schadensersatzansprüche u.a. wegen Datenschutzverletzungen. Auf Vorschlag des Präsidialrichters Dr. Christian Busse wurde damals ebenfalls das Justizministerium eingeschaltet. Der Präsidialrichter riet dazu, den aus seiner Sicht psychisch auffälligen Kaufmann polizeilich auf Waffen durchsuchen zu lassen. Daraufhin wurde Mertins ins Ministerium gelockt (AZ MJ 3431E-201.742), wo ihn Polizeibeamte im Treppenhaus überwältigten und nach Sprengstoff und Waffen durchsuchten. Auch wenn nichts gefunden wurde, hält sich seither hartnäckig das Gerücht vom “Bombenattentäter” Mertins. Der Büroleiter des Justizministers Bernard Südbeck, inzwischen zum Leitenden Oberstaatsanwalt aufgestiegen, sowie Staatsanwalt Streufert erklärten demgegenüber bereits Mitte Dezember 2008 (StA Hannover, AZ 2182 AR 760/08), dass der Verdacht eines geplantes Sprengstoffanschlags auf einem Fehler/Irrtum in der internen Informationskette beruhe. Trotz dieser Aussagen führte die Polizeidirektion Hannover umfängliche Ermittlungen gegen den Kaufmann durch. Die Polizeimaßnahmen umfassten Telefonüberwachung, Befragungen von Leasingfirmen und Familienangehörigen bis hin zur Ex-Frau. In Folge dessen wurde auch der Niedersächsische Landtag (Vorgangsnummer 200801745810) informiert, dass Mertins im Justizministerium angerufen und gedroht habe, den Minister und sich selbst in die Luft zu sprengen. Eine Fehlinformation, die Büroleiter Südbeck in mehreren Telefonaten mit der Polizei bereits Wochen zuvor auszuräumen versucht hatte.

Zwar wurden die polizeilichen Ermittlungen schon bald eingestellt, der Kaufmann jedoch bis heute nicht rehabilitiert. Nachdem Mertins das Internet nutzte, um sich gegen den in mehreren Ministerien und Behörden verbreiteten Vorwurf zu wehren, ein Bombenattentäter zu sein, reagierten die Landesbehörden verärgert (MJ, AZ 5330 I HB-105.2/08). Der damalige Polizeipräsident Uwe Binias, inzwischen zum Landespolizeipräsidenten aufgestiegen, genehmigte sogar den internen Vorschlag, fortan alle Anzeigen des Kaufmanns unbearbeitet an die Staatsanwaltschaft Hannover durchzureichen (PD Hannover, AZ 200/17 45 810). Selbst als am 29. März 2009 auf den Kaufmann geschossen wurde, fanden nach seinem Eindruck nur halbherzige Ermittlungen statt. Der Täter wurde nie ermittelt und das Verfahren zügig eingestellt.

Einer Klage des Kaufmanns vor dem Verwaltungsgericht Hannover (AZ 10A732/11) auf Feststellung der Unzulässigkeit der polizeilichen Ermittlungen, wurde nur teilweise stattgegeben, wobei die Akten offenkundig nicht vollständig waren. Auf der Webseite der Buchautorin und Bloggerin www.bettina-raddatz.de räumte ein Leser anonym ein, von höherer Stelle veranlasst worden zu sein, Zeugenprotokolle zu kürzen und Vermerke zu schönen. Das Schreiben des inzwischen verstorbenen Richters Dr. Busse vom 11.12.2008 ans Justizministerium nebst Telefonmitschnitt, in dem mit einem Bombenanschlag gedroht worden sein soll, ist erst jetzt in den Akten des Justizministeriums aufgetaucht. Von einem geplanten Bombenanschlag ist hierin keine Rede. Hierauf hat die Pressestelle des OLG Celle gegenüber der Buchautorin und Bloggerin ausdrücklich hingewiesen. Im Gegensatz dazu erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Jörg Fröhlich von der Staatsanwaltschaft Hannover in einem Recherchegespräch mit der Autorin in 2014, aus einem Vermerk des OLG Celle gehe zweifelsfrei hervor, dass Mertins einen Bombenanschlag geplant habe. Vor dem Verwaltungsgericht Hannover wurden Inhalt und Ziel des Gesprächs jedoch bestritten – mehr Details dazu siehe Blogberichte auf www.bettina-raddatz.de.

Seit Veröffentlichung des Beitrages “Bombenattentat Teil 5 – Zuständigkeitsgerangel der Gerichte” wird der Kaufmann mit massiven Drohungen auf sein Leben und das seiner minderjährigen Kinder überzogen: “Nagelt den Bombenattentäter ans Kreuz”, “Die Eliminierung des Terroristen ist dringend geboten”, “Abschlachten die Schweine”. Immer wieder ist auch von Rassestandards die Rede, die gegen den Kaufmann und seine minderjährigen Kindern anzuwenden seien. Die Staatsanwaltschaft Hannover vertrat gegenüber der Buchautorin die Meinung, dass die Morddrohungen strafrechtlich nicht relevant sind (AZ NZS 1181 UJs 107797/16). Die Buchautorin hatte sich zuvor wegen der Todesdrohungen an das Innenministerium und Justizministerium gewandt, die auf die Staatsanwaltschaft verwiesen hatten. Auch dass die Verfasser der Drohmails aus Polizeiakten zitieren, demnach Behördenmitarbeiter sind, wird als strafrechtlich unerheblich bezeichnet. Parallelen zum Fall Gustl Mollath drängen sich auf, da auch er jahrelang schutzlos der Behördenwillkür ausgeliefert war. Auch die Autorin und Bloggerin wurde inzwischen bedroht, wenn sie die Berichterstattung nicht einstelle. Die Sorge bleibt, dass die von der niedersächsischen Justiz tolerierten Todesdrohungen am Ende doch noch umgesetzt werden, zumal den Behörden bekannt ist, dass bereits auf den Kaufmann geschossen wurde.

Nähere Informationen über den Fall und die Autorin finden sich in den Blogbeiträgen 1-5 unter: www.bettina-raddatz.de

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Bettina Raddatz via Braumüller Verlag
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Bettina Raddatz war unter anderem als Referentin im Niedersächsischen Wirtschaftsministerium, als Vorstandsmitglied eines hannoverschen Verkabelungsunternehmens – über das sie ein viel beachtetes Buch (Treu & Glauben – hinter den Kulissen eines Wirtschaftsskandals, Campus-Verlag) geschrieben hat – und als Referatsleiterin in der Niedersächsischen Staatskanzlei tätig, zuletzt als Leiterin des Europäischen Informations-Zentrum Niedersachsen. Sie gewann im Umfeld deutscher Spitzenpolitiker vielfältige Einblicke in den Politikbetrieb, die in ihre Roman-Trilogie “Die Staatskanzlei”, “Der Spitzenkandidat” und “Die Kanzlerkandidatin” über die Landespolitik Niedersachsen einflossen. Sie betreibt zudem einen Blog über Justizopfer.

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