In welcher Sprache verständigen sich Fußballer und Trainer in einem internationalen Team? Slobodan Rajkovic vom Hamburger SV im Interview

(Das Interview führte Bettina Meister für die Arbeitsgemeinschaft inlingua Deutschland.)

In welcher Sprache verständigen sich Fußballer und Trainer in einem internationalen Team? Slobodan Rajkovic vom Hamburger SV im Interview

(NL/1349464010) Hamburg, August 2014.
Bettina Meister (BM): Herr Rajkovic, als international erfolgreicher Fußballspieler sind Sie im Kader der serbischen Nationalmannschaft und seit 2011 beim Hamburger SV. Derzeit fallen Sie mit einem Kreuzbandriss leider verletzungsbedingt aus. Vor dem HSV waren Sie unter anderem für FC Chelsea und Vitesse Arnhem verpflichtet. Als Sie damals den Verein wechselten, sprachen Sie, bis auf ein paar Wörter, kein Deutsch. Hatten Sie deshalb Bedenken, als Sie von England nach Deutschland zogen?
Slobodan Rajkovic (SR): Der Lebenswechsel von England nach Deutschland verlief absolut unkompliziert. Ich wurde beim Hamburger SV super aufgenommen. Die Sprache war kaum ein Problem, da sich alle bemüht haben, mir den Einstieg in Hamburg so leicht wie möglich zu machen. Im Verein waren auch damals schon einige ausländische Spieler, und so haben wir in der ersten Zeit miteinander Englisch gesprochen.

BM: Mit Sicherheit hatten Sie doch gewisse positive oder negative Vorurteile von uns Deutschen. Gibt es denn etwas, auf das Sie sich gefreut haben, bevor Sie nach Deutschland kamen?
SR: Ich hatte keine Vorurteile von Deutschland. Ich habe mich sehr auf Deutschland gefreut und meine positiven Erwartungen wurden bestätigt. Dazu gehören natürlich auch Klassiker wie Pünktlichkeit. Das gefällt mir persönlich sehr gut, da man nur mit Disziplin seine Ziele erreichen kann. Vor allem habe ich mich darauf gefreut, in ein Land zu ziehen, das viel Begeisterung für meinen Sport zeigt.

BM: Und zu diesem Sport gehört ja zumindest beim Publikum zwangsläufig auch das Biertrinken, für das die Deutschen generell als berühmt berüchtigt gelten.
SR: Da ich keinen Alkohol trinke, hat mich die Affinität der Deutschen zu Bier nie beschäftigt.

BM: Was hat Sie besonders bewegt oder erstaunt in puncto Deutschland? Erinnern Sie sich gerne oder ungerne an ein besonderes sprachliches Erlebnis? Oder haben Sie ein deutsches Lieblingswort?
SR: Mich hat die Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft sehr bewegt. Erstaunt war ich nicht, da ich schon viel über dieses Land wusste. Mein Lieblingswort ist: Einschuligum [Entschuldigung]. Es war das erste Wort, welches ich gelernt habe, bevor ich nach Deutschland gekommen bin.

BM: Entschuldigung ist ja ein äußerst schwieriges Wort für den Anfang. Wieso war ausgerechnet dieses Ihr erstes deutsches Wort?
SR: Ein serbischer Freund hat es mit beigebracht. Ich fand das Wort einfach lustig vom Klang und von der Aussprache. Die Bedeutung spielte damals für mich noch keine Rolle. Ich mag die deutsche Sprache sehr gerne. Sie klingt hart, man könnte fast sagen männlich. Das gefällt mir.

BM: Ja, das höre ich im Ausland immer wieder, dass die deutsche Sprache im Klang sehr hart sei. Mittlerweile können Sie sich auf Deutsch verständigen. Als Fußballprofi fehlt Ihnen sicher Zeit für Ihr Privatleben und auch zum Sprachenlernen. Wie konnten Sie die Sprache trotzdem so schnell erlernen? Wurden Sie von Ihrem Verein und privatem Umfeld dabei unterstützt?
SR: Ich bin ein sehr ehrgeiziger und ungeduldiger Mensch. Deswegen wollte ich die Sprache auch möglichst schnell erlernen. Ein guter Freund hat mir dann Sprach-Training bei inlingua vermittelt. Durch das Einzeltraining bei mir zu Hause konnte ich schnell Fortschritte machen. Ich habe auch während des Sprach-Trainings angefangen mit meinen deutschen Freunden SMS auf Deutsch zu schreiben, um nicht mehr ins Englische zu flüchten. Auch wenn Englisch einfacher gewesen wäre. Das Sprechen im täglichen Leben mit Freunden als auch in der Umkleidekabine mit meinen Mannschaftskollegen hat mir dann zusätzlich geholfen, die Sprache schneller zu lernen.

BM: In welcher Sprache verständigten Sie sich zu Beginn Ihrer HSV-Karriere mit dem Trainer, wenn es um Einzelanweisungen ging?
SR: Am Anfang wurde mit mir nur Englisch gesprochen, denn wenn es um Erklärungen vom Trainer ging, war es wichtig, dass ich die Anweisungen direkt verstand. Mittlerweile sprechen wir untereinander aber auch deutsch.

BM: Seit 2011 haben Sie ja einige Trainer erlebt, von denen ein paar Deutsch ebenfalls nicht als Muttersprache sprachen. Wäre es da nicht einfacher, sich stets in der Sprache des Vereins – in diesem Fall Deutsch – zu unterhalten, anstatt sich sprachlich immer wieder auf einen neuen Trainer einzustimmen?
SR: Nein, es war keine Pflicht deutsch zu sprechen. Ich empfinde es jedoch als wichtig, so gut wie möglich mit allen meinen Mannschaftskollegen und dem Trainer kommunizieren zu können. Das ist natürlich am einfachsten, wenn man jeweils die Sprache des anderen sprechen kann. Daher sprechen wir sowohl deutsch als auch englisch untereinander. Nachdem wir als internationales Team schon einige Zeit zusammen sind, und inzwischen alle Deutsch verstehen, werden die Mannschaftsbesprechungen vom Trainer auf Deutsch gehalten.

BM: Was mich schon immer brennend interessiert hat: Wenn der Trainer am Spielfeld steht und eine kurze, schnelle Anweisung an einzelne Spieler geben muss, in welcher Sprache tut er das? Er muss ja schließlich sicher sein können, dass der Spieler ihn innerhalb von Sekunden richtig verstanden hat. Bei der Geräuschkulisse im Stadion ist das rein akustisch ja schon eine Herausforderung, sprachlich aber mit Sicherheit auch, oder?
SR: Die Ansagen des Trainers am Spielfeld kommen auf Deutsch, damit sich jeder darauf einstellen kann und auch trotz der Akustik versteht, was er sagt. Es sind beim Spiel nur kurze einfache Ansagen, die jeder Spieler sofort versteht.

BM: Fußball ist ja schließlich auch eine stark emotional geprägte Sportart. Gefühle lassen sich in einer Fremdsprache meist deutlich schwerer vermitteln als in der Muttersprache. Kommen stark emotionale Äußerungen dann automatisch in der Muttersprache?
SR: Ich bin der Meinung, dass Gefühle und sensible Themen am besten in der Muttersprache ausgedrückt werden können. Da wir uns untereinander gut aufeinander einstellen müssen, lernen wir schnell die Emotionen der anderen auch in anderen Sprachen zu verstehen. In hitzigen Situationen auf dem Spielfeld äußern sich einige Spieler in ihrer Muttersprache. In solchen Fällen ist es bestimmt nicht schlimm, wenn nicht jeder versteht, was gesagt wurde. Da reicht oft allein die Gestik und Mimik aus.

BM: Nun sind Sie gut drei Jahre in Hamburg. Konnten Sie sich denn bereits in Ihrer neuen Heimat einleben und neue soziale Kontakte knüpfen oder ist das aufgrund der Sprache, der unterschiedlichen Kultur und Mentalität für Sie schwierig gewesen?
SR: Schon lange fühle ich mich in Hamburg wie zu Hause. Die Menschen sind sehr offen und haben es mir erleichtert, schnell Kontakte zu knüpfen. Sowohl die Kultur als auch die Mentalität der Hamburger gefällt mir sehr. Die Offenheit der Menschen ermöglichte es mir, trotz mangelnder Sprachkenntnisse, schnell Kontakte zu knüpfen und das Leben in dieser schönen Stadt genießen zu können. Hamburg, es ist meine Heimat geworden.

BM: Ich bedanke mich herzlich für das Interview und wünsche Ihnen eine schnelle Heilung Ihres Kreuzbandrisses und weiterhin viel Erfolg beim Hamburger SV.

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