ARAG Experte Tobias Klingelhöfer informiert über das Schöffenamt
Viele Gemeinden stellen zurzeit Vorschlagslisten zur Wahl der Schöffen für die nächste Amtsperiode 2024 bis 2028 auf. Laut Deutscher Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) werden insgesamt 60.000 Schöffen in ganz Deutschland benötigt. Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die neben den Berufsrichtern gleichberechtigt an der Urteilsfindung beteiligt sind. Sie üben das Richteramt zwar als rechtliche Laien aus, haben aber die gleichen Rechte und Pflichten wie die Berufsrichter. ARAG Experte Tobias Klingelhöfer erklärt im Interview, wer das Amt ausüben darf und worauf es dabei ankommt.
Welche Aufgaben hat ein Schöffe?
Tobias Klingelhöfer: Schöffen leisten im Hauptverfahren von Strafprozessen als ehrenamtliche Richter einen wichtigen Beitrag zur Wahrheitsfindung. Ihre Aufgabe ist es, zu einem unabhängigen Urteil über die Angeklagten zu kommen. Sie haben allerdings keinen Einblick in die Prozessakten, in denen auch die Ermittlungsergebnisse der Polizei stehen. Deshalb haben Schöffen einen unvoreingenommenen Blick auf die Angeklagten. Sie sollen sich in die Angeklagten hineinversetzen und ihren sozialen Hintergrund verstehen. Dabei haben sie das gleiche Stimmrecht wie ein Berufsrichter und entscheiden gemeinsam über die Schuld und das Strafmaß der Angeklagten. Das Urteil kann für die Angeklagten unter Umständen hohe Gefängnisstrafen bedeuten. Damit muss man als Schöffe umgehen können.
Welche Voraussetzungen muss ein Schöffe erfüllen?
Tobias Klingelhöfer: Schöffen müssen keine juristische Ausbildung absolviert haben. Bewerber müssen zu Beginn der Amtsperiode zwischen 25 und 69 Jahre alt sein. Sie müssen deutsche Staatsangehörige sein und über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen. Zum Zeitpunkt der Berufung muss ihr Wohnsitz in der Gemeinde liegen, die zum Gerichtsbezirk gehört. Eine besondere Verfassungstreue ist ebenso wichtig wie die gesundheitliche Eignung. Wer Jugendschöffe werden will, sollte zudem Erfahrung in der Jugenderziehung haben und erzieherische Fähigkeiten besitzen. Daneben gibt es aber eine ganze Menge von Soft-Skills, die ein Laienrichter benötigt. Er sollte über soziale Kompetenz, Lebenserfahrung und Menschenkenntnis verfügen. Darüber hinaus verlangt das Amt eines Schöffen in hohem Maße Unparteilichkeit, Gerechtigkeitssinn und Verantwortungsbewusstsein.
Und wer ist nicht für das Schöffenamt geeignet?
Tobias Klingelhöfer: Schöffen dürfen nicht überschuldet sein. Wer z. B. wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist oder wenn ein schwebendes Verfahren vorliegt, darf man das Schöffenamt ebenfalls nicht ausüben.
Wo kann man sich als Schöffe bewerben und wie lange dauert die Amtszeit?
Tobias Klingelhöfer: Wer Interesse am Amt hat, muss sich in seiner Gemeinde auf die Vorschlagsliste für Schöffen setzen lassen. Wer gewählt wird, erhält Post von seiner Gemeinde. Die Liste der Bewerber muss in der Gemeinde eine Woche lang für alle Bewohner sichtbar ausliegen. Sollte es nicht genügend geeignete Bewerber geben, können auch Personen berufen werden, die sich nicht beworben haben. Ablehnen kann man nur in wenigen begründeten Fällen. Und da zurzeit enorm viele Schöffen in ganz Deutschland gesucht werden, ist es durchaus möglich, dass eine Einberufung ins Haus flattert. Wenn man mit einer bestimmten Person auf der Schöffenliste nicht einverstanden ist, darf man Einspruch einlegen. Anschließend entscheiden im zuständigen Amtsgericht ein Richter, ein Verwaltungsbeamter und sieben Vertrauenspersonen, ob ein Einspruch gerechtfertigt ist und wählen im Anschluss die Haupt- und Hilfsschöffen für die kommende Amtsperiode. Auch hier entscheidet bei der Wahl eine zwei Drittel-Mehrheit der Stimmen. Eine Amtsperiode für Schöffen beträgt zurzeit fünf Kalenderjahre.
Was verdient man als Schöffe?
Tobias Klingelhöfer: Da es sich um ein Ehrenamt handelt, bekommen Schöffen für ihre Dienste kein Geld. Lediglich ihr Aufwand wird pauschal mit sechs Euro pro Stunde entschädigt. Auch Fahrtkosten zum Gericht werden erstattet. Genauso wie ein Verdienstausfall. Der richtet sich nach dem Bruttomonatseinkommen des Schöffen und wird dann minutengenau abgerechnet. Die benötigte Zeit für den Weg zum Gericht und zurück zum Arbeitsplatz wird dabei auch angerechnet. Maximal werden 24 Euro pro Stunde erstattet, unter bestimmten Voraussetzungen kann sich dies auf 46 Euro pro Stunde erhöhen.
Müssen Arbeitgeber Schöffen freistellen?
Tobias Klingelhöfer: Für die Termine im Gerichtssaal müssen Schöffen von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden – und zwar ohne für die Sitzungstage Urlaub beantragen zu müssen. Mehr noch: Der Arbeitgeber darf einem Mitarbeiter nicht kündigen, weil er ein Schöffenamt übernimmt, egal, ob das Amt freiwillig oder unfreiwillig übernommen wurde. Die durch einen Prozess verpasste Arbeitszeit muss auch nicht nachgeholt werden. Zudem dürfen Schöffen in puncto Gehalt nicht nachteilig entlohnt werden, weil sie ihrem Amt als Laienrichter nachgehen.
Wie zeitintensiv ist das Amt?
Tobias Klingelhöfer: Schöffen können pro Jahr bei bis zu zwölf Prozessen eingesetzt werden, wobei jeder Prozess in mehreren Verhandlungstagen geführt werden kann. Sie sind verpflichtet, pünktlich und ausgeruht zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Das kann dazu führen, dass ein Schöffe, der in Wechselschicht oder Nachtarbeit arbeitet, seine Schicht vor der Verhandlung tauschen oder rechtzeitig beenden muss, dass er ausreichend schlafen kann. Die Sitzungstermine stehen aber zum Jahresbeginn fest, so dass jeder sich darauf einstellen kann. Auch der Urlaub muss übrigens um die Hauptverhandlungen herum geplant werden. Wer sich aus beruflichen Gründen grundsätzlich von der Schöffen-Verpflichtung oder auch nur von einzelnen Verhandlungstagen befreien lassen möchte, sollte wissen, dass die Maßstäbe dafür extrem streng sind.
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