In Delhi fahre ich nie mit dem Bus!

Interview mit der indischen Frauenrechtsaktivistin Ishita Kaul / SOS-Kinderdörfer stärken Rolle der Frau

In Delhi fahre ich nie mit dem Bus!

(ddp direct) Neu Delhi/München – Am (morgigen) Dienstag beginnt in Neu-Delhi mit den ersten Zeugenbefragungen offiziell der Prozess gegen mutmaßlichen Vergewaltiger einer 23-jährigen Studentin, die an den Folgen der extrem brutalen Tat starb. Sechs junge Männer wurden angeklagt, alle plädieren auf nicht schuldig.

Ishita Kaul (26), Tochter des Präsidenten der SOS-Kinderdörfer international, Siddharta Kaul, engagiert sich seit langem für Frauenrechte in Indien. In unserem Interview erklärt sie, warum Indien eine Veränderung braucht und warum der Status quo für junge Frauen und Männer in Indien unakzeptabel ist

Sie nahmen an den Protesten teil nach der Vergewaltigung der Studentin. Wie ist ihre Haltung zu diesem Verbrechen?

Gewalt gegen Frauen, vor allem Vergewaltigung gibt es in Indien seit langer Zeit. Man liest regelmäßig etwas darüber in den Zeitungen. Einerseits beschämt es mich und macht mich wütend – aber auch hilflos. Hilflos im Sinne von “Das wird sich wohl nie ändern” oder “der Vergewaltiger wird wieder straflos ausgehen.” Aber dieser spezielle Vorfall, seine Brutalität, stellt einen Wendepunkt dar. Die Menschen wurden wachgerüttelt, auch die, die sich bisher in einer Art stummer Komplizenschaft ausruhten.

Fahren Sie hin und wieder Bus?

Ich fahre nie mit dem Bus in Delhi – aus gutem Grund. In London hingegen fahre ich ohne Bedenken bei Tag und Nacht mit dem Bus. In Delhi fahre ich U-Bahn, weil es dort einen Waggon gibt, in den nur Frauen einsteigen dürfen. Dort fühle ich mich einigermaßen sicher.

Waren Sie selbst oder eine Freundin schon einmal in einer bedrohlichen Situation?

Ich selbst noch nicht. Aber indische Frauen müssen seit vielen Generationen mit diesen Verbrechen leben. Als eine Reaktion darauf bewegen wir uns in der Öffentlichkeit extrem kontrolliert und vorsichtig. Wir versuchen stets, die Aufmerksamkeit nicht auf uns zu lenken.

Was muss sich in Indien unbedingt ändern?

Wir leben in einer geteilten Gesellschaft: Durch Religion, Kasten, Vermögen und so weiter. Frauen und Männer sind nicht gleichgestellt. In einigen Gegenden Indiens werden weibliche Babys sofort nach der Geburt weggegeben oder getötet. Viele Föten werden abgetrieben, sobald die Eltern wissen, dass es ein Mädchen wird. Dies wird nicht verfolgt und bestraft, was nur einmal mehr zeigt, wie die indische Gesellschaft mit dem weiblichen Geschlecht verfährt. In einigen Gegenden, vor allem in Nordindien auf dem Lande, ist bereits so weit, dass es viel mehr Männer als Frauen gibt. Die Männer finden keine Ehefrauen mehr und so sind es sie, die die Mitgift bezahlen müssen – es kehrt sich also um.

Hat sich in den letzten Jahren schon etwas geändert?

Kaum. Zum Beispiel die archaische Praxis des vaginalen „Zwei-Finger-Tests“. Dabei geht es aber nicht darum, ob die Frau vergewaltigt wurde, sondern um festzustellen, ob sie regelmäßig Geschlechtsverkehr hat. Wenn das der Fall ist, wird bislang die Anklage fallen gelassen: Es spielt also keine Rolle, ob die Frau zugestimmt hat. Wenn eine Frau regelmäßig Geschlechtsverkehr hat, darf sie sozusagen ohne weiteres vergewaltigt werden.

Wie können wir in Deutschland indische Frauen unterstützen?

Am wichtigsten sind meiner Meinung nach Programme, die Kindern und Erwachsenen Werte vermitteln. Die SOS-Kinderdörfer unterstützen Mädchen seit Jahrzehnten durch nachhaltige Schul- und Ausbildung. Im Rahmen der SOS-Familienhilfe werden Frauen ausgebildet, beraten und in ihren Rechten gestärkt.

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=== Ishita Kaul, indische Frauenrechtsaktivistin. Foto: SOS-Kinderdörfer weltweit (Bild) ===

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Kontakt:
SOS-Kinderdörfer weltweit
Louay Yassin
Ridlerstr. 55
80339 München
+49 89 17914 – 259
louay.yassin@sos-kd.org
www.sos-kinderdoerfer.de

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